Studie vergleicht NS- und AfD-Hochburgen: Alte Nazis, neu verpackt?
Wo früher die NSDAP gewählt wurde, wird heute die AfD gewählt, haben Forscher errechnet. Solche Studien sind wichtig – und politisch gefährlich.
In der deutschen Vorliebe für rechtsextreme Parteien gibt es Kontinuitäten von der NSDAP zur AfD – was AfD-Kritiker oft und gerne betonen, wollen drei Münchner Wissenschaftler nun auch im historischen Vergleich im Lokalen belegt haben. Ihre Studie ist umfangreich und gewissenhaft gemacht, und doch hat sie eine Schwäche und birgt zudem eine Gefahr. Aber was kann an einer Untersuchung nicht stimmen, die naheliegende Verbindungen zwischen zwei völkischen Parteien aufzeigt?
Davide Cantoni, Felix Hagemeister und Mark Westcott haben Wahlergebnisse der NSDAP und der AfD bei nationalen Wahlen abgeglichen. Ihr Ergebnis: In Gemeinden, die zwischen 1928 und 1933 Hochburgen der Nazis waren, lagen 2017 die Stimmanteile für die AfD signifikant höher. Das wird aus diversen bunten Karten nicht immer ganz ersichtlich, ist aber mathematisch signifikant. Erklärungsansatz der Wirtschaftshistoriker ist die Weitergabe politischer Überzeugungen durch die Generationen. Die sei mindestens genauso wichtig wie jene ominösen, in strukturschwachen Regionen verbreiteten Abstiegsängste, die der AfD angeblich das Wahlvolk in die Arme treiben.
Das klingt zunächst einmal einleuchtend. Allerdings stellen die Forscher durch ihre Überlegungen eine sehr direkte Kontinuität von NSDAP- und AfD-Anhängerschaft her. Das ist aus zwei Gründen problematisch. Erstens: Die Studie vernachlässigt, dass zeitlicher und lokaler Faktor – Generationeneffekte und Abstiegsängste – auch kombiniert wirken dürften. Wo heute die Infrastruktur fehlt, fehlte sie oft auch schon 1930. Vielleicht sind es kontinuierlich schlechte Rahmenbedingungen, die rechte Denkstrukturen befördern.
Zweitens: Zu viele Parallelen zwischen NSDAP und AfD zu ziehen, ist für die Mission „AfD eindämmen“ ein Bärendienst – was strenggenommen natürlich die Sorge der Wissenschaftler nicht sein muss. Trotzdem: Ein Vergleich mit der NSDAP macht die Partei größer und wichtiger als sie ist und gerne wäre. Ja, bei der AfD denken sie völkisch. Sie hetzen gegen das Fremde, und ihre Ziele stehen demokratischen Prinzipien diametral entgegen. Die Partei mag sogar in Zukunft noch viel weiter nach rechts außen wandern. Aber sie ist derzeit, glücklicherweise, keine zweite NSDAP. So sehr sich manches Mitglied auch darum bemühen mag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren