Streit um Brexit: Bloß nicht Nein sagen

Die EU reagiert ausgesprochen vorsichtig und diplomatisch auf die neuen Pläne aus London. Dahinter steckt ein taktisches Kalkül.

Kleines Fähnchen britisch mit Eu Sternen halbiert

Britischer Union Jack mit EU-Sternen im Europaparlament Foto: dpa

BRÜSSEL taz | Nicht ja, nicht nein, sondern ein höfliches „Wait and see: Die EU hat vorsichtig und diplomatisch auf die britischen Vorschläge zur Lösung des Brexit-Streits reagiert. Zwischen den Zeilen lässt sich aber ein gehöriges Mißtrauen herauslesen, dass der Streit noch rechtzeitig zum EU-Gipfel in zwei Wochen gelöst werden kann.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker reagierte als Erster. Es sei zu begrüßen, dass sich London um eine Lösung bemühe, sagte er in einem Telefonat mit Premier Boris Johnson. Der Plan enthalte positive Elemente, werfe aber auch viele Fragen auf. „Wir sind immer noch dabei, den Text zu analysieren“, sagte eine Juncker-Sprecherin am Donnerstag.

Skeptischer äußerte sich Chefunterhändler Michel Barnier. Der Franzose sprach nicht nur von „viel Arbeit“, die noch zu erledigen sei. Er wiederholte auch die drei Ziele des Backstops für Irland, den Johnson mit seinem Plan eigentlich vergessen machen will: „Keine Grenzanlagen, ein gemeinsamer Wirtschaftsraum auf der irischen Insel und Schutz des Binnenmarkts.“

Damit legt Barnier die Latte sehr hoch – womöglich zu hoch. Denn Johnsons Plan sieht zwar keine Grenzanlagen, dafür aber gleich zwei Grenzen vor – eine zwischen dem EU-Mitglied Irland und Nordirland, und eine weitere zwischen Nordirland und der britischen Insel. Zudem will er den Nordiren das Recht geben, den Binnenmarkt nach einigen Jahren zu verlassen.

Die EU will cool bleiben

Am härtesten positionierte sich das Europaparlament. Die Vorschläge aus London stellten keine geeignete Basis für eine Einigung dar, hieß es am Donnerstag in der Brexit-Steuerungsgruppe, die der Belgier Guy Verhofstadt führt. Frostig fiel auch der Empfang bei einer Sitzung der 27 EU-Botschafter am Donnerstag aus. Der Vorschlag müsse „grundlegend überarbeitet“ werden, sagte ein EU-Diplomat. Dafür bliebe jedoch nur wenig Zeit.

Die EU hofft nun auf ein Treffen mit britischen Experten am Freitag. Dann will man den Briten weiter auf den Zahn fühlen – und mögliche Kompromisse ausloten.

Eine Klärung erhoffen sich die Berufseuropäer am Freitag, wenn die EU-Kommission, die die Brexit-Verhandlungen mit London führt, britische Vertreter befragen will. Bereits jetzt ist jedoch schon die Taktik der EU zu erkennen: Immer cool bleiben und bloß nicht voreilig die Tür zuschlagen.

Niemand, schon gar nicht Johnson, soll sagen können, die EU habe nicht alles versucht, eine Verhandlungslösung zu finden und den für den 31. Oktober terminierten Brexit in geordnete Bahnen zu lenken. Vor allem Juncker will sich nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen. Der Luxemburger hat es bis heute nicht verwunden, dass ihm 2016 einige – vorwiegend deutsche – Politiker die Schuld für das verlorene Brexit-Referendum in die Schuhe schieben wollen.

Auch Ratspräsident Donald Tusk hat vorgebaut. Wenn alle Stricke reißen und es zum „No Deal“ kommt, dann sei London schuld, erklärte der Pole. Hinter den Kulissen machen sich die EU-Chefs aber noch andere Sorgen. Was, so fragen sie sich, passiert eigentlich, wenn man sich mit Johnson bis zum EU-Gipfel nicht einigt – der Premier aber auch keinen Antrag auf Verlängerung der Brexit-Frist vorlegt?

Ohne diesen Antrag würde es doch noch zum „No Deal“ kommen, denn von sich aus kann die EU keinen Aufschub gewähren. Es bleibt also spannend.

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