UN-Sonderberichterstatterin in Berlin: Francesca Albanese muss erneut ausweichen
Ein Vortrag der UN-Berichterstatterin für Palästina wurde erneut verlegt. Ihr wird Antisemitismus vorgeworfen, die Organisatoren beklagen politischen Druck.
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In einer Pressemitteilung der Partei DiEM25, die die Veranstaltung mitorganisierte, heißt es, die Meinungsfreiheit stehe „unter brutalem Angriff“. Ein Parteisprecher sagte der taz, es sei „glasklar“, dass politischer Druck auf die Betreiber des Kühlhauses ausgeübt worden sei. Die Polizei versuche zudem, die Teilnehmer*innen der Veranstaltung einzuschüchtern.
Das Kühlhaus selbst war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. An der Tür des Gebäudes fand sich am Dienstag ein Schreiben, in dem die Absage verkündet wurde. Man könne „aufgrund der angedrohten Eskalation“ die Sicherheit im Haus nicht gewährleisten. Von welcher Seite eine Eskalation drohe, bleibt offen. Der Veranstaltungsort wurde in den letzten Tagen mit Parolen beschmiert, die Albanese des Antisemitismus beschuldigen.
Die Berliner Polizei widerspricht den Darstellungen, sie habe für die Verlegung der Veranstaltung gesorgt. „Es gab nie Pläne, die Veranstaltung zu unterbinden“, sagte ein Sprecher zur taz. Bei Kooperationsgesprächen sei vereinbart worden, dass eine kleine Zahl Polizist*innen der Veranstaltung beiwohnen solle, um Journalist*innen zu schützen. Zu Konflikten sei es bei den Gesprächen nicht gekommen. Es gebe auch keine Pläne, die Veranstaltung am neuen Ort zu behindern.
Tatsächlich ist die Polizei am Dienstagnachmittag aber mit einem Großaufgebot um das Gebäude der Jungen Welt in Berlin-Mitte im Einsatz. Offenbar verschaffte sich die Polizei auch Zugang zu den Räumlichkeiten, in denen Albanese spricht. Außerdem gibt es Auflagen, so darf etwa ein Film nicht gezeigt werden. Dietmar Koschmieder, der Geschäftsführer der Jungen Welt, sagte: „Wir haben noch nie annähernd solche Schwierigkeiten mit der Durchführung einer Veranstaltung gehabt.“ Man wolle später juristisch gegen das Verhalten der Polizei vorgehen, vorerst müsse man es aber akzeptieren.
Der Fall zieht mittlerweile Kreise bis in die Bundespolitik. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Helge Limburg, sagte der taz am Dienstag: „Es muss möglich sein, in Berlin öffentlich über die Art der Kriegsführung Israels kritisch zu diskutieren.“ Er sagte aber auch: „Eine einseitige Schuldzuweisung oder gar Dämonisierung Israels verbietet sich dabei.“
Hitler-Vergleiche auf X
Genau das ist bei Albanese aber das Problem. Ihre Kritik an Israel ist teils eindeutig antisemitisch. So kommentierte sie auf X zustimmend ein Bild, das den israelischen Premier Benjamin Netanjahu mit Hitler gleichsetzt. Auch in vielen anderen Posts suggeriert sie, Israels Vorgehen im Gazastreifen gleiche der NS-Vernichtungspolitik, etwa indem sie Gaza als Konzentrationslager bezeichnete.
Albanese lobte außerdem einen X-Post, der ein rotäugiges Monster mit blutverschmierten Händen im Chemie-Schutzanzug zeigt, auf dem die israelische Fahne prangt. Und sie nutzt altbekannte antisemitische Klischees, etwa wenn sie von einer die USA beherrschenden „israelischen Lobby“ schreibt. 2014 sprach sie öffentlich sogar von einer „jüdischen Lobby“, die die USA unterworfen habe. Dafür entschuldigte sie sich später.
Die Absage des Berliner Kühlhauses ist nur die jüngste Wendung in einer ganzen Kette von Kontroversen um Veranstaltungen mit Albanese in Deutschland. Anfang Februar wurde ein Auftritt an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) von deren Leitung verhindert. Mehrere LMU-Professor*innen kritisierten dies als „beunruhigend“.
In Berlin war zunächst geplant, dass sie an der Freien Universität sprechen sollte, zusammen mit Eyal Weizman, der die Rechercheagentur Forensic Architecture gegründet hat. Auch hier intervenierte aber die Unileitung mit Verweis auf Sicherheitsbedenken. Zuvor hatten unter anderem Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und der israelische Botschafter Ron Prosor die Absage gefordert.
Unterstützer*innen Albaneses sprachen deshalb von einem Eingriff in die Wissenschafts- und Meinungsfreiheit. Als Ersatzort wurde das Kühlhaus ausgewählt – das nun aber wenige Stunden vor Veranstaltungsbeginn zurückzog und die erneute Planänderung nötig machte.
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