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Streit ums BürgergeldSpitzensteuersatz für die Ärmsten

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Die Union hat das Bürgergeld zertrümmert. Dabei hat sie recht: Das Lohnabstandsgebot muss gewahrt bleiben – aber anders, als sie denkt.

Die völlig falschen Schlüsse aus der Kritik am Bürgergeld: Friedich Merz, Chef der Unionsfraktion Foto: Kay Nietfeld/dpa

M it aller Vehemenz hat die Union gegen das Bürgergeld angekämpft – und es zertrümmert. Alle Ansätze der Ampel, es den Ärmsten etwas leichter zu machen, wurden ausgemerzt. Dabei haben CDU/CSU in einem Punkt zweifelsohne recht. Das Lohnabstandsgebot muss gewahrt werden. Wer arbeitet, sollte deutlich mehr Geld haben als diejenigen, die das nicht tun.

Das Problem ist nur: Die Union zieht die völlig falschen Schlüsse aus ihrer Kritik. Sie nimmt den Ärmsten die Butter vom Brot, statt diejenigen zu fördern, die sich wenigstens einen schlecht bezahlten Job suchen. Die werden zur Kasse gebeten wie niemand sonst. Von Zuverdiensten werden, abgesehen von minimalen Freibeträgen, 70 oder 80 Prozent angerechnet. Von jedem verdienten Euro müssen also weiterhin 70 bis 80 Prozent an den Staat abgedrückt werden. Nur zum Vergleich: Der Spitzensteuersatz liegt selbst bei den Superreichen bei maximal 45 Prozent. Läge der bei 70 Prozent, würde die FDP sofort die Revolution ausrufen.

Aber ist dieser Vergleich nicht schräg? Schließlich zahlen die Reichen Geld an den Staat, die Armen bekommen nur weniger vom Staat. Stimmt. Aber zum einen verlangt von Gutverdienern auch niemand, dass sie bei Mehrverdienst erst mal Subventionen zurückzahlen oder auf Abschreibungen verzichten müssten. Zum anderen regelt der Grenzabgabesatz das Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Ganz egal ob der nun Anrechnungsquote oder Steuersatz heißt: Wer bis zu vier Fünftel seines Mehrverdienstes abgeben muss, bekommt nur eins gesagt: Lass es! Deine Anstrengungen sind ökonomisch gesehen Quatsch.

Ein Ansporn wäre es, wenn Unterstützungsbedürftige bis zum allgemeinen Einkommensfreibetrag abgabefrei hinzuverdienen dürften. Und darüber hinaus mit den üblichen geringen Sätzen besteuert würden. Anders gesagt: Wenn das Bürgergeld ein echter Schritt in Richtung Grundeinkommen gewesen wäre. Das wäre Grundlage in einer wirklich sozialen Marktwirtschaft.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters