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Streit um abgelehnten DokumentarfilmArte und sein Antisemitismusproblem

Eine Dokumentation belegt aktuellen Antisemitismus – und wird dann von der auftraggebenden Arte-Redaktion nicht freigegeben. Dort rechtfertigt man sich.

Hat der Sender Arte den roten Zensurstift angesetzt? Foto: dpa

Straßburg epd | Arte-Programmdirektor Alain Le Diberder hat die Entscheidung seines Senders verteidigt, eine vieldiskutierte Dokumentation über Antisemitismus in Europa nicht auszustrahlen. Er reagierte damit auf einen Brief von Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, wie Arte am späten Mittwochabend mitteilte. Schuster hatte sich in dem Schreiben an die Intendanten von Arte, WDR und ZDF verwundert geäußert, dass die Dokumentation „Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa“ von Joachim Schroeder und Sophie Hafner nicht wie eigentlich geplant bei Arte gesendet werden soll.

Diberder bekräftigte die formalen Gründe für die Ablehnung der Produktion. Diese würden auch vom WDR geteilt, der die Produktion zugeliefert hat. Er könne zwar die Verwunderung nachvollziehen und sei selbst sehr betroffen vom Vorwurf der Zensur, schrieb er an Schuster. Doch seien es „ehrenwerte und gute Gründe“ gewesen, die zur Entscheidung geführt hätten, die Dokumentation nicht zu senden. Es habe sich nicht um „Formalismus“ gehandelt, wie in den öffentlichen Debatten behauptet, sondern um „Verfahrensentscheidungen, die die editoriale Qualität und Verantwortung sicherstellen“.

Dieser Grundsatz gelte auch bei weniger sensiblen Themen. Arte habe sich im übrigen „wie kaum ein anderer Sender in Europa der Aufklärung über und dem Kampf gegen Antisemitismus und Antizionismus verschrieben“, betonte Diberder.

Der Film von Schroeder und Hafner war von der Arte-Redaktion beim WDR abgenommen worden. Dem epd erklärte Arte, der produzierte Film entspreche nicht dem geplanten Projekt: „Vereinbart war ein von zwei Koautoren erstelltes Panorama des Antisemitismus heute in Europa. Zum Großteil spielt aber der von einem einzigen Autor erstellte Film zwischen Berlin und dem Nahen Osten. Zu dem Inhalt des Films möchten wir uns nicht weiter äußern.“

Rätseln um „formale Gründe“

Der Präsident des Zentralrats des Juden hatte die Sender gebeten, ihre Entscheidung zu überdenken. Er könne sich nicht erklären, wie formale Gründe einer so wichtigen Dokumentation im Weg stehen können. Da es in verschiedenen gesellschaftlichen Milieus noch immer Antisemitismus gebe, sei die Berichterstattung darüber „höchst relevant“.

Historiker wie Michael Wolffsohn und Götz Aly hatten die Dokumentation gelobt. Aly hatte dem Arte-Programmdirektor in der Berliner Zeitung Zensur vorgeworfen. Auch der Islamismus-Experte Ahmad Mansour hatte die Relevanz des Projekts hervorgehoben. Der arabische Israeli hatte die Autoren bei der Produktion beraten.

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6 Kommentare

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  • 1G
    1393 (Profil gelöscht)

    "Eine Dokumentation belegt aktuellen Antisemitismus"

     

    gefolgt von

     

    "Zu dem Inhalt des Films möchten wir uns nicht weiter äußern.“

     

    Nachdem hier schon Kolleggah gänzlich ohne Argumente Antisemitismus verleumdend unterstellt wurde: http://taz.de/!5395002/#bb_message_3470366

    ,

    den Palästinensern, weil sie ihre Rechte nicht an die Verbrechen begehenden Unterdrücker schenken: http://taz.de/!5408583/#bb_message_3485490

    ,

    Naidoo, weil er einmal negativ über die Rothschilds als Bankier (neben unzählbar vielen Aussagen gegen Rassisten und explitit gegen Judenhass!) gesungen hat: https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5404496&s=antisemitismus/

     

    ...

     

    Wenn man Antisemitismus unterstellt, sollte man das Begründen. Sonst ist das nur Instrumentalisierung und Schändung des Gedenkens an die Holocaustopfer.

     

    Nicht Arte hat ein Antisemitismus-Problem, sondern ihr, wenn ihr eure Beschuldigungen nicht zu Begründen in der Lage seid. In Arte habe ich sehr gute Dokus gegen Antisemitismus gesehen und immer ein kritischen und BEGRÜNDETEN Umgang mit Inhalten und Fakten.

     

    Leute, hört auf mit diesem argumentfreien Reflex, Menschen Antisemitismus verleumdend (weil völlig Argumentfrei!) zu unterstellen. Damit fördert ihr letztendlich Antisemitismus, wenn solche leere Beschuldigungen jeden ereilen können, der Israel keinen Freibrief für Menchenrechtsverbrechen auszustellen bereit ist.

     

    In max. 10-20 Jahren werden Medienwissenschaftler und Soziologen Studien auch über eure Berichterstattung zu diesem Thema machen. Wenn Ihr nicht einer "Beschuldigung der Instrumentalisierung von Antisemitismus für die Unterstützung Israelischer Verbrechen", gegen die Menschenrechte der Palästinenser ausgesetzt sein wollt, müsst ihr euch das langsam abgewöhnen, ohne Argumente und damit verleumderisch Antisemitismus zu unterstellen.

  • 1G
    1393 (Profil gelöscht)

    "Zu dem Inhalt des Films möchten wir uns nicht weiter äußern."

     

    Das ist verständlich, denn wenn Michael Wolffsohn und Götz Aly den Film für "gut-hevorragend" befinden, gehe ich davon aus, dass der Film mit keinem einzigen Wort die Gesetzeslage klarstellt und die Rechtsbewertung des IGH zu Israels nun schon über 50 Jahre andauernden Raub,- , Vandalismus- und Menschenrechtsverbrechen an den Besetzten Palästinensern erwähnt. http://www.icj-cij.org/docket/files/131/1677.pdf

     

    Auch dürfte die Nakbah, die Vertreibung der 750.000 Palästinenser in dieser angeblichen Doku keine Info hergeben, außer der gewohnten Propaganda aus Israel dazu.

     

    Schlussendlich sagt die Titelwahl sowohl der Doku, als auch hier genug darüber aus, was im Film und hier im Artikel zu erwarten war.

     

    Ein Titel "Auserwählt und gehasst" unter dem Hintergrund solch gewaltiger Verbrechen Israels (Wiki- Ben Gurion: Wir haben ihr Land gestohlen, weil Gott es uns geschenkt hat" ), wo Zionisten zur Staatsgründung Israels ca 7% Landeigentum im jetzigen Israel besessen haben, den Arabern 50% Besitz geraubt haben, ist äußerst Pietätlos gegenüber den Opfern der Verbrechen der "Auserwählten".

    Ich wette, dass in dieser Doku ständig jeder des Antisemitismus verleumdet wird, der den Juden Israels keinen Freibrief für Völkerechtsverbrechen zu geben bereit ist.

     

    Und der Titel hier, der ist ein Unverschämtheit übler Sorte, solange Arte kein Antisemitismusproblem nachgewiesen wird, und erst recht, wenn man sogar die Aussagen von Arte verschweigt. Der Film ist ohne Info 1,5 Jahre zu spät gebracht worden und hat nicht wie VEREINBART EUROPÄISCHEN ANTISEMITISMUS THEMATISIERT!

     

    Arte hat kein Antisemitismusproblem, wie der Titel bösartig unterstellt!

    Arte steht wohl nicht auf einseitige Propaganda wie Aly & Wolffssohn und auch nicht auf Dookus, die Völkerrechtverbrechen verteidigen! Andere anscheinend schon. Insbesondere wenn Fakten dafür zensiert werden müssen.

  • Na mei, ist doch einfach: die Doku folgt nicht dem üblichen Narrativ von "Nazis böse, Islam ist Frieden und Israel selber schuld, da neue Nazis". Und wenn man in diesem Land schwierige Wahrheiten ausspricht, wozu eben gehört das der heutige Antisemitismus weitgehend von islamischen Gruppen ausgeht und von linken NGOs und der EU mit massig Steuergeld gepampert wird, dann ist das eben "nicht hilfreich", wie die große Vorsitzende sagen würde....

    • @Alex24:

      Es ist SEHR müßig, über das Warum zu diskutieren, solange man den Film nicht gesehen hat. Auf mich wirkt die Begründung (die ja nun auch gegengeprüft wurde) plausibel - ganz abgesehen davon, daß kein Sender ein Interesse daran hat, eine AUFTRAGSarbeit dann doch nicht auszustrahlen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß arte ein sehr vielschichtiges Programm hat und durchaus auch unbequeme Filme zeigt (vor einiger Zeit beispielsweise ein Film pro Robbenjagd für Inuit), glaube ich hier eher an gravierende handwerkliche Fehler im Film.

    • @Alex24:

      Nur so als Tip: Arte Antisemitismus Programmchef googlen, sich über den offen Brief des Arte Programmchefs informieren und dann nachdenken, ob ihre Spekulation bei offenbar dürftigstem Informationsstand noch haltbar ist. Um selbst eine fast-null-info basierte Spekulation anzuschließen: Die Kombination aus ´antisemitische linke NGOs, EU, große Vorsitzende´lässt eine politische Verortung erahnen, deren Philosemitismus genauso echt und historisch tief ist, wie die Entrüstung eines Metzgers ob Gummibärchen essender Vegetarier.

    • @Alex24:

      Und Rotkäppchen wurde vom Wolf gefressen, nachdem sich der schon ihre Oma einverleibt hatte. Auch diese Story ist "einfach". So "einfach", dass sie Vierjährige glauben.