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UN-Lieferungen nach SyrienHilfe nur mit Einschränkungen

Das internationale Hilfsprogramm in Syrien läuft weiter. Doch die UN beugt sich Russland: Nur ein letzter Grenzübergang bleibt für Lieferungen offen.

Vertriebene Kinder in Lager in Ma'arrat Misrin, Syrien: Sie sind auf internationale Hilfe angewiesen Foto: Anas Alkharboutli/dpa

New York afp | Der UN-Sicherheitsrat hat nach einwöchigen Verhandlungen eine Fortsetzung der grenzüberschreitenden humanitären Lieferungen für die syrische Bevölkerung in eingeschränkter Form beschlossen.

Er sei erleichtert über die Annahme des deutsch-belgischen Resolutionsentwurfs, teilte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Samstagsabend mit. Das Mandat für das Hilfsprogramm, das in der Nacht zum Samstag ausgelaufen war, wurde um ein Jahr verlängert. Die Lieferungen können künftig aber nur noch über einen Grenzübergang erfolgen.

Deutschland habe zusammen mit Belgien „in schwierigen Verhandlungen hart um dieses Ergebnis gerungen“, fügte der SPD-Politiker hinzu. „Wir können und wollen nicht verhehlen, dass wir mehr Zugänge für notwendig gehalten hätten“. Belgien sprach hingegen von einem „neuen traurigen Tag für den Sicherheitsrat und vor allem für das syrische Volk“.

Zwölf Ratsmitglieder votierten für den deutsch-belgischen Resolutionsentwurf. Die beiden Veto-Mächte Russland und China sowie die Dominikanische Republik enthielten sich. Vor der Abstimmung am Samstag waren im UN-Sicherheitsrat mehrere Anläufe gescheitert, das UN-Mandat für die internationalen Hilfslieferungen zu verlängern. Der Syrien-Verbündete Russland und China legten zwei Mal binnen drei Tagen ihr Veto ein.

Drastische Verringerung der Hilfen

Deutschland, das im Juli den Ratsvorsitz hat, und Belgien gaben mit ihrem Kompromissvorschlag schließlich einer seit Wochen von Russland vorgebrachten Forderung nach, den Grenzübergang Bab al-Salam, der in die nordsyrische Region Aleppo führt, nicht mehr für die Hilfslieferungen zu nutzen. Künftig steht nur noch der Übergang Bab al-Hawa an der Grenze zur Türkei im Nordwesten Syriens für die Transporte zur Verfügung.

Lange hatten die westlichen Staaten die Nutzung von weniger als zwei Grenzübergängen als „rote Linie“ bezeichnet. Letztendlich mussten sie sich aber dem Druck Russlands beugen.

Das grenzüberschreitende UN-Hilfsprogramm ermöglicht es, humanitäre Güter ohne Zustimmung der syrischen Regierung in das Land zu bringen. In den ersten Jahren gelangte die humanitäre Hilfe über vier Grenzübergänge aus dem Irak, Jordanien und der Türkei nach Syrien. Russland setzte jedoch zu Beginn dieses Jahres durch, dass es nur noch zwei Grenzübergänge für die Hilfslieferungen gab und das Programm nur noch um ein halbes Jahr – statt wie bis dahin üblich um ein Jahr – verlängert wurde.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) beklagte, Russlands Erfolg im Sicherheitsrat bedeute „eine neue drastische Verringerung der grenzüberschreitenden Hilfe für verzweifelte Syrier, die auf diese Hilfe angewiesen sind“. Auch die NGO Oxfam äußerte sich besorgt über mögliche Engpässe bei der Versorgung notleidender Menschen in Syrien mit Wasser, Essen und medizinischen Gütern.

Hintergrund des Streits im Sicherheitsrat ist die grundsätzliche Ansicht Russlands wie auch Chinas, dass das grenzüberschreitende UN-Hilfsprogramm die Souveränität Syriens verletze, da die Regierung in Damaskus dieses nicht formell genehmigt hat. Russland argumentierte, dass der Grenzübergang Bab al-Salam ohnehin nicht so stark genutzt werde und wenn nötig von Damaskus genehmigte Hilfe nach Aleppo gebracht werden könne.

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20 Kommentare

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  • Naja, auch Deutschland legte vor wenigen Tagen ein Veto gegen eine Resolution für humanitäre Hilfe ein, die von Russland kam.



    Insgesamt macht da gerade kein Land eine wirklich gute Figur.

