US-Präsident Biden im Wahlkampf: Wer sagt’s ihm?
Bis zum 5. August haben die Demokraten noch Zeit, den schwach erscheinenden Präsidentschaftsbewerber Biden auszuwechseln. Finden sie den Mut?
Noch am Abend des katastrophalen Auftritts von Joe Biden beim ersten live übertragenen TV-Duell mit Donald Trump am vergangenen Donnerstag hatte der kalifornische Gouverneur, der Demokrat Gavin Newsom, zur Geschlossenheit aufgerufen: „Wir müssen hinter diesem Präsidenten stehen. Sie wenden sich nicht wegen eines Auftritts ab. Was für eine Partei würde das tun?“
„Vielleicht eine, die gewinnen will? Oder eine, die einen Kandidaten aufstellen will, von dem die amerikanische Bevölkerung glaubt, dass er dem Job gewachsen ist?“, schrieb zwei Tage später der New-York-Times-Kolumnist Ezra Klein. „Was für eine Partei würde jetzt einfach nichts tun?“, fragte er rhetorisch zurück.
Wieder ein paar Tage später scheinen allerdings die US-Demokraten genau diese Partei zu sein. Da können Kommentatoren noch so betteln oder den ehemaligen Präsidenten Barack Obama anflehen, jetzt bitte Führungsstärke zu zeigen und seinen Einfluss auf Joe Biden zu nutzen, um ihn zum Abtreten zu bewegen. Zumindest öffentlich wird nur ein Treffen der Biden-Familie vom Wochenende bekannt, bei dem der Präsident sich der vollen Unterstützung seiner Liebsten versichert.
Dazu manche Versuche, die Bedeutung des TV-Auftritts herunterzuspielen – eine verkorkste Nacht, kommt nicht wieder vor – und die Wahlchancen hochzuschreiben: In den Umfragen, heißt es aus der Biden-Kampagne, habe sich nicht viel geändert. Trump führte halt vorher auch schon deutlich. Eilig werden Sponsoren zu Videocalls zusammengerufen, laut Medienberichten konferierte Bidens Wahlkampfmanager Jen O’Maley Dillon am Montagabend mit 500 zentralen Spendern, um sie zu beruhigen und im Anschluss Erfolgszahlen über ungebrochenen Zuspruch herausgeben zu können.
Biden selbst muss den Weg freimachen
Noch immer ist keine einzige prominente Stimme aus der Demokratischen Partei mit der Rückzugsforderung an Biden hervorgetreten. Dabei drängt die Zeit. Wenn die Demokratische Partei tatsächlich vorhaben sollte, Konsequenzen zu ziehen, dann muss sie das bald tun. Genauer: Dann muss bald jemand Joe Biden selbst davon überzeugen, dass es der einzige Weg ist. Denn nur, wenn er selbst den Weg freimacht, hätte der Demokratische Nominierungsparteitag, der am dem 19. August in Chicago beginnt, die Chance, mit dann freien Delegierten jemand anderen zu nominieren.
Diejenigen, die da immer wieder genannt werden – der bereits erwähnte Gavin Newsom oder die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, halten sich zurück. Whitmer selbst telefonierte stattdessen mit dem Biden-Wahlkampfteam, um zu versichern, dass sie es ganz abscheulich fände, dass ihr Name ständig genannt werde. Am Montag veröffentlichte sie ein Statement: „Ich bin eine stolze Unterstützerin von Joe Biden als unserem Kandidaten und ich stehe zu 100 Prozent hinter ihm, um Donald Trump zu besiegen.“
Die Parteiorganisatoren erhöhen sogar den Zeitdruck. War eine Abstimmung unter allen Delegierten zur Wahl Joe Bidens per elektronischem Roll Call ursprünglich deshalb für den 5. August angesetzt worden, weil im wichtigen Bundesstaat Ohio zwei Tage später eine Frist zur Einschreibung von Kandidaten ablief, gebe es dafür nach einer Regeländerung eigentlich keinen Grund mehr. Aber die Parteispitze hält an dem Datum fest – noch weniger Zeit also, um sich auf eine Alternative zu Biden zu einigen, sollte er überhaupt zurücktreten.
Solange niemand weiß, ob der Schritt erfolgt, will auch niemand vortreten. Erst in dem Moment, da Biden verkünden würde, aus gesundheitlichen Gründen müsse er leider seine Kandidatur zurückziehen, könnte voller Bedauern und in absoluter Loyalität jemand anbieten, in letzter Minute ins Rennen zu gehen – solange das nicht passiert, will niemand durch illoyale Übereifrigkeit seine Chancen verspielen, wenigsten 2028 ganz vorne zu stehen.
Und so rauscht eine mutlose Demokratische Partei in ein absehbares Desaster und findet einfach keinen Ausweg.
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