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Tendenz zur Großen KoalitionMerkel muss noch mal wählen

Die CDU braucht einen neuen Partner. Sie tendiert zur SPD. Doch die ziert sich. „Rote Linien“ will die Kanzlerin vorsorglich nicht ziehen.

Zwei Optionen, keine Begeisterung Bild: reuters

BERLIN taz | Am Morgen nach der Bundestagswahl fegt ein kühler Wind durch Berlins Mitte. Im Willy-Brandt-Haus haben sich die Wahlkämpfer versammelt. Es geht um Dank an den Spitzenkandidaten, um Selbstvergewisserung, auch um kritische Rückschau. 25,7 Prozent für die SPD – das ist gerade mal ein Achtungserfolg. Entsprechend müde sehen die Gesichter aus. Dabei ist dieses gepflegte Stehrümchen nur ein kleiner Vorgeschmack auf jene Debatte, die den Sozialdemokraten jetzt bevorsteht: Große Koalition? Ja oder nein?

Die Union hat die absolute Mehrheit knapp verpasst. Sie benötigt weiter einen Bündnispartner. Die FDP ist draußen. Den Christdemokraten bleibt nur die Wahl zwischen SPD und Grünen. Im Wahlkampf war das nette Ungefähre Angela Merkels größter Trumpf. Doch nun sind keine Streuselkuchengeschichten mehr gefragt. Die Union muss ihre nicht verhandelbaren Kernthemen verteidigen und Schmerzgrenzen ziehen. Letztlich geht es darum, möglichst viel Schwarz und möglichst wenig Rot oder Grün in die Koalition hineinzuverhandeln.

CSU-Chef Horst Seehofer verkündete bereits aus Bayern, es gebe in der CSU-Spitze „überhaupt keine Bereitschaft“ für ein Bündnis mit den Grünen. Ihre Prioritäten ließ auch die Kanzlerin am Montag durchschimmern. Nach der Präsidiumsrunde der CDU-Spitze im Konrad-Adenauer-Haus verriet Merkel, sie habe mit SPD-Chef Sigmar Gabriel „einen ersten Kontakt gehabt“. Man wolle aber vor weiteren Gesprächen zunächst den SPD-Konvent am Freitag abwarten.

Die Grünen erwähnte die Kanzlerin mit keinem Wort. Selbst auf die konkrete Nachfrage eines Journalisten nahm Merkel den Namen des zweiten möglichen Koalitionspartners nicht in den Mund. Die SPD sei nun mal die größte Oppositionspartei, sagte Merkel lapidar. Das schließe „weitere Kontakte“ nicht aus.

Verhandlungen ohne inhaltliche Leitlinien

Ähnlich detailreich und informativ ging es weiter. Rote Linien in den bevorstehenden Verhandlungen? Kein Satz dazu von Merkel. „Das hätte keinen Sinn.“ Und ihr Zeitplan? „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.“ Na klar.

Auch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel gab sich am Montag zugeknöpft. Ja, die Kanzlerin habe ihn angerufen, sagte er nach der Vorstandssitzung. Er habe sie gebeten, bis nach dem SPD-Konvent am Freitag zu warten. Nein, die SPD dränge sich nicht auf, zuerst wolle man hören, was die Basis zu sagen hat. Und nein, er werde gewiss nichts zu inhaltlichen Schnittmengen sagen, Merkel müsse schon sagen, „was sie bereit ist zu vereinbaren“.

Große Lust hat bei der SPD kaum jemand auf Schwarz-Rot. Beim letzten derartigen Bündnis schmierten die Sozialdemokraten ab, ihre Merkel-Gefolgschaft bezahlten sie bei der Wahl 2009 mit historisch niedrigen 23 Prozent. Entsprechend entschieden sollen nun diverse Vorstandsmitglieder gegen Schwarz-Rot gewettert haben. Zu gefährlich für die SPD! 2005 hatte Franz Müntefering noch von einer „Koalition auf Augenhöhe“ gesprochen. Aber da trennte Union und SPD 2005 nur ein Prozentpunkt. Heute sind es sagenhafte 16.

Würde sich die SPD also mit Merkel an den Verhandlungstisch setzen, hätte sie gleich mehrere Probleme. Sie müsste ihre Rolle als Oppositionsführerin ausgerechnet an die Linkspartei abtreten. Sie müsste ihren Preis dafür, dass sie nach der Wahl mit der politischen Gegnerin koaliert, hochtreiben. Sie müsste dafür sorgen, dass sie in dieser Koalition inhaltlich nicht untergebuttert wird. Und vor allem wäre sie gezwungen, diesen Schritt ihrer Basis zu verklickern.

