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Tipps zum Arbeiten bei HitzeFrüh arbeiten, dann aber Siesta!

Amts­ärz­t:in­nen fordern angesichts der Temperaturen eine Umstrukturierung der Arbeitszeit – mit Mittagspause nach südeuropäischem Vorbild.

Nicht mehr als ein absolutes Minimum: Wasserangebote am Arbeitsplatz Foto: dpa

Berlin afp | Die Amtsärzte fordern wegen der hohen Temperaturen die Einführung einer Siesta nach südeuropäischem Vorbild in Deutschland. „Wir sollten uns bei Hitze an den Arbeitsweisen südlicher Länder orientieren: Früh aufstehen, morgens produktiv arbeiten und mittags Siesta machen, ist ein Konzept, das wir in den Sommermonaten übernehmen sollten“, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Johannes Nießen, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

„Bei starker Hitze sind Menschen nicht so leistungsfähig wie sonst“, sagte Nießen weiter. „Schlechter Schlaf bei fehlender Abkühlung in der Nacht führt zusätzlich zu Konzentrationsproblemen.“

Komplexe Arbeitsanforderungen sollten aus Sicht des Mediziners besser in die frühen Morgenstunden verschoben werden. „Zudem braucht es ausreichend Ventilatoren und leichtere Kleidung, auch wenn die Kleiderordnung im Büro das nicht erlaubt.“

Wichtig sei auch, grundsätzlich viel mehr zu trinken und leichtes Essen in mehreren kleineren Portionen zu sich zu nehmen. „Ein kaltes Fußbad unter dem Schreibtisch wäre eine weitere Möglichkeit, um im Homeoffice für Abkühlung zu sorgen“, sagte Nießen.

Auch Arbeitgeber in der Pflicht

Das DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel forderte die Arbeitgeber derweil auf, während der Sommermonate regelmäßig Hitze-Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen, um Arbeitsschutz während hoher Temperaturen zu gewährleisten. „Arbeitgeber müssen ihre Beschäftigten vor Hitze schützen – Arbeit bei Hitze ist für Beschäftigte belastend und gefährdet im schlimmsten Fall ihre Gesundheit“, sagte sie den RND-Zeitungen. „Gefährdungsbeurteilungen sind Grundlage für passgenauen Schutz.“

Diese seien immer noch kein Standard in Betrieben, fuhr Piel fort. Sie sprach von einem „Versäumnis der Arbeitgeber, das angesichts des Klimawandels und der extrem heißen Sommer vollkommen inakzeptabel ist“. Piel forderte zudem, Büroräume mit Temperaturen von mehr als 35 Grad zu schließen, sofern der Arbeitgeber keine Hilfsmittel wie Luftduschen anbietet.

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14 Kommentare

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  • „Bei starker Hitze sind Menschen nicht so leistungsfähig wie sonst“, sagte Nießen weiter. „Schlechter Schlaf bei fehlender Abkühlung in der Nacht führt zusätzlich zu Konzentrationsproblemen.“



    Das ist insbesondere in Krankenhäusern und Pflegeheimen ein Thema, denn hier gelten besondere Voraussetzungen, die mit Luftzirkulation und Hygieneanforderungen sowie Geräuschpegeln zusammen hängen.



    Siesta im Krankenhaus und im Pflegeheim ist und bleibt wohl Utopie.



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    "Klimatisierte Patientenzimmer seien aber eher selten. In den Kliniken müssen bei der Hitze ausreichend Wasser, Ventilatoren oder feuchte Handtücher ausreichen.



    Das Klinikum Dortmund versuchte die Hitze mit Humor zu nehmen.



    Im Juni dieses Jahres (24.Juni) hatte sie einen formlosen Antrag für einen Klinik-Pool an die Regierung in NRW gestellt.



    Intensivstation ist die Ausnahme



    Wirklich kühl ist es nur in besonderen Funktionsbereichen eines Krankenhauses. Der Operationssaal, die Intensivstation oder die Notaufnahme sind zum Beispiel klimatisiert."



    Quelle: Archiv von ruhr24.de



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    Offensichtlich sind die klimatisierten Räumlichkeiten in einzelnen Bereichen dennoch aktuell kein ausreichend"schlagendes" Argument bei der Arbeitsplatzwahl.

  • Es fällt mir ja überhaupt nicht ein, noch früher aus dem Haus zu gehen, zwangsweise stundenlang herumtummeln zu müssen und dennoch später heim zu kommen.

    Was für Menschenfeinde denken sich solche Bestrafungen aus?

  • Medizinisch, bzw. auf die Temperatur bezogen hat Herr Nießen sicher recht. Im ganzen ist die Idee aber unausgegoren. Nicht bedacht wurden z.B.:



    1. die vielen Pendler in Deutschland. Spaniens Population ist stark auf die Städte verdichtet. 84% leben Stadten >30000 Einwohner. Mittags nach Hause zu gehen ist daher oft kein Problem. Bei uns gelten z.T. schon Städte mit 14000 EW als Oberzentren. Während z.B. München selbst knapp 940.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte hat, pendeln tgl. 399.000 in die Stadt. Die Fahrtzeit dabei liegt vermutlich zwischen 45min und 90min einfach. Für 1/3 der Beschäftigten ist also Siesta Zuhause nicht drin. Platz zur Erholung für 400 000 Menschen während der Mittagszeit in der Stadt, am besten an konsumfreien mindest aber bezahlbaren Orten, zu finden ist für die Städteplanung kaum machbar. Der Wohnraum in den Städten würde in Folge von Zuwanderung knapper, teuer, und die Städte, verdichteter und noch wärmer.



    2. Dazu kommen noch die Klimaanlagen, die es eh in fast allen Wohnungen und Arbeitsplätzen brauchen wird, und laut einer Studie in Phoenix, dort die Stadt um etwa 1° zusätzlich erwärmen. Damit verstärkt sich das Hitzeproblems also kurzfristig noch mal.



    3. Spanien ist schon an sich der Brittischen Zeitzone zuzuordnen, während in Berlin aktuell um 5 die Sonne aufgeht, tut sie das in Malaga um 7 Uhr morgens. Abends ist es entsprechend länger hell. Soweit auch zum Tagesrythmus und warum spätes Essen dort bekömlicher ist als hier.



    4. Meist existiert dort auch ein stärkeres soziales Netz, das neben der staatlich gewährten 8Std Kita, die dort auch häufig um 16:00 Uhr endet für die Betreueng von Kindern danach sorgt. Andernfalls ist die Konsequenz, nach Ende der Siesta (dort von 14:00-16:00) für ein Elternteil Care Arbeit zu leisten. Also nur Halbtags zu arbeiten.

    Besser hier durchsetzbar als Siesta wäre m.E. die 2te dort gelebte Variante. Sommerarbeitszeit: 35 Std Woche ohne Mittagspause. Also z.B. 8:00-15:00

  • Sprich: Nach der Arbeit Gratis-Schwitzen in der Freizeit, um dann wieder erholt am nächsten Tag für das Steigern des Bruttosozialproduktes in die Hände spucken zu können - klingt toll! ;-)

  • Schlechter Schlaf, aktuell noch verstärkt durch Pollenflug und Nachrichten Atemnot, führt bei mir dazu, dass früh aufstehen meine Produktivität komplett zerstört. Wir "Eulen" leiden ohnehin schon genug an "social jetlag". Ich habe nicht das geringste Interesse daran, den zu verstärken. Wie wäre es, wenn wir das stattdessen als Anlass nehmen, um Arbeitszeiten - in den Bereichen, in denen das möglich ist - zu flexibilisieren? Wenn jemand gerne morgens noch früher im Büro sein will - gerne. Wenn Menschen lieber die kühlen frühen Morgenstunden nutzen, um wenigstens ein paar Stunden Schlaf zu bekommen und dafür länger bleiben, ist nicht viel gewonnen, wenn man es ihnen verwehrt. Man muss sich dann eben auf Zeitfenster für Meetings einigen, aber ob Menschen den Rest der Arbeit eher in der Zeit vor oder nach diesen Meetings erledigen, sollte doch egal sein.

