Sturm auf Kongress in Brasilien: Angriff mit Ansage
Der Sturm auf den Kongress in Brasília war gut vorbereitet. Doch der Bolsonaro-Mob ist mit dem Putschversuch gescheitert – dank wehrhafter Demokratie.
D er Schock sitzt tief in Brasilien. Anhänger*innen von Ex-Präsident Jair Messias Bolsonaro sorgten am Sonntag für stundenlanges Chaos in der Hauptstadt Brasília. Ein Mob von hunderten Fanatiker*innen stürmte den Kongress, zog marodierend durch das Regierungsviertel, hinterließ eine Spur der Zerstörung. Man muss die Ereignisse als das bezeichnen, was sie gewesen sind: ein Putschversuch.
Hätte man das voraussehen können? Ja, denn es war ein Angriff mit Ansage. Seit Wochen riefen Bolsonarist*innen zum Sturm auf Brasília auf, verkündeten on- und offline, Widerstand gegen die neue Regierung zu leisten. Sie waren gut vorbereitet, hatten Codewörter und – wie es aussieht – auch die Unterstützung von Teilen der Sicherheitskräfte. Außerdem: Sie konnten von anderen Ereignissen lernen.
Der Sturm aufs Kapitol vor zwei Jahren in den USA diente ihnen als Blaupause. Das zeigt, wie gut die globalen Rechten vernetzt sind. Dass sie voneinander lernen, gemeinsame Ziele verfolgen. Das sollte eine Warnung für die ganze Welt sein. Die gestrigen Ereignisse haben auch gezeigt: Ein Teil der brasilianischen Bevölkerung driftet immer weiter in rechtsextreme Parallelwelten ab. Der Mythos der „geklauten Wahl“ bringt ganz unterschiedliche Menschen zusammen, es droht eine weitere Radikalisierung.
Nun wäre es leicht, die Bewegung als durchgeknallte Sekte abzutun. Doch der Bolsonarismus hat durchaus Rückhalt in der Bevölkerung und auch einen politischen Unterbau. Etliche Politiker*innen nähren Zweifel an den Wahlergebnissen und machen sich damit mitschuldig. Und Bolsonaro selbst? Zwar kritisierte der Ex-Präsident die Attacken, aber er war es, der überhaupt erst die Bedingungen für die Gewalt schuf.
Fast schon logisch
Bolsonaro, ein notorischer Antidemokrat und Bewunderer von Militärdiktaturen, attackierte während seiner Amtszeiten wieder und wieder die demokratischen Institutionen, er beschimpfte Journalist*innen und ließ sich auf ultrarechten Putschprotesten feiern. Dass ein Teil seiner Entourage nun den Aufstand wagte, ist in Anbetracht der letzten vier Jahre seiner Amtszeit fast schon logisch. Doch es gibt auch eine gute Seite des gestrigen Tages: Die Eindringlinge konnten sich nicht durchsetzen.
Brasiliens Demokratie erwies sich als wehrhaft. Zwar ließen viele Sicherheitskräfte den Bolsonaro-Mob passieren, doch der Putschversuch scheiterte. Die Stimmung im Land: Diese Angriffe gehören verurteilt. Jetzt müssen die Angreifer*innen gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden. Wenn man eine Wiederholung der Gewaltakte verhindern will, darf es keinen Zweifel daran geben, dass in der brasilianischen Gesellschaft kein Platz für Verschwörungstheorien und Putschgebaren ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Die Wahrheit
Der erste Schnee