Internationaler Tag der Pflege: Den „Pflexit“ abwenden

Die Bedingungen in der Pflege sind übel, viele Beschäftigte könnten nach der Pandemie aufgeben. Zum Tag der Pflege fordern sie eindringlich bessere Arbeitsverhältnisse.

Eine Demonstrantin und ein Demonstrant mit einem Krankenhausbett

Die Aktion „Der Pflege geht die Luft aus“ am Internationalen Tag der Pflege am Mittwoch in Berlin Foto: Fabian Sommer/dpa

Münster dpa/lnw | Zum Internationalen Tag der Pflege haben Ex­per­t:in­nen auf teils drastische Arbeitsbedingungen hingewiesen und zu „fundamentalen“ Verbesserungen aufgerufen. Die berufliche Pflege sei über viele Jahre hinweg „herabgewirtschaftet“ worden, es werde eine Generation brauchen, um sie wieder attraktiv zu machen, sagte Sandra Postel von der Pflegekammer NRW am Mittwoch in Münster. Viele Pflegekräfte könnten oder wollten angesichts fehlender Anerkennung, unzureichender Bezahlung, Personalmangels und Überlastung nicht mehr und kehrten dem Beruf den Rücken. „Das ist einfach bitter.“ Applaus reiche nicht aus.

„Es muss Tiefbau stattfinden“, verlangte Postel, die Vorsitzende im Errichtungsausschuss der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen ist. Um einen „Pflexit“ nach der Pandemie zu verhindern, müssen die Rahmenbedingungen nach Ansicht des Gremiums schnell und deutlich besser werden.

Bran­chen­ver­tre­te­r:in­nen haben auch mit einer Protestaktion vor dem Bundestag auf Missstände im Pflegebereich aufmerksam gemacht. Unter dem Motto „Wenn, dann jetzt: #Pflegerebellion“ beteiligten sich rund 50 Pflegerinnen und Pfleger an einer Demonstration und einem anschließenden Sleep-In in der Nähe des Reichstagsgebäudes. Zu dem Protest aufgerufen hatte unter anderem die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen.

Extreme Bedingungen

Die Demonstrantinnen und Demonstranten wandten sich „gegen die unhaltbaren Zustände im Gesundheitsbereich“. Bei einem Sleep-In in mehreren Klinikbetten ruhten sich Pflegerinnen und Pfleger symbolisch für diejenigen aus, „die kaum Zeit haben zur Ruhe zu kommen“, wie es hieß. Schon viel zu lange arbeite das Pflegepersonal in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen unter extremen Bedingungen. Ein Großteil davon seien Frauen.

Der katholische Sozialverband KAB mahnte, auch die Leistungen der pflegenden Angehörigen anzuerkennen. Rund 75 Prozent der Pflegebedürftigen würden daheim von Familienangehörigen und ambulanten Pflegediensten versorgt. Zudem arbeiteten osteuropäische Hilfen hier oft in einer Grauzone. Die Politik müsse rechtliche Rahmenbedingungen eröffnen, um Pflegehilfskräfte vor Dumpinglöhnen zu schützen. Der KAB-Vorsitzende Andreas Luttmer-Bensmann stellte für die Pflegenden klar: „Das Klatschen im letzten Jahr ist noch keine Solidarität.“

Im Ringen der Koalition um bessere Bezahlung in der Altenpflege hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Mittwoch eine gesetzliche Verbesserung vor der Sommerpause in Aussicht gestellt. Er sei „sehr zuversichtlich“, dass es noch vor dem Sommer einen Kompromiss gebe, der tariflichen oder tarifähnlichen Lohn sicherstelle, sagte Spahn am Mittwoch in Berlin.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte zuvor der Rheinischen Post gesagt: „Wenn das Gesetz ist, werden die Löhne in der Pflege damit vielerorts deutlich verbessert.“ Die Koalition war sich bei dem Thema zuletzt öffentlich uneins: Die SPD forderte Spahn zum Handeln auf; Spahn entgegnete, eine bessere Bezahlung dürfe aber nicht auf Kosten der Pflegebedürftigen gehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.