Tennis-Boykott gegen China: Sportliche Solidarität
Der Weltverband der Tennis-Frauen sagt seine Turniere in China ab. Er stellt sich damit hinter die von Peking bedrängte Spielerin Peng Shuai.
S pektakulär ist schon die Entscheidung. Die WTA, die Vereinigung der professionellen Tennisspielerinnen, setzt ihre Turniere 2022 in China aus. Nicht minder spektakulär ist die Begründung für diesen kostspieligen Boykott, der in der internationalen Sportwelt einiges in Rutschen bringen könnte. „Chinas politische Führung hat der WTA keine andere Wahl gelassen“, heißt es in der Erklärung des WTA-Chefs Steve Simon. Die chinesische Seite habe nicht nachweisen können, dass die Tennisspielerin Peng Shuai frei und unbedroht sprechen könne, nachdem sie dem früheren chinesischen Vizepremier Zhang Gaoli über die sozialen Netzwerke vorgeworfen hatte, sie vergewaltigt zu haben.
Was sollen wir mit all dem Geld aus China anfangen, wenn die Grundlagen unseres Sports zerstört werden, zu denen auch der Schutz seiner Akteur:innen vor physischer, psychischer und sexueller Gewalt gehört. Es gibt Grenzüberschreitungen, denen man nicht – wie es das IOC für sich beansprucht – mit „stiller Diplomatie“ begegnen kann, sondern nur mit einem lauten Aufschrei. So liest sich das Statement der WTA.
Das Bekenntnis der WTA zur Alternativlosigkeit seiner Entscheidung bringt das Internationale Olympische Komitee in Bedrängnis. Denn im IOC meint man, nach wie vor wählen und abwägen zu können zwischen dem Wohlergehen seiner Sportler:innen und dem seiner Geschäfte. Im Zweifelsfall wird den Geschäften größeres Gewicht zugemessen. Dass der Hauptsitz des IOC in Lausanne dann wie die Außenstelle eines chinesischen Propagandaministeriums wirkt, ist in die interne Kosten-Nutzen-Abwägung offenbar eingepreist.
So berichtete IOC-Präsident Thomas Bach nach einem Telefonat mit Peng Shuai, ihr gehe es gut und sie wünsche, dass ihre Privatsphäre respektiert werde. Der Eindruck drängt sich auf, Bach habe mehr störungsfreie Olympische Winterspiele und chinesische Verdienstorden im Sinn als den Schutz und die Rechte von Peng Shuai. Die WTA-Erklärung wirft die wichtige Frage auf, ob und wo das IOC noch Grenzen ziehen will im Zusammenspiel mit autoritären Staaten. Gibt es selbst bei augenscheinlichen Menschenrechtsverletzungen stets eine Alternative zum Boykott?
Bislang hielt sich der olympische Dachverband solche Debatten vom Hals, indem er unter anderem die Sphären Sport und Politik künstlich voneinander getrennt abhandelte. Mit Peng Shuai ist nun aber eine Sportlerin von Zensur, Gewalt und Einschüchterung eines autoritären Regimes bedroht. Wenn die stillen Diplomaten vom IOC nicht bald Ergebnisse liefern, wird es immer mehr Aufschreie geben. Gut, dass die WTA einen Anfang gemacht hat.
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