piwik no script img

Stromausfall in Spanien und PortugalRatlosigkeit nach Blackout

Die spanische Regierung will alle möglichen Ursachen untersuchen. Ein Cyberangriff ist als Grund umstritten. Doch es gibt noch andere Hypothesen.

Auf 0,1 Prozent des Bruttoinlandproduktes, also rund 1,6 Milliarden Euro, schätzt der Arbeitgeberverband den wirtschaftlichen Schaden allein in Spanien Foto: Jan-Uwe Ronneburger/dpa

Autos irrten ohne Ampeln über Straßen, Reisende übernachteten in Bahnhöfen, weil Fernzüge ausfielen, die Feuerwehr musste anrücken, um Menschen aus steckengebliebenen Auszügen zu befreien.

Das waren nur einige Effekte des Stromausfalls auf der Iberischen Halbinsel von Montag. „Um 12.33 Uhr fielen innerhalb von nur fünf Sekunden plötzlich 15 Gigawatt im spanischen Stromnetz aus“, erklärte Ministerpräsident Pedro Sánchez (Sozialistische Arbeiterpartei) nach der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates am späten Montagabend. 15 Gigawatt sind 60 Prozent des Bedarfs zu diesem Zeitpunkt. Das entspricht der Leistung von 15 Atomkraftwerken.

Am Dienstagmittag kündigte Sánchez eine Arbeitsgruppe an, um zu analysieren, was in diesen fünf Sekunden passierte, und zu klären, was geändert werden muss. „Alle möglichen Ursachen werden untersucht, ohne eine Hypothese auszuschließen“, so Sánchez. Die Regierung werde die Unternehmen in die Verantwortung nehmen, versprach der linke Regierungschef. „So etwas darf nie wieder geschehen.“

Nachts war der Strom zurück

Da war der Strom längst zurück. Der spanische Netzbetreiber REE hatte es bis Mitternacht geschafft, über 50 Prozent des Systems wieder hochzufahren und die beiden Großstädte Barcelona und Madrid wieder mit Strom zu versorgen. In der Nacht waren dann 99 Prozent der Verbraucher im restlichen Land wieder am Netz.

Auf 0,1 Prozent des Bruttoinlandproduktes, also rund 1,6 Milliarden Euro, schätzt der Arbeitgeberverband den wirtschaftlichen Schaden allein in Spanien. In Portugal waren es schätzungsweise 0,3 Milliarden Euro. Auch dort war die Stromversorgung am Dienstagmorgen weitgehend wiederhergestellt.

Am Tag danach fuhren in Spanien nur etwa die Hälfte der Züge. In Madrid bediente die U-Bahn zwar alle Linien, aber mit Abständen zwischen den Zügen, die doppelt so groß waren wie normal. Lissabon meldete Normalverkehr bei U- und Straßenbahnen.

Ein System hat durchaus die Fähigkeit, Ausfälle zu ersetzten. „Aber wenn das so schnell geht und so viel Kapazität wegbricht, dann übertrifft das die üblichen Grenzen“, erklärt Álvaro de la Puente Gil, Professor für Elektrotechnik an der Universität León. Das System schützt sich selbst, indem es im Inneren einzelne Gebiete abschaltet und automatisch vom Rest des europäischen Netzes trennt. „Es handelt sich um eine Selbstschutzmaßnahme, die paradoxerweise eine vollständige Abschaltung mit sich bringt“, fügt der Professor hinzu.

Ein Cyberangriff wird verneint

Einige Politiker, allen voran der Chef der Regionalregierung im südspanischen Andalusien, Juanma Moreno von der konservativen Volkspartei, sprachen schon kurz nach dem Blackout von einem Cyberangriff. Belastbare Indizien dafür gibt es keine. Das unterstrichen Regierungskreise ebenso wie die Vizepräsidenten der EU-Kommission und die einstige spanische Umweltministerin, Teresa Ribera. Auch der aus Portugal stammende Vorsitzende des Europarates und ehemalige Premier, António Costa, erklärte, dass „es zu diesem Zeitpunkt“ keine Hinweise auf einen Angriff auf die Computer hinter der Stromversorgung gäbe.

Der Netzbetreiber REE schloss am Dienstag eine Cyberattacke ganz klar aus, obschon die Ermittlungen noch nicht beendet seien. Es könne Monate dauern, bis klar sei, wie 15 Gigawatt so einfach aus dem System verschwinden.

Einige Spezialisten suchten den Grund in der Anbindung Spaniens an Frankreich. Doch diese Stromtrassen haben gerade einmal 2,7 Gigawatt Kapazität, weit von den 15 Gigawatt, die wegbrachen, entfernt. Derzeit werden die Kabel von der Iberischen Halbinsel nach Frankreich und damit der übrigen EU auf 8 Gigawatt ausgebaut. Spanien ist bis zur Fertigstellung weiterhin weitgehend eine Energieinsel, und Portugal, das nur per Spanien an das europäische Netz angeschlossen ist, eine Insel auf der Insel.

War es ein Wetterphänomen?

Den ganzen Montag über war davon die Rede, dass Portugal ein „seltenes meteorologisches und atmosphärische Phänomen über Spanien“ für den Zusammenbruch der Stromversorgung verantwortlich machte. So vermeldete es die Nachrichtenagentur Reuters. Am Dienstag hieß es dann, diese Aussage habe es so nie gegeben, nachdem das spanische Wetteramt dieser Nachricht widersprochen hatte.

Diese Vermutung hielt sich nicht zuletzt deshalb so lange, weil zum Zeitpunkt des Blackouts 85 Prozent der Nachfrage in Spanien mit Wind- und Solarenergie gedeckt wurde. Die erneuerbaren Energien in ein weitgehend isoliertes System einzubinden und dieses stabil zu betreiben, ist eine große Herausforderung.

Lange galt ein Strommix mit einem sehr hohen Anteil an Erneuerbaren als „nicht planbar“. Bei REE haben sie in den letzten beiden Jahrzehnten – mit viel Technik und einem teuren Ausbau der Infrastruktur – das Gegenteil bewiesen und genießen dafür weltweit einen Ruf als Spezialisten in Sachen Management erneuerbarer Energien. Und jetzt der Blackout.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
  • Die wahrscheinlichste Ursache des Blackouts ist die Destabilisierung des Stromnetzes durch den hohen Anteil an Wind- und Sonnenenergie, s. hier: www.zdf.de/nachric...stromnetz-100.html

  • Elektrische Stromnetze sind die größten und am weitest rechenden Systeme, die Menschen je geschaffen haben. Viele Komponenten und zahlreiche Parteien, wie miteinander agieren, sind beteiligt. Da ist es nachvollziehbar, dass eine Fehlersuche mit umfangreicher Analyse nicht immer innerhalb von Stunden oder gar Minuten abgeschlossen werden kann.



    In der Vergangenheit haben nach Großstörungen die Europäischen Übertragungsnetzbetreiber die Situation analysiert und bewertet, um solche Situationen in Zukunft vermeiden zu können. Auch über dieses Ereignis wird auf entsoe.eu sicherlich ein umfassender Bericht veröttentlicht werden, auch wenn es wohl noch ein paar Tage dauert. Davor kann nur spekuliert werden.

  • @dtx



    ... bin mal gespannt, wann die ersten Rechten ankommen und die 3 Spanier als Opfer der Energiewende bezeichnen.



    Gruß, Fritz

    • @Fritz Müller:

      Völlig falsch ist das nicht. Seit der Strom zuverlässig bereitsteht und kaum noch jemand im Alltag Kerzen verwendet, sind die Brände deutlich zurückgegangen.

      • @Axel Berger:

        Die drei Spanier sind durch die Abgase eines Notstromaggregates zu Todes gekommen, welches zum Weiterbetrieb eines Beatmungsgerätes in Gebrauch genommen worden sei (wer sich zum Rauchen auf den Balkon stellt, hat vielleicht schon erlebt, daß es hernach in der Stube stinkt). Ich hab' mich schon immer gewundert, wieso man als Hersteller solcher Technik keinen Gedanken an eine USV zu verschwenden braucht.

      • @Axel Berger:

        Die drei Spanier sind durch die Abgase eines Notstromaggregates zu Todes gekommen, welches zum Weiterbetrieb eines Beatmungsgerätes in Gebrauch genommen worden sei (wer sich zum Rauchen auf den Balkon stellt, hat vielleicht schon erlebt, daß es hernach in der Stube stinkt). Ich hab' mich schon immer gewundert, wieso man als Hersteller solcher Technik keinen Gedanken an eine USV zu verschwenden braucht.

  • Nun ja, wenn 60% der Erzeugung sich plötzlich abschalten ist das schon sehr viel.



    Die erneuerbaren Erzeuger können alle sehr schnell abschalten, weil die Einspeisung üblicherweise elektronisch über Wechselrichter erfolgt.



    Wenn 85% des Stroms gerade aus solchen Systemen kommt und diese nur an einer Stelle sehr empfindlich eingestellt sind, kann man sich eine Kettenreaktion von Sicherheitsabschaltungen vorstellen.

  • Den meisten Leuten ist nicht bewusst, wie unwahrscheinlich Jahre ohne Blackout eigentlich sind.

    Das ist eine ziemlich große Ingenieursleistung aber man kann sich eben nicht 100% darauf verlassen.

    Dessen sollte man sich immer bewusst sein, auch ganz ohne Deep State.



    Eine Anspruchshaltung, das der Strom einfach nicht ausfallen darf, ist jedenfalls unrealistisch.

    • @Sonntagssegler:

      Wissen das auch die, die das eigenversorgte Telephonnetz abgeschafft und alles auf Voice over IP umgestellt haben, und die, die das Bargeld abschaffen und nur noch elektrisch heizen wollen?

