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Treffen zwischen Johnson und JunckerZurück an den Verhandlungstisch

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Es geht wieder los. Die EU verhandelt mit Boris Johnson über den Brexit. Aber der Machtkampf in London ist noch lange nicht entschieden.

Jecken in Kölle: Boris Johnson (l.) und Jean-Claude Juncker Foto: dpa

E s wird wieder über den Brexit verhandelt. Boris Johnsons Treffen mit Jean-Claude Juncker und Michel Barnier am Montag in Luxemburg diente natürlich nicht dazu, eine Einigung aus dem Hut zu zaubern. Aber es markierte die öffentliche Abkehr von der bisherigen EU-Linie, wonach Nachverhandlungen über den Brexit ausgeschlossen seien.

Das war sowieso immer eine untragbare Position. Das 2018 ausgehandelte Brexit-Abkommen ist dreimal im britischen Parlament durchgefallen und wird in der vorliegenden Form nie zustimmungsfähig sein. Wenn die EU davon nicht abrückt, nimmt sie den No-Deal-Brexit in Kauf – und damit alle damit verbundenen Verwerfungen, einschließlich einer harten Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland.

Seit die EU signalisiert hat, man werde auch im Fall eines No-Deal Mittel und Wege finden, eine solche harte Grenze zu vermeiden – beispielsweise durch Verlagerung von Zollkontrollen woandershin –, ist die Behauptung, nur der ungeliebte „Nordirland-Backstop“ garantiere eine offene Grenze, vollends als Fiktion entlarvt: Wenn es alternative Grenzarrangements für den Fall eines No-Deal gibt, kann man sie auch in einen Deal aufnehmen.

Es ist auch kein Kurswechsel für Boris Johnson, jetzt einen neuen Brexit-Deal aushandeln zu wollen. Er hat genau dies immer gefordert und sich scharf von Nigel Farage abgegrenzt, der den No-Deal-Brexit bevorzugt. Es ist das eigene Parlament, das eine neue Einigung erschwert, indem es einen No-Deal-Brexit gesetzlich ausschließt und damit den Druck aus den Gesprächen nimmt – eine unverantwortliche Haltung, denn bisher hat das Parlament jedes Brexit-Modell abgelehnt außer ebendas, was Boris Johnson jetzt will, also das vorliegende Abkommen minus Nordirland-Backstop.

Der Machtkampf in London ist noch lange nicht entschieden. Unabhängig von den Wirren von Westminster müssen Brüssel und London nun ausloten, wie sie vor dem 31. Oktober ein Brexit-Abkommen unter Dach und Fach bringen. Sonst droht gleich die nächste Krise. Und die braucht niemand.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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12 Kommentare

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  • Werter Herr Johnson,

    so kritiklos - ja, fast wortwörtlich -, wie Sie die Darstellung der Dinge Ihres wuschelköpfigen Namensvetters übernehmen, frage ich mich ein wenig, wo der journalistische Wett Ihrer Beiträge liegt. Würde es nicht ausreichen, eine Übersetzung von Boris' letzten Äußerungen abzudrucken? Der kann wirklich gut reden. Es ist also nicht so, als bräuchte er ein Lektorat.

    Davon abgesehen, hat die EU noch nie erklärt, dass sie keine Gespräche mehr über eine Alternative zum mit May ausgehandelten Deal führen würde. Sie hat nur klargestellt, dass eine solche Alternative dem Backstop funktionell nicht nachstehen darf. Ob Johnson an der Stelle liefern kann, steht nach wie vor in den Sternen.

    Aus EU-Sicht ist klar: Jeder Vorschlag von Jonson kann nur zu einem Deal werden, wenn der EU-Rat - und damit auch die irische Regierung - ihm zustimmt. Es ist allein Sache der demokratisch gewählten Regierungen Europas, ob sie sich z. B. mit einem Deal zufrieden geben, der in Sachen irische Grenze auch nicht besser wäre als etwaige Notlösungen, die man bei einem No Deal anwenden müsste. Das hat NICHT das britische Parlament zu entscheiden.

    Dieses hat sich dagegen in der Vergangenheit dreimal geweigert, einem für die EU annehmbaren Deal zuzustimmen. Das verschiebt mitnichten den schwarzen Peter zur EU. Die will nach wie vor nicht Großbritannien rausschmeißen sondern umgekehrt Großbritannien sich selbst. Wenn das Kissen vor der Tür nicht weich genug ist, ist das weder Schuld noch Problem der EU.

    In der abtrünnigen Kolonie jenseits des Atlantiks würde man sagen: "Put up or shut up." Genau das gilt jetzt für Johnson (Sie dürfen Sich gern aussuchen, welchen).

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Brexshit Virus - jetzt auch in der TAZ?



    ==



    ""Es ist auch kein Kurswechsel für Boris Johnson, jetzt einen neuen Brexit-Deal aushandeln zu wollen. Er hat genau dies immer gefordert und sich scharf von Nigel Farage abgegrenzt, der den No-Deal-Brexit bevorzugt.""

    ==

    Der Serien - Lügner Boris Johnson hat seine Position viele Male radikal seit 2016 verändert - aber das sollten sie selbst nachlesen. Was Fromage eigentlich möchte - dieser Hirni aus der britischen Krawallfraktion - steht hier nicht zur Debatte.

    Fakt ist - und auch das lassen sie unter den Tisch fallen - ist das Rechtsradikalpopulisten wie Jacob Rees - Fog und seine ERG groupies einen no-deal mittlerweile offen unterstützen. Aus dem jetzigen Parlament sind das mindestens 80 Tory Abgeordnete die verkeimt durch den Brexit Virus, der offensichtlich den Verstand ausschaltet, für einen no - deal votieren.

    "".............unverantwortliche Haltung, denn bisher hat das Parlament jedes Brexit-Modell abgelehnt außer ebendas, was Boris Johnson jetzt will, also das vorliegende Abkommen minus Nordirland-Backstop.""

    ==

    Unverantwortlich ist Boris Johnson, der nach Guts-Herren-Art, indem er das Parlament ausschaltet, eine radikale Minderheiten Meinung zur Mehrheitsmeinung machen möchte - indem er das Parlament totlegt und kritische Stimmen aus der Partei heraus schmeisst.

    Das macht die Mafia auch nicht anders - weg mit berechtigter Kritik - Betonklotz ans Bein - und ab in die Themse.

    Ansonsten - sollten sie endlich mal erklären warum UK aus der EU austreten sollte - die entsprechenden Argumente aufzuzählen macht Ihnen sicher kein Problem - das schaffen sie in 2 Minuten.

    Da die Mehrheit der Interessierten seit Dezember 2015 immer noch kein einziges Argument gefunden hat warum dieser Akt der Selbstzerstörung über die Klippe zu springen eine Heilung der britischen Probleme verspricht, sollten sie es mal mit konstruktiven Argumenten versuchen - trauen sie sich.

  • Doch, wir brauchen die Krise und den harten, rohen und dadurch auch reinen Brexit. Nur so bekommt das zu Recht stolze, freie und unabhängige britische Volk, seine Souveränität zurück und kann seine Geschicke unabhängig von den Umtrieben Brüssels in die starken Hände nehmen.



    Ich möchte nicht, dass dieser Prozess durch einen faulen Kompromiss wieder dahin gedreht wird, dass man die kommenden Krisenjahre, doch wieder dem Kontinent in die Schuhe schieben kann. Rule Britannia, rule the Crisis that will come, but for your own.

    • @Weidle Stefan:

      Die werden es so oder so schaffen, die Schuld von sich zu weisen. Ist doch jetzt schon angelegt: Alles wäre smooth gelaufen, hätten die Verräter nicht alles sabotiert. Das ist längst gängige Meinung in dem Lager.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Brexshit Virus - jetzt auch in der TAZ?

    ""Aber es markierte die öffentliche Abkehr von der bisherigen EU-Linie, wonach Nachverhandlungen über den Brexit ausgeschlossen seien.""



    ==



    Diese Linie hat es nie gegeben. Lesen sie die Protokolle nach - die EU war immer offen zum Beispiel die politische Erklärung nach dem Willen der britischen Verhandler zu verändern.

    Was sich verändert hat ist die EU Position Gespräche nicht nur auf der technischen Ebene - sondern auch auf der Leitungsebene anzubieten.

    Stand der Dinge: Konkrete und schriftlich formulierte Anträge des britischen Sherpas David Frost zur Änderung des Austrittsvertrages liegen der EU nicht vor.

    Also kann derzeit auch nicht konstruktiv verhandelt werden. Was derzeit passiert nennt sich window dressing.

    ""......Brexit-Abkommen ist dreimal im britischen Parlament durchgefallen ..................."

    Solange sie nicht erklären warum -- ist ihr Statement kein Argument. Warum haben denn Loonies aus der ERG Fraktion mal dafür - und mal dagegen abgestimmt?

    Ansonsten hat die Abstimmung über das Withdrawl Agreement leavers und remainers in der Abstimmung vereint - die einen motiviert weil sie nicht aus der EU austreten wollen - und die anderen weil sie plötzlich erkannt haben das Ihnen der Deal nicht radikal genug ist.

    Den wesentlichen Aspekt lassen sie unter den Tisch fallen: Es gibt keine Mehrheit für die Form des Austritts UK`s aus der EU - nichts anderes spiegelt die Ablehnung des WA im Parlament wieder.

    Doch das ist nicht das Problem der EU.

    ""Wenn es alternative Grenzarrangements für den Fall eines No-Deal gibt, kann man sie auch in einen Deal aufnehmen.""



    ==



    Sie sollten es mal mit Argumenten aus der realen Welt versuchen. Diese alternativen Grenzarrangements gibt es nicht.

    Beweis: Die ERG Group macht Propaganda mit einem 82seitigen Propagandapapier über alternative Grenzarrangements.

    Warum hat denn Frost dieses Papier nicht zur Verhandlung der technischen Kommision vorgelegt?

  • Wenn ich die lesenswerten Berichte bzw. Kommentare von DOMINIC JOHNSON mit der in Deutschland verbreiteten Darstellung der Auseinandersetzungen im britischen Parlament vergleiche, dann bin ich mehr als verunsichert. Abgesehen von der Tatsache, dass ausgerechnet Deutschland den Menschen in GB keine Nachhilfe in Demokratie erteilen sollte, finde ich die Tatsache verstörend, dass hier in DE Abstimmungen im britischen Parlament als reines Machttheater denunziert werden. Britische Demokratietradition? Alles Quatsch. Abstimmungen? Uninteressant!



    Wenn die Hardliner in der EU der Meinung sind, dass sie nicht nachverhandeln wollen, dann stellt sich die Frage nach dem Demokratieverständnis, das in der EU ja ohnehin enorm unterentwickelt zu sein scheint.

    • @Rolf B.:

      Ich sehe keine "Nachhilfe", sondern dass die Dinge beim Namen genannt werden: Johnson hat zwar als Person einen Mehrheit in seiner Partei, aber seine Verhandlungsmethode, einen Deal mit Brinkmanship zu erzwingen, hat keine Mehrheit in seinem Parlament. Niemand erhebt Anspruch darauf, dass die Briten sich dieser Analyse unterwerfen.

      Davon abgesehen tut Dominic Johnson fortwährend so, als seien die Entscheidungen britischer Abgeordneter in irgendeiner Form bindend für die (ebenfalls demokratisch legitimierten) Regierungen der restlichen EU oder ihre gemeinsame Vertretung in Brüssel. Diese Einstellung ist kein bißchen demokratisch sondern allenfalls hegemonial. Stattdessen geht es einfach um widerstreitenede Interessen: Wenn Großbritannien - egal ob aus tiefer, demokratisch verankerter Überzeugung oder aus internem Machtgeschacher - den Weg zu einem Deal versperrt, der für die EU akzeptabel ist, dann gibt es eben keinen Deal.

      Aber daran ist dann nicht einseitig die EU schuld. Verhandlungen haben immer ihre natürlichen Grenzen da, wo das denkbare Ergebnis einem Teil weniger bringt als gar kein Ergebnis. Festzulegen, wo diese Grenze liegt, obliegt AUSSCHLIESSLICH der jeweiligen Seite - völlig egal, welche interne demokratische Legitimation die Position der anderen Seite hat.

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      ""...................finde ich die Tatsache verstörend, dass hier in DE Abstimmungen im britischen Parlament als reines Machttheater denunziert werden.""

      ==

      1..Dann erklären sie mal warum MP`s wie Jacob Rees Mogg und andere mal für das Withdrawl Agreement abgestimmt haben - und mal dagegen.

      Das waren Machtspiele der Rechtsradikalpopulisten innerhalb der Tory Fraktion um Theresa May zu stürzen - mit dem Effekt das Meinungsbild innerhalb der Tories noch weiter nach rechts zu rücken.

      2..""Britische Demokratietradition?""

      Schauen sie sich die britische Demokratietradition mal genauer an - beispielsweise anhand der Geschichte von Charles I. Die Zeit in der er das Parlament prorogierte sind als die 11jährige Tyrannei in die Geschichte eingangen. Derjenige der das Parlament suspendierte endete auf dem Schafot. Auch das ist britische Tradition.

      3. , ....dann stellt sich die Frage nach dem Demokratieverständnis (in der EU)

      Im Kern geht es um Trennung von 2 unterschiedlichen Wirtschaftszonen - wobei nach dem britischen Vorschlag die EU die Kontrolle über die Einfuhren in die EU verliert.

      Wenn sie sich schon mit Genmais, Clorhühnchen und mit Medikamentencocktails in Nahrungsmitteln ihren Körper vergiften wollen - warum erledigen sie das nicht in UK oder USA - sondern wollen das unbedingt in Europa erleben?

      Warum respektieren sie nicht den Wunsch von knapp 500Millionen EU Bürgern die das nicht wollen?

      Sind sie sicher das sie keine Probleme mit ihrem Demokratieverständnis haben?

      • @06438 (Profil gelöscht):

        Ich habe eine klare Vorstellung von Demokratie und bin angesichts unserer Geschichte nicht der Meinung, dass ausgerechnet Deutsche den Briten eine Lektion in Demokratie zu erteilen haben. Sie berufen sich allen Ernstes auf einen Fall vor ca. 390 Jahren in GB, um zu verdeutlichen, dass die Engländer keine demokratische Tradition haben?



        Ich bin erschüttert. Zu Ihrer Erinnerung: Deutschland hatte noch vor gut 75 Jahren überhaupt keine Demokratie mehr. Und heute sind wir wieder die großmäuligen Besserwisser?



        Auch eine Tradition. Aber eine unsägliche.

  • Nun, ich hätte da eine einfache Lösung:



    Die Republik Irland annektiert Nordirland und Restbritannien kann exiten wie es will.



    Natürlich müssen auch, analog zur Krimannektion, ein paar Krokodilstränen vergossen werden.

  • Die einzige Möglichkeit für einen Brexit ohne ohne Backstop und ohne Krieg wäre eine dauerhafte Verlagerung der Zollgrenze in die Irische See. Nordirland verbliebe somit im EU-Wirtschaftsgebiet. Alle Lieferungen zwischen Nordirland und Großbritannien wären zoll- und kontrollpflichtige Ex/Importe. Ob das britische Parlament da mitmacht, ist äußerst zweifelhaft.

  • Das ist nun eine sehr britische Perspektive. Wie sollen denn in einem Monat 27 Mitgliedstaaten auf einen völlig neuen Austrittsvertrag eingeschworen werden und diesen auch noch pünktlich ratifizieren? Vöiig unmöglich. Johnson wollte nie ernsthaft eine Einigung, es war vielmehr das Parlament, dass uns andere Europäer doch wieder unter Druck setzte, die Sorgen der Mehrheit der Briten ernst zu nehmen und einen Ausweg zu suchen. Johnson hat dies zunichte gemacht.