Linker SPD-Flügel grummelt

Entsprechend klein ist die Begeisterung im Willy-Brandt-Haus für Schwarz-Rot. Vorstandsmitglied Ralf Stegner sagt der taz: „Wer glaubt, dass man einfach eine Große Koalition machen kann, kennt die Partei schlecht.“ Hilde Mattheis vom Forum Demokratische Linke fordert: „Nichts darf entschieden werden ohne größtmögliche Beteiligung der Partei.“ Und Juso-Chef Sascha Vogt grummelt: „Es gibt auch noch andere Parteien im Bundestag. Wir brauchen endlich mehr Offenheit für Rot-Rot-Grün.“

Am Freitag wird der SPD-Konvent mit 200 Delegierten hinter verschlossenen Türen diskutieren – auch über eine Neuwahl und die Tolerierung einer Unions-Minderheitsregierung. Klar, eine Neuwahl, die Merkel noch mehr stärken könnte, will auch die SPD nicht riskieren. Deshalb würde sie letztlich wohl auf Avancen der Union eingehen. Das Angebot müsste jedoch dermaßen konsistent und verlockend sein, dass die Sozis ihre Würde bewahren, in einer Regierung tatsächlich ihre Themen durchsetzen können.

Schwarz-grüne Avancen aus der zweiten Reihe

Also doch Schwarz-Grün? „Nicht sehr realistisch“, urteilte ein CDU-Vorstand nach der Gremiensitzung, obwohl es „keine absoluten Hindernisse“ gebe. „Keine Option darf mit einem Denkverbot belegt sein“, sagt SPD-Frau Mattheis. Die Avancen in diese Richtung überließ Merkel am Montag aber erst mal der zweiten Reihe in ihrer Partei.

Klar ist: Taktisch wäre die Union schlecht beraten, würde sie diese Option jetzt schon allzu kleinreden. Schließlich kann sie nur in Konkurrenz zu den Grünen die Sozialdemokraten maximal ausspielen. Und so setzten am Montag die ersten CDU-Politiker das Thema – allerdings meist mit Bedenkenträger-Unterton. „Rein rechnerisch“ sei die Große Koalition nicht alternativlos, sagte die rheinland-pfälzische Landeschefin Julia Klöckner, eine der progressiven Stimmen im CDU-Vorstand.

Der nordrhein-westfälische CDU-Politiker Armin Laschet kehrte in Interviews die Probleme dieser Option heraus – obwohl er als einer jener Unionsleute gilt, die eher für Schwarz-Grün zu haben wären. Wenn die Grünen beim Thema Energie sowohl Atomstrom als auch Kohle ablehnten, warnte Laschet, „dann ist das kaum eine Basis“.

Inhaltliche Schnittmengen zwischen CDU und SPD

Gerade in der Energiepolitik liegen SPD und CDU vergleichsweise nah beieinander – so nah, dass bei einer Koalition nicht einmal klar wäre, wer die Rolle des Treibers und wer die des Bremsers übernähme. Wichtigere Verhandlungspunkte wären wohl der Spitzensteuersatz und ein gesetzlicher Mindestlohn.

Womöglich würde die Union in den Verhandlungen bei der Gleichstellung homosexueller Paare nachgeben – schließlich kann sie diese Entwicklung wegen des Bundesverfassungsgerichts ohnehin nur noch bremsen, nicht aber verhindern. Und dann wäre da noch die CSU mit ihren Lieblingsthemen Pkw-Maut und Betreuungsgeld.

Wenn es gut läuft für die SPD, könnte sie der Union 6 von 14 Bundesministerien abhandeln. Das wäre eine ordentliche Bank, um Politik „zu gestalten statt zu verwalten“, wie Peer Steinbrück das im nun beendeten Wahlkampf formuliert hat.

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20 Kommentare

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  • L
    leone

    was für ein pyrrhus sieg ist das doch für merkel! und sie hat panik, daher der schnelle anruf bei gabriel.

    leute, lasst sie doch mal im regen stehen! sie muss dann minderheitsregierung bilden, und wird nichts, aber auch gar nichts mehjr bewegen könen.

    bei neuwahlen wird sie mit sicherheit nicht gewinnen, aber steht dann evtl. mit der rechten afd vor einem imageverlust, also, spd, grüne und linke, eine bessere lage für euch gibts doch kaum noch! macht was draus, es gibt doch vor allem in der spd fähige jüngere leute,denn mit der alten garde ist nix mehr zu holen.

  • W
    Warum?

    Mit der Kraft wird man RotRotGrün in höchstens vier Jahren versuchen. Die Leute werden sich aber NRW genau ansehen und sich fragen, warum sie so bescheuert sein sollten (und ja, gerade das untere Drittel wird sich das fragen).

  • P
    partysanen

    neuwahlen für rot-rot-grün, oder

    ganz große koalition: schwarzrotgrün

    fehlt irgendwie gelb -:)

  • A
    Arne

    Eine Regierung ist eine Exekutive, eine Veraltungseinheit, die einfach überschätzt wird.

    Im neuen Bundestag gibt es Mehrheiten für einen gesetzlichen Mindestlohn, Pflegegeld für Angehörige, für eine Pflichtversicherung für alle bei der Krankenkasse, für einen EU-Beitritt der Türkei und für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Aber auch Mehrheiten gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen, Änderungen bei Hartz IV, den Stop von Kohlekraftwerksneubaten und auch gegen ein allgemeines Tempolimit.

    Diese Mehrheit hat eine Regierun zu vertreten. Wenn Frau Merkel das vertreten kann, soll sie wieder kandidieren, ansonsten muss man den Job des Bundeskanzlers neu ausschreiben.

    Lächerlich, wie sich die gerade gewählten Abgeordneten nicht auf ihre legislative Funktion beschränken wollen, sondern nur nach Pöstchen gieren, um ihre Ziele verraten zu können.

    Was ich fordere, nennt sich im politschen undurchdachten und unlogischen Mainstream wohl "Minderheitenregierung".

  • F
    FaktenStattFiktion

    Eine Neuwahl hätte den üpositiven effekt, der AfD mehr als nur die fehlenden 0,3 Prozent zu bringen.

     

    Dann könnte Merkel zusammen mit einem starken und wirklich kritischen Partner eine stabile Koalition bilden.

     

    Die SPD würde nochmal Stimmen verlieren, aber da es ohnehin schon das zweitschlechteste Ergebnis der Nachkriegsgeschichte war, kommt es darauf auch nicht mehr an. Grüne und die sog. Linkspartei bleiben auf niedrigem Niveau, und die FDP fällt unter die 3-Prozent Marke.

     

    Genaus deshalb wird Gabriel alles tun müssn, um Neuwahlen zu verhindern.

    • @FaktenStattFiktion:

      Klar! Merkel läßt jetzt solange neu wählen bis sie das passende Ergebnis hat. Ob das wirklich klug ist? Was, wenn bei Neuwahlen auch kein anderes Ergebnis herauskommt?

  • M
    Merkel-Kater

    ... eine Minderheits-CDU/CSU-Regierung, um ausgenüchtert zu werden .

    Ausgezeichnet formuliert. D muss vom Merkel-Kater ausgenüchtert werden ...

  • SO
    Sozi - Ologe

    Rot-Rot-Grün ist viel zu labil bei dieser Stärke der CDU.

     

    Hingegen kann eine geistig bewegliche SPD den dick und rund und satt gefressenen christdemokratischen Esel die Serpentinen hochjagen, dass es kracht, und nebenbei die Regierungsübernahme in zwei bis vier Jahren anvisieren, indem sie mit den Linken jetzt schon was abseits der Regierungssache macht.

     

    Es muss nur funzen: die Minister, welche die SPD stellt, müssen charismatisch sein und wichtige Ressorts haben. Und die Fraktion muss voll auf Kampflinie bleiben.

     

    Weder wird der Glanz Merkels ewig anhalten, noch wird die grundsätzliche Konzeptlosigkeit der deutschen Konservativen ewig verborgen bleiben. Und mit dem Bundesrat gibt es einen ganz anderen Hebel, um die SPD in Szene zu setzen, als es bei der letzten grossen Koalition noch der Fall war.

     

    Machen sie es richtig, haben alle was davon, Linke, Grüne und Sozis. Allein, daran zu glauben, dass alle aus vergangenen Fehlern gelernt und jetzt genug Machtbewusstsein haben, um die sich bietende Chance zu ergreifen, fällt nicht ganz leicht. Alles hängt daran, dass die FDP auch in Zukunft so vergessen bleibt, wie sie es sicherlich verdient hat.

    • @Sozi - Ologe:

      Denken Sie sich mal Merkel weg. Würden Sie dann immer noch von "dieser Stärke der CDU" reden?

    • F
      FaktenStattFiktion
      @Sozi - Ologe:

      Wenn die SPD geistig beweglich wäre, sähe das Wahlergebnis anders aus. Die SPD hat nicht umsonst das zweitschlechteste Ergebnis seit 1945 eingefahren.

      Und Merkel steht weiter links, als es Schröder je war.

      • SO
        Sozi - Ologe
        @FaktenStattFiktion:

        Merkel steht für mich nirgendwo, schon gar nicht links. Was sie mit Schröder gemeinsam hat.

         

        Ich glaube, die SPD hätte in diesem Wahlkampf mit kaum jemandem eine Chance gegen Merkel gehabt. Selbst nicht mit Hannelore Kraft. Das wird aber nicht so bleiben müssen.

        • @Sozi - Ologe:

          Und für was steht Hannelore Kraft, ausser für "Currywurst"?

          • SO
            Sozi - Ologe
            @Rainer B.:

            Ich wohne in NRW und könnte jetzt eine lange Reihe Fakten nennen, angefangen beim Einkassieren des unseligen Turboabiturs bis zur finanziellen Besserstellung der notleidenden Kommunen.

            • @Sozi - Ologe:

              Mit verfassungswidrigen Haushalten - müssen Sie auch dazusagen.

  • Auch Kurt Georg Kiesinger als ehemaliges NSDAP-Mitglied und (Mit-) Verantwortlicher für die verheerende Notstands-Gesetzgebung von 1968 hatte bei der Bundestagswahl 1969 mit 46,1 Prozent der Stimmen ein triumphales Ergebnis eingefahren, fand sich aber mit der Koalition von SPD mit Willy Brandt und der FDP unter dem ehemaligen NSDAP-Mitglied Walter Scheel überraschenderweise auf der Oppositionsbank wieder. Doch die demoralisierte gegenwärtige Opposition von SPD und Grünen hat offensichtlich nicht einmal mehr zu dem Versuch eines Putsches die Kraft, in den sie die Linken einbinden müssten, obwohl dies rechnerisch reichen könnte.Vielleicht wäre dies auch der Öffentlichkeit derzeit nicht vermittelbar, denn worauf könnten sie sich inhaltlich einigen?

  • D
    dauermecker

    Dauermecker:

    Spd und Grüne sollten tunlichst darauf verzichten, sich auf eine Koalition mit Merkel einzulassen: die SPD hatte schon 2009 einen beachtlichen Aderlass ERLEBT, die FDP war jetzt dran in einem an Kannibalismus erinnernden, doch nicht vollendeten Spektakel, das mal wirklich nötig war. Doch müssten SPD und Grüne von Masochismus getrieben sein, um sich auf so etwas HINGEBUNGSVOLL einzulassen.

    DANN SOLL DOCH MAL FRAU MERKEL LIEFERN: Vielleicht braucht die Republik mal eine Minderheits-CDU/CSU-Regierung, um ausgenüchtert zu merken, dass die NIX liefern außer leeren Pappen...

  • H
    hmeab

    Rot Rot Grün muss her. Wenn jetzt nicht wann dann

    • R
      Rüttel
      @hmeab:

      Antwort ist ganz einfach: in zwei Jahren, dreien, oder vier. Jetzt ist es zu früh, und es würde einen konservativen Backlash erzeugen, der alles verdirbt.

  • G
    gerstenmeyer

    muss die cdu die roten hofieren?wer sind die dass die so hochnäsig sind-

    ihr kandidat hat noch nie eine wahl gewonnen,nicht mal im eigenen wahlkreis-mir kommt der eher vor wie ein staubsaugervertreter

  • TA
    Tom Ate

    Wenn sich die SPD jetzt gegen den Wähler stellt, sprich mit der CDU den unzumutbaren Tanz vollführt, dann habe ich schwere Bedenken gegenüber der Demokratie in diesem Land. 41,5% wählten die CDU, richtig. Das bedeutet aber auch das 58,5% sich gegen diese Partei ausgesprochen haben. Und damit auch gegen Frau Merkel. Hier fragt man sich doch ganz automatisch : Was sind diese Stimmen eigentlich wert wenn die SPD der Mehrheit in den Rücken fällt ?