  • Wenn ich es richtig verstehe geht's darum, dass der Sicherheitsrat die Hilfslieferungen weiterhin unter Umgehung der syrischen Regierung ins Land schaffen will.

    Ich kann schon verstehen dass diese da Einwände hat. Zum einen kann sie nichts für die Günstlingswirtschaft abzweigen, zum anderen sind die Mitglieder des Sicherheitsrats alles andere als selbstlos und unparteiisch und können über die nicht kontrollierten Grenzübergänge Waffen und "Ausbilder" ins Land schaffen.

    • @Bernd Berndner:

      Russland und China sind der Meinung, dass die Menschen, die sich der Diktatur nicht beugen besser verhungern sollten.



      Wer Diktaturen liebt, mag einen solchen Kurs unterstützen. Mir ist der zuwider.

      • @Galgenstein:

        "Russland und China sind der Meinung, dass die Menschen, die sich der Diktatur nicht beugen besser verhungern sollten."

        Ja. Das ist schlimm. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass die westlichen Staaten der Meinung sind, dass die Menschen in den von Assad beherrschten Gebieten hungern sollen. Zu diesem Zweck gibt es entsprechende Sanktionen.

        Unterm Strich ist es so, dass sich niemand wirklich für das Leid der Syrer interessiert. Jeder ist nur bestrebt, "seiner" Seite Vorteile zu verschaffen. Wie es der Bevölkerung geht, ist allen Beteiligen an diesem Geschacher völlig Schnuppe.

        Und das ist tatsächlich widerlich.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          taz.de/UN-Sicherhe...re-Hilfe/!5694617/ Wie Sie diesem Artikel entnehmen können, fließt UN-Hilfe auch über das Assad-Regime in das von Assad regierte Gebiet (und wird von Assad.genehmen Organisationen verteilt bzw.abgezweigt). Es geht um die Versorgung auch der Gebiete, die nicht unter Assads Kontrolle sind. Wenn Sie dort Leute verhungern lassen wollen, weil sie sich immer noch nicht dem Diktator ausliefern möchten, sagen Sie es doch einfach.

          • @Hans aus Jena:

            Warum tauchen in den Artikeln in unserer Presse nur die Hilfsbedürftigen im Idlib auf? Dem Westen geht es nur um Hilfe dort. Russland und China wollen nur den anderen helfen. Es ist, wie ich schrieb. Jeder denkt nur an "seine" Bedürftigen. Und daran, wie er die Hilfe für seine Politik nutzen kann.

            PS: Alle Menschen sind gleich. Egal ob sie unter Assad oder den Islamisten leben.

    • @Bernd Berndner:

      Nun ist das Problem mit allen Diktatoren, dass sie nicht aus freien, fairen und geheimen Wahlen hervorgegangen sind. Wäre es anders, wären sie ja keine Diktatoren. Damit beruht ihre Legitimation allein auf der faktischen Machtausübung.



      Die Regierung in Syrien regiert ja nicht, weil die Menschen wollen, dass sie regiert, sondern weil sie es akzeptieren müssen - qua Gewalt.

  • Im Krieg gegen Europa setzen Russland und China auf Millionen syrischer Flüchtlinge, die rechte Panikmacher in Wahlerfolge ummünzen werden, um von innen unsere Demokratien weiter zu schwächen.

  • Da haben die Russen und die Chinesen Recht. Die Region um Aleppo ist weitestgehen befreit von Kämpfen, und kann von der syrischen Küste über Autobahnen erreicht werden. Das haupt Hindernis bei ener Versorgung der Bevölkerung sind die Sanktionen, die Lieferungen nach Syrien verbieten, und die Sperre beim Finanztransfer, die eine Bezahlung gelieferter Waren behindert.

    Sollte also ernsthaft eine Verbesserung der Situation in Syrien gewünscht werden, dann wäre es an der Zeit über die Aufhebung von zumindest einigen Sanktionen oder der Aufhebung der Behinderungen bei Finanztransaktionen nachzudenken.

    • @Martin_25:

      Es geht dem Westen nicht um Hilfe für die Menschen in Syrien. Es geht immer noch ausschließlich um Regimechange.

      • @Rolf B.:

        Wäre ein Regime-Change bei dieser brutalen und blutigen Familiendiktatur nicht auch etwas Wünschenswertes?

        Mal ganz davon abgesehen, hat er auf eine Art schon stattgefunden. Jetzt herrscht dort Russland und der Iran.

        • @Jim Hawkins:

          In Syrien gab es einmal das friedliche Mit- und Nebeneinander der Religionen. Die Kopfabschneider, die oft als moderate Rebellen bezeichnet werden, würden damit Schluss machen.

          Frage an Sie:



          Welches Interesse haben Sie daran, dass die Pest mit der Cholera beseitigt wird?

          Und wissen Sie, wie es in Syrien wirklich aussieht?

          • @Rolf B.:

            "In Syrien gab es einmal das friedliche Mit- und Nebeneinander der Religionen."

            Das stimmt. Aber Foltergefängnisse und massive Unterdrückung gab es auch.

            Menschen wollen frei sein. Das ist doch nicht so schwierig.

            Was denken Sie denn, wie es in Syrien aussieht? Die Verwandten der Flüchtlinge, die ich hier kenne, singen keine Hohelied auf den Assad-Clan.

            Vielleicht bringen die aber auch nur Pest und Cholera durcheinander.

            • @Jim Hawkins:

              Mir geht es in erster Linie um Hilfe für die Menschen und nicht um geostrategische Ziele-

              • @Rolf B.:

                Da haben Sie ja recht, den Menschen muss geholfen werden, im Grunde egal wie.

        • @Jim Hawkins:

          "Wäre ein Regime-Change bei dieser brutalen und blutigen Familiendiktatur nicht auch etwas Wünschenswertes?"

          Prinzipiell schon. Aber wenn dabei die Hälfte der Bevölkerung draufgeht...

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Vielleicht konnte keine andere Dynamik in Gang kommen. Assad wäre ja niemals friedlich abgetreten. Nicht einmal die minimalsten demokratischen Zugeständnisse waren drin.

            Dann wurde es natürlich unübersichtlich und blutig.

            Nur kann ich es Menschen, die unter solchen Verhältnissen leben müssen nicht verdenken, dass sie sich dagegen empören und erheben.

            Das war früher Konsens unter allen Demokraten, die an die Universalität der Menschenrechte glauben.

            Heute sagt man ihnen: Lasst es bleiben, es wird nur schlimmer. Weil es aussichtslos ist.

            So aussichtslos wie der Kampf der Résistance, der italienischen Partisanen oder der Kämpferinnen und Kämpfer gegen die griechischen Obristen. Oder erst recht der der Kämpfer des Warschauer Aufstandes.

            Und dennoch findet so etwas statt, weil Menschen frei sein wollen.

            • @Jim Hawkins:

              "Nicht einmal die minimalsten demokratischen Zugeständnisse waren drin."

              Stimmt nicht. Es gab Verhandlungen. Frau Clinton hat damals "dingend" davon abgeraten.

              "Dann wurde es natürlich unübersichtlich und blutig."

              Hauptsächlich, weil sich vorher keiner die Mühe gemacht hat, das Kräfteverhältnis anzuschauen. Man hat auf Grund von Wünschen gehandelt, nicht von Fakten.

              "...Résistance, der italienischen Partisanen oder der Kämpferinnen und Kämpfer gegen die griechischen Obristen..."

              Völlig unsinniger Vergleich. Sie alle waren Teil der größten Kriegskoalition, die die Geschichte je gesehen hat. Einer Koalition, die Hitlerdeutschland vielfach überlegen war.

              • @warum_denkt_keiner_nach?:

                Ich weiß jetzt nicht, was der Widerstand gegen die chilenischen Obristen mit Hitlerdeutschland zu tun hat, aber sei's drum.

                Davon mal abgesehen, was wussten die Kämpfer im Warschauer Ghetto von der Anti-Hilter-Koaliton? Meinen Sie, die haben das gegoogelt?

                Wenn Widerstand die Sache versucht vom Ende her zu denken, also vom möglichen Scheitern, findet er nicht mehr statt.

                Solidarität ist wohl eben nicht so ihr Ding.

                • @Jim Hawkins:

                  "Meinen Sie, die haben das gegoogelt?"

                  Nein. BBC gehört.

                  "... chilenischen Obristen..."

                  ???

                  Sie schrieben von griechischen Obristen.

                  "Wenn Widerstand die Sache versucht vom Ende her zu denken, also vom möglichen Scheitern, findet er nicht mehr statt."

                  Wenn er mit Waffen verbunden ist, muss er vom Ende her denken. Denn ein Aufstand zur falschen Zeit kostet ungerechtfertigte Opfer und verlängert die Unterdrückung.