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Tennisprofi Novak ĐokovićEine ganz normale Tragödie

Der aus Australien verwiesene Tennisprofi Novak Đoković wird sich nicht als Opfer inszenieren können. Die Empörung über ihn ist aber unverhältnismäßig.

Novak Đoković grübelt vornehmlich auf dem Tennisplatz über eigene Fehler nach Foto: Loren Elliott/reuters

E s ist erstaunlich, über was alles in den letzten knapp zehn Tagen gesprochen wurde, seitdem der Tennisweltranglistenerste Novak Đoković versucht hat, ungeimpft mit einer Ausnahmegenehmigung an den Australian Open teilzunehmen: über die Einwanderungspolitik in Australien und deren brutales Abschreckungssystem, über die Machtfülle eines Ministers, der allein und unkontrolliert über das Schicksal einzelner Menschen bestimmen darf, über das Leiden Jesus Christi und des serbischen Volkes, an die der Vater von Đoković erinnerte. Über den Eifer von Novak Đoković, notfalls auch coronapositiv Journalisten nicht hängen zu lassen, über die Fehlbarkeit seiner Mitarbeiter beim Ausfüllen von Behördenpapieren.

Australiens Einwanderungsminister Alex Hawke hat nun sein persönliches Recht wahrgenommen und das Visum von Novak Đoković erneut für ungültig erklärt. Ein australisches Gericht hatte am Montag noch das Einreiseverbot wegen Verfahrensfehlern aufgehoben. Hawke erklärte, aus gesundheitlichen Gründen und im öffentlichen Interesse seine Entscheidung getroffen zu haben.

Endlich scheint es um das eigentliche Problem zu gehen. Wobei Hawke leider inhaltliche Details vermied, weshalb genau das öffentliche Interesse berührt ist. Das wäre im Zusammenhang mit den anderen Ausnahmegenehmigungen, welche die Veranstalter des Tennisturniers vergeben haben, von Interesse gewesen.

Interessant ist auch die Frage, weshalb Hawke, dessen Entscheidung früher erwartet wurde, so lange gebraucht hat, um eine Gesundheitsgefährdung der Öffentlichkeit festzustellen? Die Zuspitzung der Corona-Einreise-Debatte auf den äußerst streitbaren Đoković hat die Angelegenheit aus dem Ruder laufen lassen. Die fehlende Abstimmung zwischen dem Regelwerk des Turnierveranstalters und dem der Einreisebehörden hat zudem allen Beteiligten Schaden zugefügt.

Eigene Wahrheit zusammengereimt

Als Opfer wird sich Novak Đoković jedoch nicht inszenieren können. Zu sehr hat er sich als Fachmann der Selbstdemontage bewiesen. Angefangen hat alles damit, dass er ausnahmsweise eine Ausnahmeregelung außerhalb der vorgesehenen Fristen für sich durchsetzen wollte. Dafür waren ihm alle Mittel recht. Die Gefährdung von Mitmenschen nahm er billigend in Kauf. Zu seiner Verteidigung muss man allerdings anmerken, dass er vielleicht gelogen hat. Ein falsches Stempeldatum lassen seine Erzählungen über einen positiven Coronatest nur bedingt glaubwürdig erscheinen.

Derlei Tragödien gibt es des Öfteren im Leistungssport. Entrückte Stars, die ihren Erfolg über jegliche Gesetze stellen und sich ihre Wahrheit zusammenreimen. Novak Đoković muss sich dafür berechtigte Kritik gefallen lassen. Bedenkt man, wie freundlich im Zweifelsfalle andere Sportgrößen behandelt werden, staunt man etwas über das Ausmaß der Empörung im Fall Đoković.

Dass Cristiano Ronaldo 375.000 US-Dollar Schweigegeld an das Model Kathryn Mayorga zahlte, die ihn wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung angezeigt hatte, hat die Anzahl der Bewunderer des portugiesischen Fußballstars, der jegliche Schuld abstritt, kaum beeinträchtigt. Gesprochen wird über die Geschichte heute nicht mehr. Novak Đoković muss damit rechnen, dass ihm seine Versuche, die Teilnahme an den Australian Open zu erzwingen, nicht so schnell vergessen werden.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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14 Kommentare

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  • Die Empörung über den eingebildeten Tennisstar selbst war doch nicht die Hauptsache. Die Empörung wurde so groß, weil so offen zu Tage trat, was sonst eher im Verborgenen geschieht. Die Reichen können sich biegen die Welt so wie sie ihnen passt.

    Wenn die Leute, die schon nicht mehr gerade gehen können, weil die Geldtasche hinten rechts in der Hosentasche so schwer ist, ihr Recht auf Privilegien zu sehr sichtbar ausleben, dann ist die Empörung groß. Das musste einst sogar ein gewisser Herr Birne erfahren, als er ein 'Ehrenwort' vorschob, um seine 'Spießgesellen Steuerhinterzieher' bei der Herkunft der Parteispenden zu schützen.

