Tag der Befreiung: Man trifft sich in Berlin

Kriegsgegner und Putinisten treffen am Sonntag und Montag in Berlin aufeinander. Zentrale Anlaufstelle sind die sowjetischen Ehrenmäler der Stadt.

Eine Frau schwenkt eine russische Fahne

Prorussische Fahnenschwenkerin am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow am 3. April Foto: Florian Boillot

BERLIN taz | Eine Gedenkveranstaltung der Berliner Landesregierung für das Ende des Zweiten Weltkrieges wird es in diesem Jahr nicht geben. Auch keine öffentliche Kranzniederlegung. Die Senatsmitglieder werden vielmehr „still und nichtöffentlich“ des Kriegsendes gedenken, sagt Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) der dpa. „Die Lage ist sehr bedrückend, und dem muss ein solches Gedenken auch gerecht werden.“ Sie will eine Provokation vermeiden, „die missverstanden werden könnte“.

Auch die Berliner Linke, die sich vor zwei Jahren noch dafür starkgemacht hat, den 8. Mai zu einem Feiertag zu erklären, will in diesem Jahr „still gedenken, erinnern und mahnen“. „Wir werden uns an allen Veranstaltungen, die den Krieg Russlands gegen die Ukraine legitimieren wollen, nicht beteiligen.“

Aber auch ohne die offizielle Politik werden am 8. und 9. Mai zahlreiche Veranstaltungen mit Bezug zum Tag der Befreiung 1945 sowie zum Ukrainekrieg stattfinden. Laut Polizei gibt es 51 Anmeldungen, viele darunter von russischen Initiativen und Einzelpersonen. Am Sonntag und Montag werden exilrussische Gruppen das Ehrenmal im Tiergarten ganztägig mit Musik, Videoinstallationen und Kundgebungsbeiträgen bespielen. Am Sonntagmittag will dort die Botschaft der Ukraine Kränze niederlegen. Unter dem Motto „Nein zum Krieg in der Ukraine“ führt am Sonntag eine Demonstration vom Brandenburger Tor aus durch das Regierungsviertel.

Am 9. Mai, der in Russland als Tag des Sieges begangen wird, soll die angebliche „Entnazifizierung“ der Ukraine in eine Reihe mit dem Sieg über den deutschen Faschismus 1945 gestellt werden. Vom Roten Platz in Moskau abgesehen eignen sich dafür die Sowjetischen Ehrenmale in Berlin am besten. Von hier sollen Bilder nach Moskau gesendet werden, die von russischem Heldentum erzählen – oder auch von der Unterdrückung russischsprachiger Menschen in Berlin.

Für die Mittagsstunden ist im Tiergarten ein „Rotarmisten-Gedächtnis-Aufzug zum Gedenken an die gefallenen sowjetischen Soldaten während des Zweiten Weltkriegs“ mit 1.300 Teilnehmern angemeldet. Im russischsprachigen Internet wird er beworben als Veranstaltung des „unsterblichen Regiments“. Das ist eine NGO, die sich einmal gründete, um der gefallenen Rotarmisten zu gedenken, die aber seit 2015 von Putin massiv politisch vereinnahmt wird und bereits in den Vorjahren an den Ehrenmalen russische Fahnen schwang.

Es gibt an zahlreichen Orten Berlins ein generelles Flaggenverbot, selbst das Zeigen der ukrainischen Flagge bei Solidaritätsveranstaltungen für die Ukraine ist untersagt.

Die Putinisten haben sich auch in Telegram-Gruppen verabredet, um ohne Anmeldung Blumen und Kränze niederzulegen. Bereits ab 9.30 Uhr haben sich Putins Berliner Vasallen mit einem Autocorso am Ehrenmal am Treptower Park verabredet. Um 11 Uhr soll es dann im Tiergarten weitergehen. Ab 14 Uhr folgen Putins Anhänger aus anderen deutschen Städten, die mit Autocorsos oder als Bikerformationen in die Hauptstadt fahren.

Die Verabredung in der Bikergruppe Bratskaja Motopomoschtsch (brüderliche Bikerhilfe) erinnert dabei in ihrer Ästhetik und ihrem Regelwerk fatal an die Nachtwölfe, den nationalistischen russischen Rockerclub. Es scheint auch personelle Überschneidungen zu geben.

Niklas Schrader, Mitglied der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, weiß von dem Gerücht, dass auch die Nachtwölfe nach Berlin kommen, die Innenbehörde halte sich aber bedeckt. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sprach von einer „sehr sensiblen Gefährdungslage“. Auf einer Senatssitzung sagte sie: „Jede Darstellung oder Billigung des russischen Angriffskriegs wird unterbunden und strafrechtlich verfolgt werden.“

Etwaige Kriegspropaganda sowie gewalttätige Auseinandersetzungen will die Berliner Polizei mit harten Auflagen verhindern. Die Auflagenliste war zu Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Durchgesickert ist: Es gibt an zahlreichen Orten Berlins ein generelles Flaggenverbot, selbst das Zeigen der ukrainischen Flagge bei Solidaritätsveranstaltungen für die Ukraine ist untersagt.

Gut bewacht: das sowjetische Ehrenmal in Treptow Mitte April Foto: Paul Zinken/dpa

Verboten seien weiterhin das Zeigen von Uniformen, Uniformteilen und militärischen Abzeichen mit einer Ausnahme für Weltkriegsveteranen. Das beträfe auch das Georgsband, eine militärische Auszeichnung aus dem Zarenreich, an dem sich Putinanhänger untereinander erkennen. Auch Karten, in denen die sogenannten Volksrepubliken als nicht zur Ukraine gehörig gezeigt werden, sind untersagt. Autocorsos soll das Hupen verboten werden, Marschmusik darf nicht gespielt werden.

Im April hatte das Berliner Verwaltungsgericht Einschränkungen für einen prorussische Autocorso für zulässig erklärt. Ein Meer russischer Fahnen und Symbole könne als Unterstützung des russischen Kriegs in der Ukraine wahrgenommen werden und den inneren Frieden gefährden, schrieben die Richter. Dass nunmehr generell Fahnen verboten werden sollen, hat vermutlich den Zweck, die Verordnung gerichtsfest zu machen.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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