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Tipp an Senioren in Bad BramstedtImpfpässe im Darknet kaufen

In der schleswig-holsteinischen Gemeinde gibt es mehr Coronafälle als anderswo. Der Seniorenbeirat empfiehlt gefälschte Impfausweise.

Fälschen ist strafbar: Impfbuch Foto: Marcus Brandt/dpa

Rendsburg taz | In einem Pflegeheim weigern sich Betreuer*innen, die ihnen anvertrauten Pflegebedürftigen gegen das Coronavirus impfen zu lassen, und der örtliche Seniorenbeirat gibt Tipps, wie sich gefälschte Impfpässe beziehen lassen – zwei Fälle, die sich in der Kleinstadt Bad Bramstedt in Schleswig-Holstein ereignet haben. Aktuell liegt dort die Corona-Inzidenz deutlich über dem Landesschnitt.

An die „lieben Theaterfreunde“ richtet sich ein Schreiben des Seniorenbeirats von Bad Bramstedt, einer Kleinstadt mit rund 15.000 Ein­woh­ne­r*in­nen nahe Neumünster. Mit dem Rundschreiben, das der taz vorliegt, weist der Beiratsvorsitzende Hartmut H. auf geltende Corona-Schutzmaßnahmen beim Besuch des Stücks „Charlys Tante“ hin.

Im zweiten Absatz steht allerdings ein Satz, der trotz Rechtschreib- und Grammatikfehlern die Alarmglocken klingeln lässt: „Für denjenigen, die sich nicht Impfen lassen wollen, gibt es im Darknet, ein spezieller Bereich im Internet, Angebote gegen Geld für gefälschte Impfausweise mit personenbezogenen Daten“, schreibt der Beiratsvorsitzende.

H. selbst war gestern telefonisch für Nachfragen nicht zu erreichen, ebenso wenig die Bürgermeisterin Verena Jeske (parteilos). Ihr liegt das Schrei­ben nach taz-Informationen seit zwei Wochen vor, ohne dass sie öffentlich reagiert hätte. Auch bei der Polizei des Kreises war bis zum Anruf der taz von dem Fall noch nichts bekannt. „Wir werden aber nun Ermittlungen aufnehmen“, sagt die Sprecherin der Polizeidirektion in der Kreisstadt Bad Segeberg. Der Anfangsverdacht auf eine Straftat liege vor, Näheres müssten die Ermittlungen zeigen.

Ungeimpft im Pflegeheim

Bad Bramstedt, das unter anderem vom Kurbetrieb und seinen großen Kliniken lebt, ist ein Coronahotspot: Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt laut der Homepage des Kreises bei 231 und damit deutlich höher als in den umliegenden Orten sowie über dem Landesschnitt von 160. Schuld an diesen hohen Zahlen ist auch ein Ausbruch in einem Pflegeheim, das zur Argentum-Gruppe gehört. Eine 93-jährige Frau und ein 95-jähriger Mann sind inzwischen verstorben, weitere befinden sich im Krankenhaus.

Wie die Segeberger Zeitung berichtet, waren im Demenzbereich des Hauses zehn von 22 Personen nicht geimpft. Der Grund: Ihre Be­treue­r*in­nen sollen die Spritze verweigert haben. Die Leiterin des Hauses, in dem 180 Bewohner*in­nen leben, will sich dazu am Telefon nicht äußern, sondern verweist auf die Pressestelle der Argentum-Gruppe – eine schriftliche Anfrage der taz blieb bis Redaktionsschluss ohne Antwort.

Generell gilt, dass es – zumindest bis zur Einführung einer Impfpflicht – Menschen jeden Alters selbst überlassen bleibt, ob sie der schützenden Spritze zustimmen: „Es kann nicht pauschal eine allgemeingültige Entscheidung für oder gegen eine Impfung getroffen werden“, heißt es in einem Schreiben des Berufsverbandes der Berufsbetreuer/innen (BdB).

Es sei eine „Unsitte“, wenn Heime mit einem pauschalen Vordruck die Zustimmung zur Impfung einforderten, denn „solange die Pa­ti­en­t*in einwilligungsfähig ist, gilt nur, was er*­sie selbst sagt“, heißt es weiter. „Betreuer*innen können nicht stellvertretend einwilligen und haben auch kein Vetorecht.“

Betreuer*innen können nicht stellvertretend einwilligen und haben auch kein Vetorecht

Berufsverband der Berufsbetreuer/innen

Dieses Wahlrecht haben auch Menschen mit Demenz. Wenn die Betroffenen nicht mehr selbst entscheiden können, gilt der „mutmaßliche“ Wille. Dabei sei es „nicht die Aufgabe eines Betreuers/einer Betreuerin, sich stellvertretend für die von ihm betreute Person an der allgemeinen Diskussion um die Corona-Impfung zu beteiligen“, teilt der Betreuungsgerichtstag in einer Stellungnahme mit.

Auch Gerichte haben sich schon mit Impfungen für Demenzkranke befasst: In einem Fall hatte ein Berufsbetreuer entschieden, dass eine 93-Jährige nicht geimpft werden sollte, weil er die Spritze für gefährlicher hielt als eine Covid-Erkrankung. Ihm wurde die Betreuung entzogen. Im Mai bestätigte das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung.

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18 Kommentare

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  • BTW: Allein die Vorstellung, dass meine Mutter (80, geboostert), versucht, in einem sogenannten "Darknet" einen gefälschten Impfausweis zu kaufen, geht mir nicht aus dem Kopf.



    ROFL

    Das ist (für die meisten Rentner) doch völlig surreal.

  • Son ein Quazsch. Das war dochj offensichtlich ein Witz.



    Oder, welcher Senior oder welche Seniorin findet gefälschte Impfpässe im "Darknet"?



    Haben sie's mal versucht?

  • Also mangelnde Emotionalität kann man der taz-Leserschaft hier nicht vorwerfen.

    Aber die Emotionen können einen auch in die Irre leiten.

    Solange der Betreuer selbst auch nicht geimpft ist, kann man dem Betreuer keine Bösartigkeit vorwerfen.

    Interessant wird es, wenn der Betreuer selbst bereit geboostert ist.

    • @Sonntagssegler:

      Vorletzter Absatz des Artikels.

  • Das Fälschen von Impfpässen sollte wie fahrlässige Tötung geahndet werden.

    Interessanter Nebenaspekt: Wie viele der in der offiziellen Statistik als Impfdurchbrüche geführte Fälle sind real Ungeimpfte mit gefälschten Impfpässen?

    • @Kaboom:

      Diese Frage stelle ich mir auch ständig! Ich selbst kenne ein, zwei Leute mit vermutlich gefälschtem Pass, die sich infizierten und damit jetzt als Impfdurchbrüche gelten. Mit dem Erfolg, dass sich Impfgegner nur bestärkt fühlen können: siehe da, die Impfungen taugen nichts!

      Es könnte so einfach sein in Deutschland, wenn wir ein zentrales Impfregister hätten. "Danke", liebe Datenschützer.

      • @Suryo:

        Bestand denn vor Corona eine Notwendigkeit für ein zentrales Impfregister? Gab es Versuche ein solches einzuführen und scheiterten diese Versuche am Widerstand von Datenschützer*innen? Oder geht es hier nur darum Datenschutz pauschal als überflüssiges Hindernis zu diskreditieren? Datenschutz ist ein enorm wichtiges Anliegen das mit fortschreitender Digitalisierung und immer besseren Algorithmen weiter an Bedeutung gewinnen wird. Dennoch scheiterte etwa die Einrichtung von Krebsregistern nicht am Datenschutz und meines Wissens nach sind diese Register auch nichts womit sich Datenschützer*innen prioritär befassen würden. Warum also sollte das im Falle eine Impfregisters anders sein?

        • @Ingo Bernable:

          Der Staat kennt selbst meine Augenfarbe und das Stockwerk, auf dem ich wohne, aber meinen Impfstatus darf er nicht wissen?

          Welchen Grund außer Datenschutz gab es denn, dass ein Impfregister mehrfach explizit abgelehnt wurde?

          • @Suryo:

            "Welchen Grund außer Datenschutz gab es denn, dass ein Impfregister mehrfach explizit abgelehnt wurde?"



            Ich kann mich nicht erinnern, dass das vor Corona überhaupt mal in relevantem Umfang in der politischen Diskussion war und wenn ich nach entsprechenden Meldungen bis Ende 2018 suche finde ich allenfalls sporadische Wortmeldungen von Expert*innen die die Einrichtung eines solchen Registers empfahlen. Nun empfehlen aber Expert*innen eben alles mögliche und das allermeiste übersetzt sich dennoch nicht in eine politische Initiative oder geltendes Recht. Eine Debatte um ein Impfregister hat also offenbar nie wirklich stattgefunden, wo also soll dieses Ansinnen mit der Begründung Datenschutz "mehrfach explizit abgelehnt" worden sein?

  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    Spätestens nach der Delta-Variante ist das nicht nur Urkundenfälschung.



    Diese Leute gehören in den Knast, denn sie stecken andere an.



    Das ist so wie Geschlechtsverkehr, obwohl man mit HIV infiziert ist.

    • @47202 (Profil gelöscht):

      Sex trotz HIV-Infektion ist nicht strafbar sofern dies nicht bewusst geschieht. Sofern die Leute also nicht trotz bekannter Civid-Infektion unter Leute gehen greift das Beispiel nicht

  • Das ungefragte Verabreichen von Medikamenten an hilflose Pfelgepatienten habe ich im Zivildienst selbst erlebt und war sogar aktiv beteiligt. Daß es sich bei "Haldol" nicht, wie ich damals annahm, um ein harmloeses Herzmedikament oder dergleichen handelt, erfuhr ich allerdings erst deutlich später, als ich zufällig auf einen Artikel im Spiegel stieß. Darauf wurde mir etliches klar, was mir damals schon schon seltsam vorkam.



    Wenn Pfleger sich weigern, ihren Patienten ohne deren Zustimmmung und nur auf Anordnung von oben etwas zu verabreichen, das nicht konkrete und akute Leiden lindert, kann ich das grundsätzlich nur begrüßen. In Nürnberg sind Pfleger, die ähnlichen Anweisungen, auch die scheinbar begründet und moralisch verbrämt, Folge leisteten, verurteilt worden. Wie sehr müssen Ihre Maßstäbe verrutscht sein, wenn Sie den Konflikt gar nicht mehr erkennen können.

    • @Axel Berger:

      Sind Sie wahnsinnig?

      Die Zahlen sind eindeutig. Die Impfung ist auf gar keinen Fall gefährlicher als die Infektion.

      • @Suryo:

        Das bestreite ich nicht, im Gegenteil. Es gibt aber Leute, die es bestreiten (und in meinen Augen unrecht haben). Gibt das mir das Recht, ihnen für ein nur mir, nicht ihnen erkennbares "höheres Gut" gegen ihren Willen Gewalt anzutun?

  • Mein erster Gedanke, als ich das las:



    Früher hätte man solche Schwerverbrecher (das sind sie, denn sie rufen ja zu Schwerverbrechen auf!) an die Wand gestellt.

    Geht natürlich aus sehr vielen Gründen heute nicht. Was aber ginge und auch bitte, bitte ZÜGIGST! realisiert werden sollte, ist ein kurzer, öffentlichkeitswirksamer Prozess mit der Folge, dass solchen Leuten die Öffentlichkeit entzogen und sie selbst für geraume Zeit (nicht unter 2 Jahren) in einem "Staatshotel" aus der Öffentlichkeit entfernt werden.

    Und dann wird es Zeit, dass wir zumindest in quasi kasernierten Einrichtungen wie Krankenhäusern, Altenheimen etc. zu einer bedingungslosen Impfpflicht für alle, die aus medizinischer Sicht geimpft werden können, kommen. Bedingungslos heißt eben auch, dass die Impfung ggf. gegen den Willen des zu Impfenden geschieht, sofern keine Alternative wie eine anderweitige Unterbringung oder fristlose Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in Betracht kommt.

  • Wenn die Alten kriminell werden um ins Theater zu kommen, sind die dann „erlebnisorientiert“?

    • @Nafets Rehcsif:

      Nein, gebildet.

      • @Sonntagssegler:

        der war gut