    Das ist für uns nicht tragbar, wenn einer aus der oberen besitzenden Klasse demonstrieren will, dass er gleicher ist als die Gleichen - dass Gesetze nicht für alle gleich gelten. Die Gelegenheit war aufgrund der harten australischen Maßnahmen bezüglich der Pandemie auch nicht sehr aussichtsreich für den Möchtegern-Duce Duko. Hätte er zuvor mehr nachgedacht, hätte den wahrscheinlichen Impfverweigerer sogar ein gefälschtes Impfdokument eher zum Erfolg geführt.

  • Was mir jetzt nicht ganz klar ist: warum relativiert die taz das nachgewiesen illegale Verhalten eines Tennisspielers durch den Vergleich mit einem behaupteten illegalen Verhalten eines Fußballers?



    Nicht jedes Model ist automatisch ein Opfer, schönes aktuelles Beispiel: www.rollingstone.d...verklagen-2400479/



    Wobei auch diese Dame sich anscheinend als Opfer fühlt - interessante Sichtweise.

  • "Entrückte Stars, die ihren Erfolg über jegliche Gesetze stellen und sich ihre Wahrheit zusammenreimen."



    Damit ist doch alles gesagt. Unverständlich, wie sich Leute, die sonst selbst berechtigterweise die üblichen Empörungstheater kritisieren, nun selbst an diesem banalen Fehlverhalten erhitzen. Es gab sogar Nachrichtensendungen, die das Thema auf 1 brachten. Irre.

  • Jede Regierung macht sich unglaubwürdig, wenn allgemeine Regeln für Promis, die tricksen und wissentlich betrügen, für sie nicht gelten. Australien lässt sich zu Recht nicht auf der Nase rumtanzen - noch dazu von jemandem, der sich mit Jesus vergleicht....

  • Die Bundesregierung hat sich mit der Entscheidung schön lange Zeit gelassen, um medial von den vielen Eigentoren abzulenken. Dass D. nie hätte einreisen dürfen, ist nur ein weiteres Versagen, was hier mit viel Tamtam übertönt werden soll.



    Da wird es sogar helfen, wenn das zuständige Gericht die ministeriale Anordnung in Frage stellt, dann können sich die Konservativen schön als Opfer einer wirklichkeitsfremden Justiz inszenieren.

  • Interessant, wie ein taz-Autor sich hier die Welt zurechtbiegt:



    "über die Machtfülle eines Ministers, der allein und unkontrolliert über das Schicksal einzelner Menschen bestimmen darf"

    "unkontrolliert"?



    Wenn das "unkontrolliert" ist, wieso kann dann die taz darüber berichten, dass nun, nach dem der Minister entschieden hat, der Tennisspieler erneut in Berufung ging und ein Gericht das letzte Wort hat?



    taz.de/Tennisprofi...k-okovic/!5828348/

    Im Gegenteil zu den Behauptungen hier ist der Ablauf der normale Stand jedes zivilisierten Landes: Die Exekutive (hier in Gestalt des Ministers) trifft Entscheidungen, die Judikative kontrolliert diese.

  • "Empörung über ihn ist aber unverhältnismäßig." ?



    Einreiseregeln nicht eingehalten, Einreiseformular falsch ausgefüllt, Hasstiraden seiner Familie gegen Australien und da wundert man sich ob der Reaktion?



    Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.



    Ich finde sein Verhalten erbärmlich und dazu stehe ich auch.

  • Ein PR Desaster von ihm, seinen Beratern und seiner Familie.



    Es könnte Einzug in den Lehrbüchern für angehende Manager, Marketing Experten und Anwälten sein. Mit dem Vorwort "So macht man es nicht".

  • Die Einreisebestimmungen des australischen Innenministeriums waren eigentlich immer ziemlich klar (konnte/kann ja auch jeder nachlesen; auch das Management von Hrn. Djokovic). Weniger transparent für die Öffentlichkeit war - und ist es auch noch jetzt -, was in den Ausnahmegenehmigungen des australischen Tennisverbandes bzw. des Veranstalters denn tatsächlich drinsteht. Spannend auch die Frage, ob der australische Tennisverband bzw. der Turnierveranstalter jemals im Vorfeld mit dem Einwanderungsministerium gesprochen und sich dafür "grünes Licht" geholt hat.



    Die Akte "Djokovic" ist für mich weitestgehend geschlossen, die übergreifende Akte "Ausnahmegenehmigungen zum Turnier" bleibt für mich und die ganze Öffentlichkeit unvollständig kommuniziert und damit komplett offen!

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Zu seiner Verteidigung muss man allerdings anmerken, dass er vielleicht gelogen hat.“ Ganz großes Tennis.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Zu seiner Verteidigung muss man allerdings anmerken, dass er vielleicht gelogen hat.“ Ganz großes Tennis.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Ich glaube, dass für Alex Hawke die Details im Falle Djokovic nur noch insofern entscheidend war, als dass er als Vorsteher der Behörde nicht zulassen kann, dass sich da jeder nach Belieben seine Dokumente und Wahrheiten zusammenschummelt. Natürlich wird da ein Exempel statuiert, aber das Exempel ist halt auch selbst schuld.

    Und wenn das Exempel uneinsichtig ist, wird es halt immer schlimmer...

    • @05989 (Profil gelöscht):

      So ist es -- wie es in den Wald schreit, hallt es zurück ... Und Novak brüllte halt: Ich bin der Größte. ihr könnt mich alle mal. Und jetzt konnte ihn jemand einmal ...