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US-PräsidentschaftTrumps vergiftetes Erbe

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Joe Biden will das Land versöhnen. Das wird schwierig, hat doch Trump nicht nur den Institutionen, sondern auch den Republikanern Schaden zugefügt.

Donald Trump während der Kundgebung am Mittwoch bevor die Ausschreitungen begannen Foto: Jacquelyn Martin/AP

V ier Jahre lang funktionierte die Republikanische Partei als Steigbügelhalter für Trumps autokratischen Machtanspruch. Trump war nützlich. Steuersenkungen für die Reichen! Drei konservative Oberste Richter! Druck auf Familienplanung und Migration! Keine Verschärfung der Schusswaffenkontrollen! Da wurden, nach acht Jahren Obama-Präsidentschaft, konservative Träume wahr.

Die Zerstörung der Institutionen von innen, die Trumps erster Chefberater Stephen Bannon einst als strategisches Ziel ausgegeben hatte, wurde wahr. Wo immer möglich, überdehnte Trump seine Machtbefugnisse, preschte mit offenkundig rechtswidrigem Handeln so lange voran, wie Gerichte das gerade noch zuließen, entledigte sich störenden Expertenwissens in den Ministerien, beschimpfte die Medien als „Volksfeinde“ und verbreitete Tweets von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremisten. Für seine Anhänger*innen, mit denen er vier Jahre lang per Twitter und auf nie aufhörenden Großveranstaltungen eng kommunizierte, war er damit derjenige Präsident, der sein Versprechen hielt, sich nicht dem verhassten Washingtoner Establishment anzupassen, sondern das korrupte System als Außenseiter aufzumischen.

Es ist nur folgerichtig, dass kranke Fantasien wie das von Qanon ver­breitete Hirngespinst, Trump kämpfe gegen einen Deep State, dessen Repräsentanten Kinder gefangen hielten und deren Blut tränken, so starke Verbreitung fanden, dass bei den ­jüngsten Wahlen mindestens zwei republikanische Abgeordnete gewählt wurden, die diesen Irrsinn tatsächlich glauben.

Wäre der Mehrheit der Republikanischen Partei ernsthaft daran gelegen gewesen, dieser bewussten Verwüstung des Systems der US-amerikanischen Demokratie und der Zerstörung ziviler Debattenkultur Einhalt zu gebieten, hätten ihre Vertreter*innen längst einschreiten müssen und können. Taten sie aber nicht, im Gegenteil.

Gerade noch rechtzeitig vor der Kongresssitzung am Mittwoch entdeckte der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, seinen Anstand. 14 Tage vor Trumps Abgang ist er nach vier Jahren Trump-Unterstützung nichts anderes als die Ratte, die das sinkende Schiff verlässt. Und die Heuchelei, mit der nach dem von Trump selbst orchestrierten Sturm auf das Kapitol jetzt Mi­nis­te­r*in­nen und führende Mit­ar­bei­ter*innen moralisch empört ihren Rücktritt erklären, verschlägt einem die Sprache.

Dennoch ist der Umgang mit solchen prinzipienlosen, machtgeilen Op­por­tunist*innen gar nicht so einfach. Denn die Republikanische Partei ist und bleibt ein wichtiger Machtfaktor, und sie muss sich ändern, wenn Bidens Vorhaben, die Spaltung der USA zu überwinden, irgendeine Chance haben soll. Wenn sie aufhörte, mit Lügengeschichten ihre Wähler*innen aufzuputschen und im Kongress jegliche vernünftige Gesetzgebung zu blockieren – das wäre ein Fortschritt, der es rechtfertigen würde, diesen ­Leuten sogar vier Jahre Trump zu verzeihen. Enttrumpifizierung würde Mit­tä­te­r*in­nen und Mitläufer*innen ungeschoren davonkommen lassen ­müssen.

Nur: Für einen solchen echten Schwenk der Republikaner*innen gibt es derzeit keinerlei Anzeichen. Und da sind immerhin auch 74 Millionen US-Amerikaner*innen, die im November Trump gewählt haben. Sie müssten konsequent mit anderen, leidlich der Wahrheit und dem Respekt verpflichteten konservativen Diskursen geführt werden, um aus dem Fantasieland herauszufinden. Bislang ist da niemand in der republikanischen Führungsriege, der das tun könnte oder würde, aber viel Angst, diese an Trump hängenden Massen als Wähler*innen zu verlieren.

Der Sturm aufs Kapitol war der sichtbare Kulminationspunkt von vier Jahren Trump. Ja, das war vollkommen vorherzusehen, und wer jetzt erst merkt, dass etwas schiefläuft, macht sich politisch lächerlich. Trotzdem: Besser jetzt als nie.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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3 Kommentare

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  • Zitat: „Der Sturm aufs Kapitol war der sichtbare Kulminationspunkt von vier Jahren Trump.“

    Schon klar. Und Auschwitz-Birkenau war der sichtbare Kulminationspunkt von acht Jahren Hitler.

    Sicher, man kann sich in die eigene Tasche lügen. Es zwingt einen ja niemand zur Ehrlichkeit. Aber Trumps Präsidentschaft war selbst auch nur ein Kulminationspunkt. So, wie Hitlers Regentschaft ein Kulminationspunkt war.

    Wir sollten aufhören so zu tun, als würden Wahlergebnisse und ihre Folgen plötzlich und unerwartet vom Himmel fallen. Das tun sie nämlich nicht. Die haben immer viele Väter - und sogar einige Mütter.

    Die US-Gesellschaft hat sich seit Jahrzehnten in eine gefährliche Richtung entwickelt. Die Angst davor, nicht genügend Wahlkampfgelder einzunehmen, wenn der Vorwurf des Sozialismus aufkommt, war nur ein Grund dafür, dass sich Republikaner und Demokraten einander immer weiter angenähert haben in ihren Überzeugungen - bis Trump möglich geworden ist.

    Obamas Regierungszeit leider gar nichts geändert am Grund-Kurs der US-Gesellschaft. Sie war nicht lang genug, als dass sie die Entwicklungsrichtung nachhaltig hätte korrigieren können. (Womöglich war der Schwenk auch gar nicht gewollt. Es sollte wohl lediglich Schadensbegrenzung betrieben werden.) Dass viele Europäer die Probleme, die es immer schon gab in den USA, nicht sehen mochten, weil sie ihren Amerikanischen Traum nicht verlieren wollten, hat die Entwicklung nur verstärkt.

    Europa war und ist bis heute kein Korrektiv. Aber einen „Großen Bruder“ unkritisch anzuhimmeln, weil man den Stärkeren um seine „Erfolge“ beneidet und seinen Schutz nicht verlieren will, ist grundsätzlich keine gute Idee. (Auch das eine DDR-Erfahrung, wenn auch keine 1:1 übertragbare.)

    Wer mit Kritik nicht umgehen kann, wird nie ein gutes Vorbild sein. Wer aber keine Kritik riskiert, wird nie erfahren, wem er nacheifert. Er darf sich nicht beschweren, wenn er dem „Großen“ ein paar Jahre später in den Knast/unter die Brücke folgt.

  • Die „kranken Fantastiker“ des hiesigen Verbreitungsgebietes waren nach 45 auf einmal auch alle ganz lieb...und das nachdem sie vorher zigmillionen ermordet haben.

    • @guzman:

      Wolf Biermann:

      Ballade zur Beachtung der Begleitumstände beim Tode von Despoten, aus welcher man ersehen kann, wie man nicht nur die Despoten, sondern auch deren Lakaien auf einfache und doch wirkungsvolle Weise gleich miterledigen kann.