    • @Iguana:

      In diesem Zusammenhang halte ich persönlich es auch für überfällig, diese lästige alljährliche Uhrenumstellung aka "Sommerzeit" kritisch auf den Prüfstand zu stellen oder, viel besser noch, gleich ganz abzuschaffen. Gerade für Eulen (deren eine(r) ich bin), wäre dies ein Segen, und vielleicht ergibt sich aus der dann zur Sommerzeit eine Sunde früher untergehenden Sonne die Möglichkeit einer moderaten Abkühlung. Dies würde besseren Schlaf bedeuten.



      Wen wiederum das frühe Aufstehen nicht anficht und es abends dafür nach Dienstschluss noch länger hell haben möchte, sollte die Möglichkeit bekommen, früh eher mit der Arbeit zu beginnen.

      • @nieznany:

        Moment, wenn du ne Eule bist, dann willst du früh morgens ja bestimmt, dass es länger dunkel bleibt, weil man sonst brutal vom Licht aufgeweckt wird.

        Dann wäre doch die Beibehaltung der Winterzeit ideal? Statt Sommerzeit eine Stunde früher geht die Sonne unter, geht die Sonne später unter, und morgens bleibt es aus Sicht der Uhrzeit länger dunkel.

  • Es gibt anscheinend nur noch Menschen, die im Büro arbeiten.

    Industrie und Dienstleistungen aller Art gibt es nicht.

  • Na, es wird ja nicht nur früh von 8 oder 9 bis 13 sondern auch spät von 17 oder 18 bis 22 gearbeitet im Süden Spaniens mit einer laaangen Siesta dazwischen. Das gilt zumindest für die Branchen, in denen das möglich ist: Kleiner Einzelhandel, Bürotätigkeiten u.Ä.



    Aufm Bau geht es mit Sonnenaufgang los und mittags ist Schluss. Supermärkte, Flughäfen etc. sind eh vollklimatisiert.



    Innenstädte haben Sonnensegel über ihre Fußgängerzonen und viel frequentierten Gassen und Straßen gespannt.

    Der Tagesrhythmus ist ans Klima angepasst, vor 18 Uhr am Abend geht man nicht raus, wenn man nicht unbedingt muss, dafür geht es in Büros und Schulen eher nicht vor 9 los morgens. Apropos Schulen: Fast 3 Monate sind die Kinder zu Hause im Sommer. Viele kleine Geschäfte in den Städten machen im August komplett zu und Urlaub. Auch das ein anderer Rhythmus.



    Die Altbauten lassen sich mit hölzernen Jalousien oder Klappläden schattieren und bei geöffneten Fenstern trotzdem belüften. Andalusier*innen haben i.d.R. in ihren Häusern eine Sommeretage im Souterrain samt Küche und Wohnraum, Patios, Verandas und Pergolen bieten begrünbaren Schatten. Fächer sind übrigens wirklich praktisch und nicht nur Accessoires.



    Und auf die Idee, sich im Juli von 12 bis 18 Uhr ohne Hut, Schirm und UV-Schutz an irgendeine Playa oder Piscina zu legen oder sich auf Städtetour durch Sevilla, Granada und Cordoba zu schleppen, kommen eh nur hummerrote Briten und Deutsche...

    • @hierbamala:

      Dann also viermal am Tag Rush Hour auf den Straßen? Doppelte Emissionen?

    • @hierbamala:

      Danke 🙏

  • Gute Idee - in vielen Berufen (hier: Krankenpflege) leider völlig utopisch...

    • @Juhmandra:

      Und in Büroberufen auch unnötig, weil man die Räume auch klimatisieren könnte.



      Da müssten die Arbeitgeber einfach besser in die Pflicht genommen werden, statt die Zeiteinteilung der Mitarbeiter als falsch hinzustellen. Die meisten haben Gründe, nicht vor 8 anzufangen. Und diese Gründe liegen selten im persönlichen Schlafrhythmus.

      • @Herma Huhn:

        Auch der persönliche Schlafrhythmus sollte aber ernst genommen werden. Wir verlangen von Morgenmenschen ja auch nicht, dass sie bis Mitternacht konzertiert und produktiv sind.



        Und gerade bei Hitze zu sagen "Es ist euch zwar nachts zu heiß zum Schlafen, aber bitte nutzt die kühlen frühen Morgenstunden doch zum Arbeiten statt zum Schlafen" ist ziemlich inhuman.