US-Schlag gegen den Iran: Durst nach Rache
Soleimani war nicht irgendein General, sondern der Mann hinter Irans Einfluss in der Region. Teherans Optionen sind nun schier unbegrenzt.
US-Drohnen beschossen Soleimanis Konvoi in der Nacht zu Freitag nach dessen Ankunft am Flughafen in Bagdad mit Raketen. Die Order kam von US-Präsident Donald Trump persönlich, der damit offenbar kurzfristig seinen Rachedurst gestillt hat.
Trump sieht in dem Angriff eine Antwort auf die Stürmung der US-Botschaft in Bagdad durch Demonstranten am Dienstag. Sie gehörten der Kataib-Hisbollah an, einer der schiitischen Milizen im Irak, die vom Iran unterstützt und gelenkt werden. Diese paramilitärischen Gruppen wiederum hatten darauf reagiert, dass die US-Luftwaffe am Sonntag ihre Stellungen im Irak bombardiert hatte.
Das Pentagon rechtfertigte den jüngsten Schlag damit, dass Soleimani aktiv an Plänen gearbeitet habe, US-amerikanische Diplomaten und Einsatzkräfte im Irak und anderen Ländern der Region zu attackieren.
Die weitere Eskalation ist nun praktisch vorgezeichnet, denn Soleimani war nicht irgendein General. Er galt unter den iranischen Revolutionsgarden als Held und unterstand direkt dem Revolutionsführer Ajatollah Chamenei.
Darüber hinaus war Soleimani der Architekt der iranischen Strategie, die zum Ziel hatte, in der gesamten Region ein Netzwerk irantreuer schiitischer Milizen aufzubauen. Damit hat der 62-Jährige es nicht nur geschafft, die iranische Einflusssphäre im Nahen Osten abzusichern und auszuweiten, sondern hat auch Akteure geschaffen, die militärisch und politisch als ferngesteuerte iranische Satelliten agieren können.
Die prominenteste dieser Milizen ist die Hisbollah im Libanon, aber es gibt auch zahlreiche schiitische Milizen und deren Parteien, die die Politik im Irak bestimmen. Soleimanis ferngesteuerte Truppen kämpfen auch auf Seiten Baschar al-Assads in Syrien und haben dem Diktator entscheidend zu dessen militärischen Siegen der letzten Jahre verholfen. Auch die Huthi-Rebellen im Jemen sind Teil der Soleimani-Strategie.
Ein Krieg fände nicht nur im Iran statt
Dieses von Soleimani geschaffene Konstrukt macht die jetzige Lage so gefährlich. Der General hat viele Fronten geschaffen, an denen der Iran nun zurückschlagen kann. Anders als bei bisherigen Konflikten in der Region – etwa beim Irakkrieg 2003 oder dem Afghanistankonflikt seit 2001 – wäre eine militärische Konfrontation mit dem Iran nicht auf dessen Landesgrenzen beschränkt. Das ist die wichtigste Hinterlassenschaft Soleimanis.
Die erste Front wird dabei wahrscheinlich im Irak verlaufen: zwischen den schiitischen Milizen und den verbliebenen US-Truppen. Das Gros der Iraker, die nicht den schiitischen Milizen angehören, wird bei diesem Konflikt nur zusehen können – auch die seit Oktober entstandene Protestbewegung, die auf den Straßen Bagdads nun Soleimanis Tod feiert.
Auch in allen anderen Ländern mit schiitischen Milizen sind US-Botschaften und US-Interessen angreifbar. Die Iraner können außerdem das Netzwerk der Milizen einsetzen, um US-Verbündeten in der Region wie Israel oder Saudi-Arabien das Leben schwer zu machen.
Ölanlagen und Tanker können erneut Ziel von Angriffen werden. Im vergangenen Jahr hat der Iran mehrmals unter Beweis gestellt, wie verwundbar die saudische Ölindustrie und damit der globale Ölmarkt ist. Nach Drohnenangriffen auf zwei Ölanlangen des saudischen Staatskonzerns Aramco im September mussten die Saudis über Nacht ihre Ölproduktion um die Hälfte herunterfahren.
Da Saudi-Arabien 10 Prozent des weltweit vermarkteten Öls produziert, bedeutete das, dass der globale Ölmarkt mit einem Schlag 5 Prozent der Versorgung mit dem schwarzen Gold verloren hatte. Kein Wunder also, dass nun die Nachricht von Soleimanis Ermordung dazu führt, dass sich der Ölpreis erhöht.
Unbegrenztes Eskalationspotenzial
Dass eine iranische Antwort nicht ausbleiben wird, hat die iranische Führung bereits unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. „Soleimanis Weg wird auch ohne ihn weitergeführt, aber die Kriminellen erwartet eine schwere Rache,“ schrieb Chamenei in einem Beileidsschreiben, das im iranischen Staatsfernsehen verbreitet wurde. „Die Ermordung General Soleimanis ist extrem gefährlich und eine dumme Eskalation“, twitterte Außenminister Mohammed Dschawad Sarif.
Empfohlener externer Inhalt
Ein Sprecher der iranischen Regierung kündigte an, dass sich der Sicherheitsapparat in wenigen Stunden zusammensetzen wird, um die möglichen iranischen Antworten zu besprechen. Mit einer dreitägigen Staatstrauer hat sich die iranische Führung erst einmal eine Atempause geschaffen, um sich zu überlegen, wo und wann sie zuschlagen lässt und wo es den USA oder der Weltwirtschaft am meisten wehtut. Irans Möglichkeiten der Eskalation sind dabei schier unbegrenzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin