U-Ausschuss zur Berateraffäre: Kein Anschluss unter 0163 4064003
Das Verteidigungsministerium ließ Dienst-SMS von Ursula von der Leyen löschen und vernichtete offenbar Beweise. Die Opposition ist empört.
Robert Habeck war von dem Datenleck besonders stark betroffen und schaltete kurz darauf sein Twitter-Konto ab. Zahlreiche Bundestagsabgeordnete mussten sich neue Handynummern zulegen, weil ihre alten frei verfügbar im Netz kursierten. Anfang Januar konnten die Behörden den Täter schließlich identifizieren und festnehmen. Dann wurde es um die Angelegenheit schnell wieder ruhig.
Ein knappes Jahr später sorgen die Folgen des Hacks jetzt aber wieder für Aufregung: Unter den veröffentlichen Daten befand sich auch die Handy-Nummer 0163 4064003 – die Nummer der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Aus Sicherheitsgründen musste die CDU-Politikerin und heutige EU-Kommissionschefin damals ihr Diensthandy austauschen. Und deswegen fehlen dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre jetzt womöglich wichtige Beweismittel.
U-Ausschuss wollte SMS lesen
Aber der Reihe nach: Seit Februar 2019 beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss mit den Beraterverträgen, die das Verteidigungsministerium unter von der Leyen im großen Stil abgeschlossen hat. Private Consultingfirmen haben in den letzten Jahren gutes Geld mit dem Ministerium gemacht. Bei der Auftragsvergabe wurden Vergaberichtlinien offenbar nicht immer eingehalten, der Verdacht der Vetternwirtschaft steht im Raum. Besonders relevant ist die Frage, was die Ministerin wusste.
Schon in seiner ersten Sitzung beschloss der Ausschuss deshalb einen Beweisantrag, der nach Angaben aus Oppositionskreisen auch von der Leyens SMS-Nachrichten umfasst. In den folgenden Monaten fragten die Abgeordneten den Angaben zufolge immer wieder bei der Regierung nach, wann sie die Textnachrichten zu sehen bekommen werden. Das Ministerium habe sie lange vertröstet: Erst sei das Handy nicht auffindbar gewesen, dann habe die PIN-Nummer gefehlt. Am Donnerstag dieser Woche hieß es dann plötzlich, die Daten seien nicht mehr verfügbar.
Hinter verschlossenen Türen habe ein Regierungsvertreter im Ausschuss berichtet: Nach dem Datenleck musste von der Leyen ihr verschlüsselungsfähiges Diensthandy abgeben. Das Ministerium schickte das Gerät, wie in solchen Fällen üblich, zurück an den Betreiber und dieser hat alle darauf befindlichen Informationen gelöscht. Diese sogenannte „Sicherheitslöschung“ soll aber erst im August erfolgt sein – also sieben Monate, nachdem das Handy ausgetauscht worden war und sechs Monate, nachdem die Abgeordneten Einsicht in den SMS-Verkehr gefordert hatten.
Zweites Handy „unter Verschluss“
Warum das Ministerium das halbe Jahr nicht nutzte, um die Beweismittel zu sichern? Ein Sprecher des Verteidigungsministerium wollte darauf am Freitag nicht eingehen und bestätigte nur den grundsätzlichen Vorgang: Nachdem die Nummer der Ministerin öffentlich wurde, „musste sie ihr Diensthandy zurückgeben und die Regularien sind, dass die Daten dann sicherheitsgelöscht werden“.
Es gibt auch noch ein zweites Diensthandy, dass von der Leyen nach dem Datenleck ab Januar genutzt hat. Dieses liegt dem Sprecher zufolge „unter Verschluss“ im Ministerium. Ob auch darauf Daten gelöscht worden seien, wisse er nicht. Viel könnten die Abgeordneten damit aber so oder so nicht anfangen: Ihr offizieller Untersuchungsauftrag umfasst ohnehin nur die Zeit bis Januar.
„Skandalös“, nennt der Linken-Abgeordnete Matthias Höhn den Vorgang. Es „scheint doch sehr viel zu verbergen zu geben“, twitterte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Spätestens im neuen Jahr will die Opposition der Sache weiter nachgehen – und dann auch bei von der Leyen selbst nachfragen: Voraussichtlich am 13. Februar muss die EU-Kommissionspräsidentin als Zeugin im Ausschuss aussagen. Ein einfacher Termin wird es für sie sicher nicht.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden