Trumps Aussagen zur Nato: Trump II wäre deutlich radikaler
Trumps Ankündigung, zahlungssäumige Nato-Mitglieder Russland zum Fraß vorzuwerfen, klingt bizarr. Warum man sie trotzdem ernst nehmen muss.
E s ist nicht viel, was sich auf der Kampagnenseite des US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump zum Nato-Bündnis finden lässt. „Wir müssen den unter meiner Regierung begonnenen Prozess zu Ende führen, grundsätzlich Sinn und Mission der Nato zu reevaluieren“, heißt es da, eingebettet in Tiraden über die „Globalisten“ (ein antisemitisches Codewort), die die Welt in den Krieg ziehen wollen und Amerika hassen.
Die seien nämlich der wahre Feind, nicht Russland, und deshalb müssten „das Außenministerium, die Verteidigungsbürokratie, die Geheimdienste und der ganze Rest komplett überholt und neu begründet werden, um die Vertreter des Deep State zu feuern und Amerika an die erste Stelle zu setzen“.
Der im März 2023 auf die Seite gesetzte Beitrag – der auch einen sofortigen Waffenstillstand im „Stellvertreterkrieg“ in der Ukraine fordert – ist tief in den heute gängigen und vor allem von der russischen Propagandamaschine verbreiteten rechten Verschwörungserzählungen verwurzelt.
Da nimmt sich Trumps Bemerkung bei einer Wahlkampfveranstaltung in South Carolina am Samstag schon fast harmlos aus. Bei einem Treffen, erzählte Trump, sei er einst vom Präsidenten eines Nato-Staats, der nicht genug Geld für die Verteidigung ausgebe, gefragt worden, ob die USA ihn im Falle eines russischen Angriffs schützen würden. „Nein, ich würde euch nicht beschützen“, habe Trump geantwortet, er würde Russland vielmehr „sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen“.
Reine Rhetorik
Zwar halten fast alle Beobachter diese Anekdote für frei erfunden, diese Begegnung habe nie stattgefunden. Aber was Trump da andeutet, löste denn doch nicht nur weltweit, sondern auch in den USA Kopfschütteln aus – wenn auch nur bei wenigen Republikanern.
„Die Nato ist seit 75 Jahren eine Erfolgsgeschichte“, sagt indes Trumps letzte verbliebene Konkurrentin um die republikanische Präsidentschaftskandidatur, die frühere UN-Botschafterin Nikki Haley, im Interview mit der CBS-Sonntagssendung „Face the Nation“ und warnt: „Stell dich nicht an die Seite eines Schurken, der seine Gegner umbringt, an die Seite von jemandem, der ein Land überfallen hat und dabei eine halbe Million Menschen getötet oder verwundet hat.“
Die republikanischen Senatoren Marco Rubio und Lindsay Graham hingegen spielen die Äußerung herunter: Trump wolle lediglich die Position bekräftigen, dass die europäischen Nato-Partner mehr zahlen müssten. Es sei halt Trumps rhetorischer Stil, das etwas drastischer zu sagen.
Dem widerspricht John Bolton. Der altgediente außenpolitische republikanische Hardliner, der Trump kurze Zeit als Nationaler Sicherheitsberater diente, bevor sich beide endgültig überwarfen, warnt davor, Trump nicht ernst zu nehmen. „Wenn er sagt, er will raus aus der Nato, dann ist das eine sehr reale Bedrohung“, sagte Bolton dem Sender MSNBC.
Von wegen hohles Wahlkampfgetöse
Tatsächlich hatte Trump schon während seines ersten Wahlkampfs 2016 mit einem möglichen Nato-Austritt geliebäugelt. Allerdings provozierte er dann lediglich bei mehreren Nato-Gipfeln mit skandalösen Szenen, als er allen anderen wutschnaubend vorwarf, sie schuldeten den USA viel Geld, und mitunter frühzeitig abreiste.
Genau das allerdings legen ihm seine Unterstützer heute als Stärke aus: Auch Trumps Vorgänger Barack Obama habe schon eine Erhöhung der Militärausgaben Europas gefordert, sei aber nie ernst genommen worden. Erst Trump habe erreicht, dass sich mehr Staaten dem 2006 vereinbarten Ziel der Nato wenigstens annäherten, 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aufzuwenden.
Während Trump in seiner ersten Präsidentschaft selbst einige jener Wahlkampfversprechen umzusetzen versuchte, die von vielen als hohles Wahlkampfgetöse abgetan worden waren – etwa der Einreisestopp für Muslime, der Austritt aus dem Klimaabkommen und der Bau der Mauer zu Mexiko –, ließ er die Nato im Wesentlichen unangetastet.
Seinen Sicherheitskabinetten gehörten zunächst entweder Militärs wie James Mattis oder Figuren aus dem alten republikanischen außen- und verteidigungspolitischen Establishment an – die sich inzwischen fast alle von Trump abgewandt haben.
Mächtiger und radikaler
Nach seinem auch für ihn selbst überraschenden Wahlsieg 2016 musste Trump erst noch darum kämpfen, in der republikanischen Partei wirklich die Oberhand zu gewinnen. Der Prozess ist längst abgeschlossen: Seine Gegner sind entweder geschasst, zurückgetreten oder als Minderheit abgekanzelt. Sichert sich Trump so dominant die Kandidatur, wie es derzeit aussieht, würde er im Falle eines Wahlsiegs mit viel mehr Macht in die zweite Amtszeit starten als seinerzeit in die erste. Und viel radikaler.
Denn seit 2016 haben sich Donald Trumps Positionen innen- wie auch außenpolitisch verschärft. Seine Versuche, durch Druck auf die Wahlbehörden, seinen damaligen Vizepräsidenten und den Kongress bis hin zum gewaltsamen Aufstand seine Wahlniederlage 2020 in einen Sieg umdeuten zu lassen, haben Trumps Verhältnis zur Demokratie deutlich gemacht.
Und 2018 galt es noch als Lapsus, als Trump bei einer Pressekonferenz im Anschluss an ein Gipfeltreffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Helsinki die US-Geheimdienste dafür kritisierte, Putin zu Unrecht der Einmischung in die US-Wahlen bezichtigt zu haben. Heute steht so etwas in seinem Wahlprogramm.
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