Treffen Putins und Erdogans in Sotschi: Poker um die Aufteilung Syriens
Putin und Erdoğan sind sich uneins über die Zukunft Syriens. Sie streiten vor allem darum, ob die Kurden mit einbezogen werden sollen.
Mit diesem Vorgehen will Putin die Syrien-Friedensgespräche der UNO in Genf umgehen, bei denen auch die USA und andere westliche Akteure entscheidenden Einfluss haben. Stattdessen wollen sich die Siegermächte Russland und Iran, die gleichzeitig die Interessen Assads vertreten, mit der Türkei, die als Schutzmacht der sunnitischen Aufständischen gilt, einigen, ohne sich mit allen anderen Gruppen und Staaten, die in Genf involviert sind, auseinandersetzen zu müssen. In der Schweiz sind für den 28. November eintägige Syrien-Gespräche avisiert.
Am Rande des Asean-Gipfels vor einigen Tagen hatte Putin sich bereits bilateral mit US-Präsident Donald Trump auf ein Papier geeinigt. Darin bekräftigten sie ihren Wunsch zur Aufrechterhaltung der territorialen Integrität Syriens. Zudem erteilten sie weiteren Kämpfen eine Absage und wollten Vorkehrungen treffen, damit amerikanische und russische Truppen sich nicht ins Gehege kommen. Trotzdem musste Putin seinen eigentlich für den 18. November geplanten „Kongress der Völker Syriens“ vorläufig Absagen, weil ausgerechnet die Türkei sich querstellt.
Streitpunkt ist die Frage, inwieweit die syrischen Kurden in den Prozess mit einbezogen werden sollen. Insbesondere die politisch und militärisch stärkste kurdische Partei, die DYP (Partiya Yekitiya Demokrat) und ihre Miliz, die YPG, werden von der Türkei als Terrororganisationen eingestuft, die eng mit der türkisch-kurdischen PKK zusammenarbeitet und laut Ankara auf keinen Fall am Verhandlungstisch sitzen dürfen. Da Putin aber klar ist, dass es ohne die Kurden keine sinnvollen Verhandlungen geben kann, wollte er den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan überreden, sich in seiner Syrien-Politik umzuorientieren. Dazu wurde in aller Eile ein Treffen zwischen Putin und Erdoğan arrangiert, das am Montagabend in Sotschi stattfand.
Erdogan knirscht mit den Zähnen
Doch auch in einem vierstündigen Gespräch der beiden Präsidenten konnte keine Einigung erreicht werden. Erdoğan gab sich anschließend sehr einsilbig und bestätigte lediglich, er würde das russisch-amerikanische Papier akzeptieren, was er vor seinem Abflug nach Sotschi noch heftig kritisiert hatte. Offizielle Stellungnahmen zu den Kurden gab es nicht. Lediglich der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sagte gegenüber der türkischen Staatsagentur Anadolu, Terrororganisationen müssten auch zukünftig von allen Verhandlungen ausgeschlossen bleiben.
Die Türkei ist bereits mit den USA zerstritten, weil die US-Armee im Kampf gegen den IS seit langem mit der DYP/YPG zusammenarbeitet. Erdoğan hatte deshalb gehofft, dass Putin ihm freie Hand geben würde, militärisch gegen die Kurden in Syrien vorzugehen.
Aber das ist offensichtlich nicht der Fall. Erdoğan muss sich nun entscheiden, ob er sich nach den USA auch noch mit Putin wegen der Kurden überwerfen will, oder die Konfrontationspolitik gegen die DYP und damit auch gegen die PKK mindestens teilweise zurücknimmt und Verhandlungen zulässt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett