„Syndikat“-Betreiber klagt: Linker Kneipier zieht vors Bundesverfassungsgericht
Karlsruhe soll klären, ob der Verfassungsschutz Gastronomen verpetzen darf. Die Klage kommt vom Betreiber der legendären Kneipe „Syndikat“ in Berlin.

Das Syndikat ist eine legendäre Kiezkneipe, die seit rund 40 Jahren zur linken Szene Neuköllns gehört. 2020 wurde sie mit einem großen Polizeieinsatz geräumt, nachdem der Mietvertrag ausgelaufen war. 2023 machte das Syndikat unter alter Losung („Kein Gott, kein Staat, nur das Syndikat“) an anderer Stelle wieder auf.
Der Mitbetreiber weiß, dass sich auch der Verfassungsschutz für seine gastronomischen Aktivitäten interessiert. Im Verfassungsschutzbericht wird das Syndikat als „Freiraum“ der linksextremen autonomen Szene bezeichnet. Bei den Auseinandersetzungen um die Räumung habe das Kneipenkollektiv mit Linksextremisten kooperiert.
Droht ein Entzug der Kneipenerlaubnis?
Das prädestiniert den Kneipier in den Augen der GFF-Bürgerrechtler als Kläger gegen eine Neuregelung der Übermittlungsbefugnisse im Bundesverfassungsschutzgesetz von Ende 2023. Eigentlich wurden dabei zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, nur an einem Punkt greift die GFF die Änderungen an, weil sie zu unklar, zu unbestimmt und unverhältnismäßig seien.
Konkret geht es um die Befugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz, Daten ohne Anforderung an Behörden weiterzugeben, die „Eignungs- und Zuverlässigkeitsprüfungen“ durchführen. Beispielhaft wird im Gesetz auf Prüfungen nach dem Waffenrecht, dem Sprengstoffrecht und dem Atomrecht verwiesen.
Vom Gaststättenrecht ist zwar nicht die Rede, aber da die Aufzählung nur beispielhaft ist, sei das Gaststättenrecht wohl mitgemeint, mutmaßt die GFF. Der linke Kneipier müsse nun befürchten, dass der Verfassungsschutz gezielt Informationen weitergibt, die seine gaststättenrechtliche „Zuverlässigkeit“ in Zweifel ziehen und zu einem Widerruf seiner Kneipenerlaubnis führen könnten.
Misstrauisch machte ihn die Broschüre des Bundesinnenministeriums „Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen“ von 2024. Darin heißt es: „Extremistische Akteure und Agitationen müssen überall im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten in die Schranken gewiesen werden.“
Und weiter: „Jedwede Rechtsverstöße müssen wirksam verfolgt und geahndet werden, um das klare Signal zu setzen, dass die wehrhafte Demokratie auch einen starken Staat beinhaltet.“ Seither hat er Angst, dass der Verfassungsschutz auch bei Linken irgendwelche Anlässe sucht, um ihre berufliche Grundlage zu zerstören.
Die GFF hat nichts dagegen, dass der Verfassungsschutz Informationen weitergibt, wenn es um gefährliche Tätigkeiten mit Waffen, Sprengstoff oder an Atomkraftwerken geht. Das Bundesverfassungsgericht soll nun aber dafür sorgen, dass nicht jede Eignungs- und Zuverlässigkeitsprüfung vom Verfassungsschutz für Maßnahmen der „wehrhaften Demokratie“ genutzt werden kann.
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