      • @Axel Berger:

        Sogar die Schweden sollen inzwischen auf den Trichter gekommen sein und Bargeld wieder einen Gebrauchswert beimessen wollen. Oder die Österreicher, die eine zwangsweise Öffnung von Geschäften für den Fall im Gesetz stehen haben, daß mal längere Zeit der Strom ausfiele.

  • "obschon die Ermittlungen noch nicht beendet seien" ← Danke für diesen Zusatz!

  • Einmal in 20 Jahren ist für 12 Stunden der Strom weg aus noch ungeklärten Gründen.



    Ich versteh gar nicht, warum die rechte Medienlandschaft noch nicht längst großformatig das allgemeine Scheitern Versorgungssicherheit durch Erneuerbare herbei hetzt.

    • @coeersie:

      Es ist derselbe Grund, aus dem über hundert Jahre gerechnet seltene Klimaereignisse gemeldet werden: Was zählt ist nicht nur die Häufigkeit sondern, so weit vorhanden, auch der Trend. Wäre der Kraftwerkspark über die 20 Jahre derselbe geblieben, hätten Sie recht.

  • Bei der Aufzählung der Folgen bitte die - mindestens drei - Todesopfer nicht vergessen:

    www.spiegel.de/pan...-9ead-70905f381bfa

    • @dtx:

      Blöd auch, weil die Leute sich eigentlich gut vorbereitet hatten.

    • @dtx:

      Wobei die drei Todesopfer an Kohlenmonoxidvergiftung gestorben sind: nicht unmittelbar am Blackout, sondern an den Abgasen eines Notstromaggregats.

      • @Hanno Homie:

        Das Notstromaggregat wurde aber nicht hergenommen, um den Schlaf der Nachbarn zu stören, sondern um ein Beatmungsgerät zu betreiben. Denn das läuft nur mit Strom, nicht mit Dampf oder Wasserkraft.

  • Da ein „seltenes meteorologisches und atmosphärische Phänomen über Spanien“ als mögliche Ursache angegeben wurde, und 15 GW anscheinend einfach "verschwunden" sind sollte man daran denken dass Windenergieanlagen ab einer bestimmten Windgeschwindigkeit abgeschaltet werden um Schäden an den Anlagen zu vermeiden. Wenn man also (1) einen hohen Anteil an Windenergie hat und (2) die Windgeschwindigkeit - Windstärke in einem kurzen Zeitraum stark ansteigt dann kann es passieren dass eine große Kapazität sehr kurzfristig "verschwindet". Anscheinend war die Windgeschwindigkeit in Andalusien, wo ein großer Anteil der spanischen Windenergieanlagen steht ziemlich hoch. Hinzu kommt natürlich noch der sehr hohe Anteil an Solarenergie an dem Tag der den Eigenbedarf Spaniens stark überschritten hatte und nicht abgeregelt werden konnte. Ich würde mir wünschen dass hier Klartext geredet würde, und nicht "merkwürdigen Phänomenen" die Schuld gegeben wird. Was wie Geisterbeschwörung klingt und natürlicherweise den Eindruck erweckt dass der eigentliche Grund verschwiegen werden muss.

    • @Gerald Müller:

      Das klingt zwar nicht falsch aber nach Spekulation. Haben Sie belastbare Quellen?

  • > "... weil zum Zeitpunkt des Blackouts 85 Prozent der Nachfrage in Spanien mit Wind- und Solarenergie gedeckt wurde. Die erneuerbaren Energien in ein weitgehend isoliertes System einzubinden und dieses stabil zu betreiben, ist eine große Herausforderung. ... Lange galt ein Strommix mit einem sehr hohen Anteil an Erneuerbaren als „nicht planbar“. ... Und jetzt der Blackout."



    Die Insel Deutschland ist rundum von allen Seiten von zuverlässigen und steuerbaren Kraftwerken umgeben und macht von deren Stabilisierung auch reichlich Gebrauch. Wenn aber der Ausbau so weiter geht, dann wird ganz Europa zu so einer Insel ohne Nachbarn, die einspringen und helfen könnten.



    Mit Speichern und Wechselrichtern, die nicht nur netzgeführt arbeiten sondern selbst führen können, kann das anders werden -- aber die haben wir noch nicht und billig werden sie auch nicht sein.

  • Wenn man genügend Batterien dicht neben den Windrädern und Solaranlagen stellt, sollte es doch möglich sein, das Ökokraftwerk und dessen Umgebung einzuinseln. Ebenso mit Batterien lokale Schwarzstartfähigkeit darzustellen.



    Kondensator- Batterien könnten zumindest für die wenigen Sekunden Schwankungen puffern, bis man Last abwirft oder Kraftwerke abschaltet.

    • @Christoph Strebel:

      Völlig richtig. Der kürzlich verstorbene Wolf von Fabeck war stets so ehrlich, bei allen solchen Forderungen auch immer den Preis mit zu nennen. Gerade deshalb ist er ein so großer Verlust. Nicht erst mit seinem Ableben sondern seit er schon länger nicht mehr die führende Stimme im von ihm gegründeten Verein bildete und von betonköpfigen Ideologen abgelöst wurde.