Tierschutzsteuern auf Fleisch: Der Markt schafft es nicht
Die Kritik der FDP an Plänen für eine Tierwohl-Abgabe auf Fleisch ist realitätsfern. Der Markt wird einfach nicht genug Geld bereitstellen.
I n der Debatte über mehr Tierschutz in der Landwirtschaft spielt die neue Regierungspartei FDP gerade wieder ihre alte Leier: Die Liberalen lehnen eine staatliche Abgabe auf Fleisch ab, mit der Bauern ihre Tiere besser halten könnten. Stattdessen soll der Markt es richten und zum Beispiel der Handel den Landwirten Geld geben. Weil: Staat ist immer böse, Markt immer gut.
Doch: Schon seit 2015 zahlen Lidl, Edeka und andere Handelskonzerne den Landwirten über die Firma Initiative Tierwohl (ITW) Zuschläge für Fleisch aus etwas besserer Haltung. Aber bis heute werden nur rund 35 Prozent der Mastschweine in Deutschland nach den ITW-Vorgaben gehalten. Und die Auflagen sind teils sehr schwach, zum Beispiel lediglich wenige Quadratzentimeter mehr Platz im Stall.
Gemessen an dem, was mehr Tierschutz kostet, zahlte die ITW auch Jahre nach ihrer Gründung zu wenig an die Landwirte: jährlich 130 Millionen Euro. Gebraucht werden Wissenschaftlern zufolge aber 3 bis 5 Milliarden Euro, damit zum Beispiel die meisten Schweine endlich Kontakt zum Außenklima haben, Hähnchen Auslauf bekommen und Rinder auf die Weide dürfen.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die ITW ihre Einnahmen in Kürze fast vervierzigfachen kann – selbst wenn der Bund dieses Jahr eine verpflichtende Haltungskennzeichnung für Fleisch einführt. Wenn es um Milliarden gehen sollte, wäre die Verlockung für Handelsketten groß, sich den Aufschlag zu sparen. Genügend Kunden würden ihnen das billige Qualfleisch abkaufen.
Der Staat muss handeln
Zwar wollen viele mehr Tierschutz, aber nur wenige wollen dafür extra zahlen. Da muss der Staat Verbraucher zwingen, beispielsweise 40 Cent mehr für das Kilogramm Schweinefleisch zu berappen. Das ist nicht die Welt. Hartz-IV-Empfänger bekämen durch den jährlichen Inflationsausgleich höhere Beträge für Lebensmittel.
Vorbild könnte der Ausbau der erneuerbaren Energien sein: Ihr Anteil ist nicht gewachsen, weil die Verbraucher freiwillig Ökostrom bestellt hätten – sondern weil der Staat eine Umlage für die Erneuerbaren vorschrieb.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Vorschläge für bessere Schulen
Mehr Führerschein wagen