SPD Berlin für 32-Stunden-Woche: Vier Tage Arbeit pro Woche sind genug

Die Berliner SPD will auf dem Bundesparteitag einen Antrag für eine 32-Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich einbringen. Das wird auch höchste Zeit.

Schlittenhunde in Liegestühlen am Strand.

Das Leben besteht aus mehr als nur Maloche Foto: dpa

In Berlin vergeht derzeit kaum ein Tag, an dem nicht gestreikt wird: An diesem Freitag legen die Lok­füh­re­r*in­nen ihre Arbeit nieder, in den vergangenen Tagen und Wochen traten bereits tausende Beschäftigte in Kitas, Kliniken, Verwaltung, Bus- und Bahnfahrer*innen, Lehrer*innen, So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen und Po­li­zis­t*in­nen in den Ausstand.

Sie alle wollen in Zeiten von Inflation und steigenden Preisen höhere Löhne und Gehälter durchsetzen. Doch nicht nur das: Ein Großteil von ihnen kämpft weniger für mehr Geld als vielmehr für bessere Arbeitsbedingungen. Mit wem man auf Streikversammlungen auch spricht, sie alle klagen vor allem über Überlastung.

Folgerichtig gehört die Reduzierung der Arbeitszeit mittlerweile zu den zentralen Forderungen von Gewerkschaften. Nach der IG Metall und der Lokführergewerkschaft GDL will jetzt auch Verdi die 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich auf die Agenda setzen.

Und sogar die Berliner SPD hat die Zeichen der Zeit erkannt und stellt auf dem Bundesparteitag an diesem Wochenende einen entsprechenden Antrag: Unter dem Titel „Arbeit fortschrittlich gestalten“ rufen sie ihre Ge­nos­s*in­nen dazu auf, „die aktuelle Debatte über die wöchentliche Regelarbeitszeit zu nutzen, um den Weg für echte Verbesserungen für Beschäftigte zu bereiten“.

Auch ökonomisch sinnvoll

Das erklärte Ziel der So­zi­al­de­mo­kra­t*in­nen sorgt bei CDU und Unternehmensverbänden für Schnappatmung: Eine echte Viertagewoche für alle, ohne dass pro Tag mehr gearbeitet werden soll oder es Abzüge bei Lohn oder Urlaub gibt? Ist das nicht schon Kommunismus?

Dabei ist die Einführung einer Viertagewoche auch ökonomisch sinnvoll. Länder wie Island, wo es seit 2021 ein Recht auf eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn gibt, aber auch Pilotprojekte in Großbritannien und Spanien machen es vor. Und mehrere Studien belegen: Die Produktivität nimmt zu, während zugleich die Zufriedenheit steigt. Die Mit­ar­bei­te­r*in­nen fühlen sich weniger gestresst, erleiden weniger häufig ein Burnout und fehlen damit seltener.

Wenn Arbeitgeber also argumentieren, die 32-Stunden-Woche sei in Zeiten von Fachkräftemangel kontraproduktiv, könnte genau das Gegenteil stimmen, weil Arbeitsplätze wieder attraktiver werden. Denn in Wirklichkeit besteht weniger ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften als an attraktiven Jobs.

Denn die Lebensrealität hat sich gewandelt. Nicht nur bei den Jüngeren, auch bei Älteren funktionieren die alten Versprechen nicht mehr. Die Vorstellung, 40 und mehr Stunden malochen zu gehen, um ein Auto und das Einfamilienhaus abzubezahlen, sind in Zeiten von Mietenwahnsinn und Klimawandel Makulatur.

Zu schade, dass sich die Berliner SPD kaum durchsetzen wird. Aber es gibt ja immer noch die Gewerkschaften, die in diesen Streik-Zeiten Mitgliederrekorde einfahren. Und die 4-Stunden-Liga, denn vier Stunden lohnarbeiten am Tag sind auf jeden Fall besser als acht.

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Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Schreibt in ihrer Kolumne "Pöbelmanie" über Klassenkampf aus der Perspektive eines Kindes der Arbeiter*innenklasse. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.

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