Studie zu Rassismus in der Polizei: Andere Studie, trotz Bedarf
Innenminister Seehofer vergibt bald den Auftrag für eine Polizeistudie – ohne Rassismus. Aktuelle Zahlen zeigen hingegen Forschungsbedarf.
Nach den tödlichen Fällen rassistischer Polizeigewalt in den USA und dem Bekanntwerden rechtsextremistischer Chatgruppen bei der deutschen Polizei wurde im Sommer die Forderung laut, Rassismus bei der Polizei wissenschaftlich zu untersuchen. Innenminister Horst Seehofer (CSU) lehnte dies zunächst ab, stimmte auf Druck der SPD Ende Oktober aber einem Kompromiss zu. Untersucht werden solle der Alltagsrassismus in der Gesellschaft und „zudem“ der Polizeialltag.
Inzwischen ist klar, dass es zumindest zwei getrennte Studien geben wird. Die erste breit angelegte Untersuchung soll sich mit „rassistischen Einstellungen als Problem für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ beschäftigen. Daneben soll es eine zweite Studie zur Polizei geben. Dort wird es um „Motivation und Alltag“ von PolizistInnen gehen, sowie um „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte“, so das Innenministerium auf Anfrage der taz.
Die Arbeit an der Polizei-Studie soll schon Anfang 2021 beginnen und cirka drei Jahre bis 2024 dauern. Den Auftrag wird bald das Bundesinnenministerium vergeben, das derzeit einen bereits vorliegenden Projektantrag prüft. Eine öffentliche Ausschreibung der Studie ist nicht geplant.
Studie soll bis 2024 durchgeführt werden
Weiter ist bereits der Bochumer Rechtsprofessor Tobias Singelnstein. Er forscht über rechtswidrige Polizeigewalt und die Schwierigkeit, sie zu sanktionieren. Wegen des großen öffentlichen Interesses hat er seine Datenbasis nun auch mit Blick auf das Thema „Rassismus bei der Polizei“ ausgewertet. Die Ergebnisse stellte er an diesem Mittwoch bei einer Online-Veranstaltung des Mediendienstes Integration vor.
Singelnstein wertete über 3.000 Online-Fragebögen aus. Die anonym bleibenden Personen gaben jeweils an, sie seien Opfer von Polizeigewalt geworden, die nach ihrer persönlichen Einschätzung illegal war.
Diesen Fragebogen füllten auch 146 Persons of Color aus. Knapp die Hälfte von ihnen vermutet, dass die erlittene Polizeigewalt etwas mit ihrer ethnischen Zugehörigkeit zu tun habe. „Je öfter die Betroffenen bereits solche Erfahrungen mit der Polizei gemacht hatten“, erläuterte Singelnstein, „desto eher empfanden sie das Verhalten als diskriminierend“.
Der Kriminologe räumte ein, dass die Daten nicht repräsentiv sind. Die Ergebnisse bestätigen aber, so Singelnstein, „was wir aus zahllosen Betroffenen-Berichten schon wissen“. Weitergehende Forschung sei nun dringend erforderlich. Eine konkrete Studie zur polizeilichen Praxis kündigte bei der Veranstaltung die Soziologin Astrid Jacobsen von der Polizeiakademie Niedersachsen an.
Polizei oft unsensibel, Betroffene mit „feinen Antennen“
Am eindrücklichsten wirkte jedoch der Düsseldorfer Wirtschaftsanwalt Blaise Francis El Mourabit, der als PoC selbst oft von anlasslosen Polizeikontrollen betroffen ist und in seiner Freizeit Rassismusopfer berät.
„Am schlimmsten ist, dass die Polizei nicht einfach nur kontrolliert, sondern sich dabei auch respektlos verhält“, so der Anwalt. „Wenn ich meinen Business-Anzug nicht anhabe, werde ich einfach geduzt“. Mit der Aufforderung, er solle „die Drogen gleich rausrücken“, wurden ihm bereits willkürlich Straftaten unterstellt.
Die Polizisten hätten meist keinerlei Empathie für die schwierige Situation, so Anwalt El Mourabit. „Auf kritische Nachfragen reagieren die Polizisten meist pampig“, es werde mit Strafanzeigen wegen Beleidigung gedroht, falls ein Rassismus-Vorwurf erhoben wird.
Für den Kriminologen Singelnstein wird daran deutlich, wie schwierig die Verständigung über solche Konstellationen ist. Während PolizeibeamtInnen sich meist unbewusst unsensibel verhalten, hätten die Betroffenen „feine Antennen“ für die Ungleichbehandlung.
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