Streit zwischen Milka und Ritter Sport: Morgen zählt wieder Geschmack
Der Streit um die Form der Schokolade dürfte moderne Konsumenten kalt lassen. Die interessieren sich mehr für den Zuckergehalt oder gar den Geschmack.
D as Urteil im Streit Milka gegen Ritter Sport ist ein Sieg für beide Schokoladenproduzenten wie für alle Markenartikler, aber lang wird er nicht währen. Nicht nur am gestrigen Tag, auch immer wieder in den vergangenen zehn Jahren, so lange währte der ganze Rechtsstreit, teilte sich die Republik in Anhänger der lila Kuh oder des sportlichen Schokoladenquadrats, wenn das Thema hochkam.
Es ist dann für viele wie eine kleine erholsame Reise zurück zu Kindheitstagen und in eine Zeit, als es noch Marken waren, die kulinarische Identitäten prägten. Ob der bessere Bohnenkaffee von Jacobs oder von Eduscho kam, das Eis von Schöller oder Langnese, Fruchtgummis von Katjes oder Haribo oder ob es Coca oder Pepsi-Cola sein musste, das war in der alten Bundesrepublik bisweilen so wichtig wie die Partei, die man wählte oder der Fußballverein, für den man brannte. Und manchmal hing das sogar eng zusammen.
Aber die Zeiten, in denen quadratisch automatisch gut war, sind vorbei. Inzwischen werden aus treuen Kund*innen bewusste Kund*innen. Sie lassen sich keinen Lebensstil verkaufen, sie wählen für ihren Lebens- und Ernährungsstil aus. Und misstrauen dabei Verpackung und Etiketten. Sie fragen nach den inneren Werten, sie interessieren sich für die Produktionsbedingungen, sie geben bei Schokolade mehr Geld aus, wenn der Kakao bio und fair angebaut wurde. Und weil sich allein mit schönem Schein nichts mehr verkaufen lässt, konkurrieren Unternehmen, die immer noch auf ihre alten, floskelhaften Botschaften setzen, im Supermarkt inzwischen am unteren Ende der Preisliste und ringen mit Sonderaktionen um Marktanteile. Oder streiten vor Gericht um Form und Verpackung dessen, was sie zur Ramschware haben werden lassen.
Aber was soll’s, was schadet ein unschuldiger Tag Nostalgie für die gute alte Milchschokolade? Ab morgen interessieren sich Verbraucher*innen wieder für Palmöl, den Zuckergehalt oder sogar den Geschmack. Und über den sagt es nichts aus, wenn eine Schokolade quadratisch ist oder der Butterkeks 52 Zähne hat. Aber auch diese Frage, steht zu befürchten, wird noch mal vor Gericht landen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften