TikTok-Trend „No revenge, because“: Guter Ansatz, trotzdem daneben
Der Social Media-Trend „No revenge, because“ propagiert Selbstliebe und Heilung, doch fördert stattdessen Sexismus und den Male Gaze.
Wer vor den Trümmern einer gescheiterten Beziehung steht, neigt zu heftigen Reaktionen: Manche haben Angst vor der Zukunft, andere leiden unter Heulkrämpfen und Wutanfällen oder wollen sich gar an den Ex-Partner*innen rächen. Auf Social Media geht aktuell ein Trend um, der sich zumindest gegen Letzteres ausspricht.
Videos mit dem Titel „No revenge, because …“ vermitteln die Idee, dass Rache und Vergeltung nicht der richtige Weg seien, um mit Konflikten oder Trauer umzugehen. Die Nutzer*innen, die mitmachen – überwiegend Frauen –, begründen ihre ausbleibende Rache mit Selbstliebe, Wachstum und dem Wunsch, emotionale Teufelskreise zu durchbrechen.
Das klingt nach einem vielversprechenden und vor allem gesunden Ansatz, um Trauer zu bewältigen. Mit Zeilen wie „keine Rache, denn obwohl ich weiß, was du mir angetan hast, muss ich dir nicht dasselbe antun, um glücklich zu werden“ will der Trend eine Botschaft von Reflexion und Heilung fördern. Tiktoker*innen nutzen die kurzen Clips, um sich gegenseitig zu ermutigen und zu zeigen: Du bist nicht allein. Doch der Trend führt sich selbst ad absurdum.
Nach wenigen Minuten scrollen wird klar, dass viele die eigentliche Botschaft nicht verstanden haben. „Keine Rache, weil ich Abschlüsse und Freundschaften habe und überall neu anfangen kann“ oder der Klassiker: „Keine Rache, weil du eines Tages deinen Fehler begreifen wirst. Und wenn es so weit ist und du mich zurück willst, wird es zu spät sein“.
Doch nicht so heilsam
Aussagen wie diese zeugen nicht gerade von Reflexion. Es scheint, als würden Nutzer*innen auf Social Media den Kampf über das famose letzte Wort am Ende einer Beziehung ausfechten, ganz nach dem altbekannten Motto: Wer hat gewonnen?
Die Kontraproduktivität dieses Trends gipfelt in der Variante „No revenge, because my halloween costume is smaller than this“, bei der Frauen einen Rock zeigen, der kürzer ist als ein gewöhnlicher Stift. Der Gedanke, sich mit dem klassischen Rachemotiv nicht am Ex zu rächen, wirkt absurd.
Immerhin will man sich doch am Ex rächen, indem man der ganzen Welt das knappe Kostüm auf Tiktok präsentiert. Gleichzeitig sehen alle darüber hinweg, dass der Ex durchaus während der Beziehung bemerkt haben wird, wie gut und sexy man aussieht – und dennoch gegangen ist.
Das Ende der Beziehung hatte wohl andere Gründe. Statt sich mit diesen auseinanderzusetzen und Heilung zu erfahren, wie es der Trend besagt, machen sich viele Frauen doch lieber kleiner als sie sind und inszenieren sich einmal mehr als Objekte der männlichen Begierde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit