Studie zum Meeresspiegelanstieg: „Ein halber Meter entscheidet“
Neue Daten legen nahe, dass der steigende Meeresspiegel mehr Menschen bedroht. Gefahr droht aber weniger in Norddeutschland als in Asien.
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taz: Herr Latif, gerade hat eine neue Studie für Aufsehen gesorgt. Darin heißt es, dass weitaus mehr Menschen vom Meeresspiegelanstieg betroffen sein werden, als bisher angenommen. Warum ist das so?
Mojib Latif: Beim Meeresspiegel haben die Wissenschaftler die Prognose gar nicht geändert. Sie haben aber die Informationen über das Land an der Küste verbessert. Bisher wurde mit Satellitendaten gearbeitet, die recht ungenau waren. Die konnten oft nicht unterscheiden, ob da freies Gelände ist oder Bäume oder Häuser stehen. Da gibt es leicht Unsicherheiten von ein paar Metern. Auf Basis eines neuen Höhenmodells wurde jetzt berechnet, dass in diesem Jahrhundert etwa dreimal so viele Menschen vom Meeresspiegelanstieg betroffen sein könnten wie bisher angenommen.
Teilweise war zu lesen, dass weite Teile Norddeutschlands schon 2050 unter Wasser stehen. Ist das ein realistisches Szenario?
Nein. Denn die Studie berücksichtigt nur das natürliche Terrain, keinen Schutz wie Deiche. Real werden in Deutschland darum weniger Menschen betroffen sein, weil man hier schon Küstenschutz betreibt und das auch in Zukunft tun wird. Das Risiko für temporäre Überflutungen steigt zwar auch hier, aber viel größer ist das Problem in ärmeren Ländern.
Wie ist die Situation dort?
Viele Länder in Asien oder Afrika haben, anders als die Industrieländer, oft nicht die Mittel, sich anzupassen. Da ist die Verletzlichkeit der Bevölkerung größer, da entscheidet ein halber Meter mehr oder weniger dann tatsächlich über Sein oder Nicht-Sein.
Was folgt daraus?
Es ist eine große Ungerechtigkeit, dass die Länder, die am wenigsten Treibhausgase ausgestoßen haben, am meisten unter dem Klimawandel leiden. Es gibt zwar den Beschluss, einen Klimafonds einzurichten, mit dem die Industriestaaten die ärmeren Länder bei der Anpassung unterstützen, aber am Ende des Tages ist da viel zu wenig Geld drin. Dabei ist die Lage wirklich dramatisch.
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