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US-Regierung unter Joe BidenTraumziel Normalität

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Joe Bidens Impfauftritt signalisiert einen Wendepunkt in den USA. Großartige Veränderungen sind jedoch auch von ihm kaum zu erwarten.

President elect macht es vor: Joe Biden lässt sich im Krankenhaus gegen Covid-19 impfen Foto: Carolyn Kaster/ap

D as Bild der Impfnadel im Oberarm von Joe Biden ist um die Welt gegangen. Am Ende eines schrecklichen Pandemiejahrs und kurz vor dem Ende von vier schrecklichen Politikjahren weckt es Zuversicht. Biden nutzte die Gelegenheit, um dem medizinischen Personal, den Forscher.innen, den Beschäftigten an der vordersten Front der Pandemie seinen Dank auszusprechen. Und er schaffte es sogar, der scheidenden Regierung ein Lob für ihre Unterstützung bei der schnellen Entwicklung des Impfstoffs auszusprechen.

Normalerweise wäre das alles nicht erwähnenswert. Schließlich gehört es zum Job von Spitzenpolitiker.innen, dass sie mit gutem Beispiel vorangehen, dass sie Mitbürger.innen aufmuntern und unterstützen und dass sie politischen Gegner.innen die Hand zur Zusammenarbeit ausstrecken. Aber in der vergifteten politischen Atmosphäre in den USA ist es nun einmal besonders.

Im Vergleich zu dem Hass, den Aufrufen zu Gewalt, der Wissenschaftsfeindlichkeit, den Lügen und dem permanenten Eigenlob des scheidenden Präsidenten stellt Bidens Impfauftritt einen wohltuenden Kontrast dar und macht Lust auf mehr. Nach wochenlangem, quälendem Postwahltheater trifft der Impfauftritt zeitlich mit einem politischen Wendepunkt zusammen.

Neuer Ton im Weißen Haus

Das Votum des Electoral College und das Nein des Obersten Gerichts, die Wahlen anzufechten, brachte sogar zahlreiche republikanische Spitzenpoliti­ker.in­nen zur Einsicht, dass ihr Präsident nicht im Amt bleiben kann. Ihre Zustimmung zu einem – wenngleich unzureichenden – Coronahilfspaket ist ein Ausdruck davon. Trotzdem ist keine radikale Kehrtwende zu erwarten. In dem 330 Millionen Einwohner.innen zählenden Land mit den weltweit höchsten Covid-Opfer-Zahlen wird das Virus noch lange wüten.

Und die 73 Millionen Wähler.innen des scheidenden Präsidenten werden dafür sorgen, dass dessen antidemokratisches Denken und Tun nicht mit ihm von der Bühne verschwinden. Bidens Amtsantritt am 20. Januar ist eine Rückkehr zu einer US-amerikanischen Normalität. Wie mit der Impfnadel im Arm wird er auch im Weißen Haus andere Symbole liefern, einen anderen Ton anschlagen und eine Regierung mitbringen, deren Mitglieder so aussehen wie die Bevölkerung des Landes – mit Frauen und People of Color.

Nur, die überfälligen Veränderungen, die das Land braucht, sind von dem Zentristen Biden und mit der im günstigsten Fall hauchdünnen Mehrheit der Demokrat.innen im Kongress nicht zu erwarten. Das US-amerikanische Debakel der letzten Jahre zeigt, dass die USA eben keine Musterdemokratie sind. Realistisch sind allenfalls minimali­stische Erwartungen an den neuen US-Präsidenten.

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Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.
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2 Kommentare

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  • Donald Trump hat sich schlecht benommen und war für das amt nicht qualifiziert -und hat es wie fast jeder us-präsident vor ihm für die begehung von verbrechen missbraucht aber Joe Biden ist von diesen beiden verbrechern der schlechtere mensch und wird wegen der vielen kriege zu denen er ja gesagt oder für die er sogar geworben hat für eine sehr viel längere zeit in die hölle kommen

  • Na, da hätten aber schon ein paar Beispiele für die überfälligen Veränderungen kommen können und für die Gründe aus denen kaum Verbesserungen zu erwarten sein sollen. Man kann auch durchaus mal die eigenen Erwartungen formulieren bevor man die erwartete Enttäuschung formuliert. Man hätte auch wenigsten am Rande unterscheiden können zwischen dem was Biden will und dem was er vielleicht erreichen kann. Wenn man weder die eigenen noch Bidens Prioritäten nennt, dann ist so ein Beitrag jedenfalls eigentlich ziemlich überflüssig. Dass "Normalität" natürlich immer ein eher fragwürdiges Ziel ist, kann man so sehen, die USA sind aber vor allem deshalb so paralysiert weil es nahezu keinen inneren gesellschaftlichen Konsen mehr gibt. Aber dass es bei Biden nicht bei netten Fotos und vermittelnder Rhetorik bleiben wird, ist doch auch klar. Jetzt muss man einfach mal abwarten wie die Mehrheitsverhältnisse im Senat ausfallen werden, frühestens ab dann kann man enttäuscht sein.