Tarifvertrag für Pflegende scheitert: Von wegen Nächstenliebe
Der Caritasverband lehnt einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für die Pflege ab. Damit hilft er, das Image der katholischen Kirche zu zerstören.
E s ist ein weiterer Schlag für das Image der katholischen Kirche, die schon als heimeliger Hort von Missbrauchern und als knallharte Blockiererin einer humanen Sterbehilfe dasteht, um nur einiges an selbstverursachter Rufschädigung zu nennen. Jetzt verhindert die katholische Caritas auch noch die Einführung eines allgemeinverbindlichen Branchentarifvertrags für die Pflege.
Das ist Egoismus pur, denn nur 170.000 Beschäftigte in der Altenpflege arbeiten für Caritas-Einrichtungen, in der gesamten Branche sind aber 1,2 Millionen Menschen, vor allem Frauen, tätig. Ihnen, von denen viele in privaten Heimen ohne jeden Tarifvertrag alte Menschen pflegen, wird durch die Verweigerung der Caritas eine bessere Entlohnung verwehrt.
Die Blockade ist ein schlechter Witz, denn die Caritas-Einrichtungen selbst zahlen ihren Pflegekräften vergleichsweise gute Löhne. Warum also diese Verweigerung? Es ist die Arbeitgeberseite in der arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas, die sich einem allgemeinverbindlichen Branchentarifvertrag verschließt, den Verdi und der Arbeitgeberverband BVAP ausgehandelt hatten.
Die Zustimmungen von Caritas und Diakonie sind erforderlich, um die Allgemeinverbindlichkeit in der gesamten Branche festzulegen. Von der Arbeitgeberseite der Caritas heißt es, man sehe durch eine Zustimmung den sogenannten Dritten Weg der Kirchen in Gefahr: Die Kirchen vereinbaren ihre Löhne in eigenen Kommissionen, es gibt kein Streikrecht.
Alter, selbstgerechter Sound
Mit einem allgemeinverbindlichen Branchentarifvertrag könnte die Caritas nach wie vor ihre eigenen Löhne festlegen, nur niedriger als der Branchentarifvertrag dürften sie dann eben nicht mehr sein. Die Einstiegstarife für Hilfskräfte etwa, die im Verdi-Vertrag relativ hoch sind, könnten die Caritas-Tarife für AlltagsbegleiterInnen künftig unter Druck setzen. Probleme in der Lohnfindung von einigen tausend Caritas-Hilfskräften dürfen aber kein Grund sein, ein allgemeinverbindliches Regelwerk für über eine Million Beschäftigte zu torpedieren.
Aus der Argumentation spricht wieder dieser alte, selbstgerechte Sound, diese Hermetik der katholischen Kirche, die zwar ein Mitspracherecht in gesellschaftlichen Fragen fordert, sich selbst aber nicht schert um die Gesellschaft drumherum.
Spannend dürfte die Entscheidung der evangelischen Diakonie sein, die am Freitag kommen sollte. Das Ergebnis war bis Redaktionsschluss noch offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!