US-Präsident droht Nato-Partnern: Ein blauer Brief von Trump
Vor dem Nato-Gipfel in einer Woche setzt Donald Trump die Alliierten unter Druck. Er fordert mehr Geld fürs Militär – und macht Putin Avancen.
Trump beruft sich auf die beim Nato-Gipfel 2014 in Wales getroffene Vereinbarung der Nato-Mitgliedstaaten, ihre Militärausgaben bis 2024 auf mindestens 2 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes anzuheben. Bislang tun das lediglich vier der 29 Nato-Staaten: Die USA selbst (3,57 %), Griechenland (2,36 %), Großbritannien (2,12 %) und Estland (2,08 %). Polen, Litauen, Lettland und Rumänien nähern sich an.
Das 2-Prozent-Ziel war 2014 im Angesicht der russischen Annexion der Krim und des Krieges in der Ostukraine ausgerufen worden – man müsse sich gegen russische Aggressionen besser verteidigen können, vor allem in Osteuropa, so die Argumentation. 2017 gaben allerdings allein die drei Nato-Länder Deutschland, Frankreich und Großbritannien mit zusammen rund 150 Milliarden US-Dollar mehr als doppelt so viel Geld für das Militär aus wie Russland mit rund 66 Milliarden US-Dollar. Die Nato insgesamt kommt im vergangenen Jahr auf Militärausgaben von rund 957 Milliarden US-Dollar – mehr als die Hälfte der weltweiten Rüstungsausgaben.
Viel zu wenig sei das, beharrt Donald Trump. Sein Brief an Kanadas Ministerpräsident Jaques Trudeau wurde schon vor zehn Tagen von der Canadian Press veröffentlicht. Darin heißt es: „Kanada, als einer unserer fähigsten Verbündeten und Führungsfigur weltweiter Sicherheitspolitik, untergräbt mit Verteidigungsausgaben von ständig unter zwei Prozent die Sicherheit des Bündnisses und liefert einen Vorwand für andere, ihre Verpflichtungen ebenfalls nicht einzuhalten.“ Man erwarte beim Nato-Gipfel eine verbindliche Aussage, sich an die selbst gesteckten Ziele zu halten. Ähnliches, nur noch schärfer formuliert, schrieb Trump auch an Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Ein Rückzug der US-Soldaten aus Deutschland?
Damit steigen die Irritationen in europäischen Nato-Staaten über die USA. Bereits vergangene Woche hatte Trump laut einem Zeitungsbericht durchsickern lassen, er überdenke einen Rückzug der zurzeit noch rund 35.000 in Deutschland stationierten US-Soldaten. Die haben allerdings nur zum Teil etwas mit einem US-amerikanischen Schutz Deutschlands oder Europa zu tun: Die Luftwaffenbasis in Ramstein etwa dient als Schaltzentrale für US-Militär- und Drohnenoperationen im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika.
Unter Diplomaten geht nun die Angst um, dass der Brüsseler Nato-Gipfel genauso im Desaster enden könnte wie vor wenigen Wochen der G7-Gipfel in Kanada. „Ein Gipfel ohne Nachrichtenwert wäre ein guter Gipfel,“ zitiert die Zeitschrift Foreign Policy einen anonym bleiben wollenden europäischen Diplomaten, „aber im Moment haben wir alle einfach nur Scheißangst.“
Ein europäischer Diplomat
Beim Gipfel sollten eigentlich einige positiven Neuigkeiten verkündet werden: Ein Ausbildungsprogramm für irakische Streitkräfte, ein Mobilitätsprogramm für europäisches Militär, ein Beginn von Beitrittsgesprächen mit Mazedonien. Und jetzt: Angst vor Trump.
Schon 2017, bei seiner ersten Teilnahme an einem Nato-Gipfel, hatte Trump die übrigen Staatschefs sprachlos gemacht, weil er forderte, die säumigen Zahler sollten endlich ihre „Schulden“ bei den USA begleichen – was darauf hindeutete, dass der US-Präsident überhaupt nicht verstanden hatte, was die Nato-Verpflichtung eigentlich bedeutete.
Im Anschluss an den Nato-Gipfel will Donald Trump Großbritannien besuchen und dann am 16. Juli in Helsinki Russlands Präsident Wladimir Putin treffen. Beim G7-Gipfel hatte Trump angeregt, Russland wieder in den Kreis der großen Industrienationen aufzunehmen. Die Vorstellung, Konflikte über Militärhaushalte könnten das Verhältnis zwischen den USA und den westlichen Alliierten genauso belasten wie seit Monaten schon der Streit um Strafzölle, während der US-Präsident anschließend ein freundliches Treffen mit Putin absolviert – ein diplomatischer Alptraum.
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