Treffen der 4-Stunden-Liga: Vorkämpfer für kürzere Arbeitszeit
Vier Stunden Arbeit bei vollem Lohnausgleich: Was wie eine Utopie klingt, ist die ernst gemeinte Forderung eines neuen Bündnisses.
Als der englische Popstar Robbie Williams von einem Produzenten gefragt wurden, wann er denn immer so zum Arbeiten ins Studio käme, lautete Williams Antwort knapp und präzise: „freitags“. Was wie ein Witz klang, war allerdings ernst gemeint, wie der Sänger erklärte: Am Freitag schlage er irgendwann für ein paar Stunden auf, höre sich die Aufnahmen von vergangener Woche an, ergänze ein paar Vocals und verabschiede sich dann wieder. Endlich Wochenende.
Zum allgemeinen Leidwesen ist das, was als Künstler mit Millionen auf dem Konto funktionieren mag, im durchschnittlichen Berufsleben noch recht schwer zu vermitteln. Um das zu ändern, hat sich in Berlin die 4-Stunden-Liga aufgestellt. Die Forderungen der im vergangenen Herbst gegründeten arbeitspolitischen Gruppe: ein vierstündiger Arbeitstag bei vollem Personal- und Lohnausgleich. Am 14. Februar lädt das Bündnis zum offenen Treff in den Blauen Salon in der Gneisenaustraße in Kreuzberg, um sich mit anderen Politgruppen, Aktiven und Neugierigen zu vernetzen.
„Es ist uns klar, dass wir mit Bündnisarbeit und einer öffentlichen Kampagne nicht sofort die 40-Stunden-Woche abschaffen. Langfristig ist das natürlich schon unser Ziel“, sagt Jessica Kurz vom Bündnis. „Wir wollen zunächst ein Bewusstsein für das Problem schaffen: Der bestehende Arbeitsethos im Kapitalismus ist grundsätzlich infrage zu stellen – durch die technologische Entwicklung wäre es schon heute möglich, die Arbeitszeit drastisch zu reduzieren.“
Die 26-Jährige arbeitet in Vollzeit als Teamleiterin im Kommunikationsmarketing – in ihrer Branche gebe es gar keine Teilzeitstellen, sagt Kurz. Und oft bleibe es auch nicht bei 40 Stunden, sondern gehe eher in Richtung der 50. „Wenn Sie neun Stunden auf der Arbeit verbringen und dann auch noch pendeln, bleibt kaum Zeit für Eigengestaltung, Hobbys, die Pflege von Angehörigen, Reproduktionsarbeit oder politisches Engagement“, sagt Kurz. Wie der 4-Stunden-Tag umzusetzen sei? „Die Frage nach der Umsetzung auf Arbeitgeberseite ist für uns nicht die entscheidende“, sagt Kurz. Es gehe um die grundsätzliche Umgestaltung der Art und Weise, wie man wirtschaften und leben wolle. Das müsse in einem demokratischen Prozess entschieden werden.
Offenes Bündnistreffen der 4-Stunden-Liga: 14. Februar, 18.30 Uhr, Blauer Salon, Gneisenaustraße 2a in Berlin-Kreuzberg.
Tatsächlich gab es in Schweden immerhin zum 6-Stunden-Tag erfolgreiche Modellprojekte. Ein Uni-Krankenhaus in Göteborg fing das Experiment auch aus Personalnot an – und verbuchte unverhoffte Erfolge: Die Zufriedenheit unter den Angestellten und die Effizienz stiegen. Zudem fanden sich auf einmal mehr Beschäftigte – sodass das Modellprojekt mehrfach verlängert wurde. Wartezeiten sanken, die Wirtschaftlichkeit wuchs. Selbst ein privatwirtschaftliches Toyota-Autohaus in Schweden stellte fest, dass in sechs Stunden genauso viel gearbeitet wurde wie zuvor in acht, teilweise sogar mehr.
In einem kommunalen Pflegeheim in Göteborg sank mit dem 6-Stunden-Tag der Krankenstand um ein Fünftel. Die Angestellten beschrieben sich als zufriedener und ausgeruhter, die Bewohner:innen fühlten sich besser versorgt. Dort wurde das Projekt allerdings wieder abgewickelt, weil den örtlichen Sozialdemokraten die Zusatzkosten von 80.000 Euro im Jahr zu hoch waren. Wissenschaftler:innen der Universität Stockholm kritisierten anschließend in einer Stressstudie, dass vorübergehend steigende Kosten nur ein Teil der Rechnung seien. Langfristig machten Beschäftigte mit weniger Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich weniger Fehler, verursachten also bei weniger Stress auch weniger Kosten.
Kurz sagt dazu: „Uns geht es nicht um die Frage nach Umsatzeinbußen, sondern darum, wie lange wir unserer Umwelt und den Menschen dieses Arbeitsregime noch zumuten wollen.“ Angesprochen fühlen sollen sich grundsätzlich alle: „Jede Person sollte sich die Frage stellen, wie ihr Leben und eine Gesellschaft aussähen, in der alle nur vier Stunden am Tag arbeiten.“
Die erste 4-Stunden-Liga in Deutschland gründete sich 2018 in Kassel. Historisches Vorbild für die sich nun an mehreren Orten aufstellenden Bündnisse waren die Eight-Hour-Leagues im 19. Jahrhundert in England und den USA. „Wenn der 8-Stunden-Tag die Antwort der organisierten Arbeiter*innen-Bewegung auf die Industrielle Revolution war, so soll der 4-Stunden-Tag unsere Antwort auf die sogenannte digitale Revolution und Arbeit 4.0 sein“, steht auf der Kasseler Website (die Berliner haben noch keine).
Und auch wenn das arbeitspolitische Bündnis noch nicht gleich die Einführung der Robbie-Williams-Woche fordert: Die 40-Stunden-Woche gewinnt nicht gerade an Beliebtheit. Soziolog:innen behaupten bereits länger, dass die Sinnstiftung durch Arbeit in zunehmend individualisierten Gesellschaften abnimmt – entsprechend wachse das Bedürfnis nach Teilzeit und Selbstverwirklichung.
Wer das ähnlich sieht, kann am 14. Februar in Kreuzberg bei der 4-Stunden-Liga mitmachen. Wann sich die Gruppe trifft? Freitags. Und vielleicht läuft ja Robbie Williams.
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