US-Reise von Bundeskanzler Scholz: Vertauschte Rollen in Washington
Diesmal fliegt Olaf Scholz nicht als Zauderer in die USA, sondern als Antreiber: Die Amerikaner sollen endlich wieder der Ukraine helfen.
Und trotzdem ist es eine besondere Reise – denn der Besuch findet mit vertauschten Rollen statt. Jahrelang mussten sich deutsche Regierungsvertreter*innen bei solchen Anlässen dafür rechtfertigen, zu wenig Geld ins Militär zu stecken und für die Sicherheit in Europa zu wenig zu leisten. Diesmal könnte es umgekehrt laufen.
„Wenn es um die Frage der Lastenteilung geht, dann braucht sich Europa nicht zu verstecken“, heißt es vorab aus dem Kanzleramt, mit Blick vor allem auf die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. In einem Gastbeitrag für das Wallstreet Journal rechnete Scholz persönlich den Amerikaner*innen am Mittwoch vor, was das heißt: Bei den Militärhilfen läge Deutschland nach den Vereinigten Staaten auf Platz 2, die Finanzhilfen der EU an die Ukraine seit Kriegsbeginn überträfen die der USA sogar und auf weitere 50 Milliarden Euro hätten sich die Mitgliedsstaaten gerade erst geeinigt.
Jetzt, so die freundlich verpackte Forderung aus Berlin, müsse Washington seiner Verantwortung endlich wieder nachkommen. Dem Kanzler sei es wichtig, so ein Regierungsberater, dass alle Staaten ihren Teil für die Ukraine leisten und dafür auch ausreichende Haushaltsmittel zur Verfügung stellen. „In dieser Hinsicht kommt das Gespräch zum genau richtigen Zeitpunkt.“
Im US-Kongress scheiterte schließlich am Mittwoch erneut ein Gesetzesentwurf für weitere Ukraine-Hilfen. Die Demokraten waren den Republikanern zwar entgegengekommen und erklärten sich bereit, im Gegenzug weitere Abschottungsmaßnahmen gegen Migrant*innen umzusetzen. Ganz im Sinne ihres designierten Präsidentschaftskandidaten Donald Trump stimmten die Republikaner im Senat trotzdem mit Nein.
Warnung vor den Konsequenzen
Bleibt es bei der Blockade, könnte sich die militärische Situation für die Ukraine bald zuspitzen. Schon jetzt klagt die ukrainische Armee darüber, das Ausbleiben von US-Waffenlieferungen zu spüren und mit deutlich weniger Munition auskommen zu müssen als die Gegenseite.
„Die Ukraine könnte schon bald einem ernsthaften Mangel an Waffen und Munition gegenüberstehen“, warnt auch Scholz im Wallstreet Journal. Nicht an Präsident Biden richtet sich diese Mahnung. Mit ihm ist sich der Bundeskanzler schließlich einig. Scholz will auf die US-Öffentlichkeit und den Kongress einwirken – bei allem Bewusstsein darüber, dass der deutsche Einfluss begrenzt ist. Als erster Termin nach der Landung in Washington ist ein Abendessen mit Abgeordneten beider Parteien vorgesehen.
Scholz als Antreiber, nicht mehr als Zögerer: Vor seiner USA-Reise arbeitete der Kanzler an diesem Bild von sich zuletzt schon innerhalb der EU. Mehrmals hatte er in den vergangenen Wochen europäische Partnerländer aufgefordert, hinsichtlich Waffenlieferungen mehr zu leisten. In einem Gastbeitrag für die Financial Times schrieb er mit vier anderen europäischen Regierungschef*innen: „Die Belastung ist so hoch, dass alle Staaten alles in ihrer Macht Stehende tun müssen.“
Die Zahlen geben dem Kanzler einerseits recht. Im Vergleich mit anderen großen EU-Staaten wie Frankreich, Spanien und Italien leistet Deutschland mittlerweile viel für die Ukraine. Dennoch hält sich selbst unter den Partnern in der Ampel-Koalition der Vorwurf, Scholz mache zu wenig. In Relation zur Wirtschaftskraft ist Deutschland innerhalb der EU schließlich mitnichten der größte Ukraine-Unterstützer – und die schon lange geforderte Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern scheitert weiterhin am Kanzleramt.
Die Diskussion darüber wollen Scholz’ Leute entsprechend herunterkochen: In Washington, so heißt es von ihnen, werde das Thema wohl keine große Rolle spielen.
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