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Streit um Gema-ReformOb E oder U, vor allem geht’s ums Geld

Die Gema will den Unterschied zwischen E- und U-Musik abschaffen. Das bedeutet unter anderem weniger Geld für Komponisten von E-Musik.

Hat in den letzten 50 Jahren die zeitgenössische Musik weltweit gepräg: Helmut Lachenmann Foto: Matthias Graben/imago

I ch hätte nicht gedacht, dass ich mich noch mal ernsthaft mit der Unterteilung von Musik in „Ernste Musik“ (kapitales E!) und „Unterhaltungsmusik“ auseinandersetzen würde. Zu sehr nach 20. Jahrhundert, alter BRD und leserbriefschreibenden pensionierten Honoratioren müffelt dieses Thema. Jetzt doch – die Gema ist Schuld. Wieder mal.

Und warum? Weil sie Schluss machen will! Schluss mit Besserstellung von E-Musik, Schluss mit Zuwendungen an E-Musik-Komponist*innen, Schluss mit „E“ generell – in Zukunft heißt es „KUK“ (für „Kunstmusik-Konzerte“). So will es zumindest Antrag 22a zur Gema-Mitgliederversammlung am 13.–15. Mai mit dem Thema „Reform der Kulturförderung“. Würde der Antrag angenommen, bedeutete das, dass es an die Pfründe der bislang in der Gema bessergestellten E-Musik-Urheber*innen geht.

Für BackstageClassical steht die Gema „vor der größten Reform ihrer Geschichte“. Und natürlich stößt diese Reform nicht bei allen Mitgliedern auf Begeisterung: Es „muss weiterhin unterschieden werden“, fordert der Komponist Helmut Lachenmann in der FAZ, denn „bei U und E geht es keinesfalls um dieselbe Art von ‚Dienstleistung‘. Im Falle U geht es in allen Varianten um den unverzichtbaren ‚Dienst‘ an der Lebensfreude. Im Falle E geht um die gleichermaßen unverzichtbare, letztlich aber schwierige und anspruchsvollere Erinnerung an unsere ästhetischen Bedürfnisse und Neugier als Teil unserer geistigen Versorgung“.

Und in VAN legt Lachenmann nach: Komponisten der E-Musik „haben die von ihnen vorgefundene Musizier- und Schaffenspraxis weiterentwickelt, quasi strapaziert“ und „das Musik-Erlebnis nicht als unterhaltsame und eher unverbindliche, sicher genussvolle Begehung eines kollektiv vertrauten Raums, vielmehr als dessen Öffnung, und wie auch immer irritierend oder befreiend erlebte Erweiterung“ verstanden.

Dass spätestens seit den 1960er Jahren diese Erweiterungen auch und gerade in musikalischen Bereichen stattfinden, die aus der Popmusik hervorgegangen sind, dass es hier – wie auch im Jazz – eine breite Front experimentierender Mu­si­ke­r*in­nen gibt, die zu den Extratöpfen der E-Musik-Klasse keinen Zugang haben, ignoriert diese Position. Womöglich absichtlich, denn wenn der Inhalt der Töpfe auf mehr Köpfe verteilt wird, bleibt für den Einzelnen weniger.

Schwer zu durchschauender Gema-Kosmos

„In den Genuss einer fairen Honorierung seiner Aufführungen kommt auch unter den klassischen Komponisten nur ein immer kleiner werdender, elitärer Kreis“, schreibt die Cellistin und Musikverlegerin Susanne Wohlleber in BackstageClassical.

„Bis zur Einordnung eines Werkes in die Sparte ‚E‘ ist ein jahrelanger, bürokratischer, oft entwürdigender Kampf nötig, der nicht einmal die Aussicht auf Erfolg sicherstellt. Jedes bei der Gema angemeldete Werk landet erst einmal bei der ‚Unterhaltungsmusik‘ in der niedrigsten Einstufung. Wenn das Stück aufgeführt wurde, darf man den Antrag auf Werkeinstufung stellen (…). Nach Einsendung von Partituren, Aufnahmen etc. trifft der Gema-Werkausschuss dann eine (nicht selten abschlägige) Entscheidung.“

Die Gema ist ein enorm komplexes Gebilde, ein Verein, in dem Mitglieder unterschiedliche Rechte haben, in dem es verschiedene Einstufungen gibt und in dem man sich wie in einem Videogame Belohnungen („Punkte“) verdienen kann. Ich möchte wetten, dass kei­n*e Ur­he­be­r*in den ganzen Gema-Kosmos wirklich durchschaut. Immerhin gibt es Mitglieder, die die Gema virtuos wie ein Instrument zu spielen verstehen (während eine große Mehrheit einfach die Dinge nimmt, wie sie sind).

Die Gema-internen Kämpfe wird Antrag 22a jedoch kaum beenden. Die Komplexität der Vorgänge scheint auch nicht geringer zu werden. Ob am Ende das neue Modell „gerechter“ ist? Oder mehr geile Musik entstehen lässt?

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13 Kommentare

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  • Eigentlich gehört die ganze GEMA reformiert, oder abgeschafft. Der Verein mit seinem nur bedingt transparenten Gebahren ist seit seiner Gründung in erster Linie eine Geldbeschaffungsmaschine für die leitenden Leute und passt als faktische „Zwangsverwertungsgesellschaft“eigentlich nicht mehr in die Zeit. Vom überholten Vereinsstatus für solch kommerzielle Institutionen ganz zu schweigen.

    • @vieldenker:

      Was soll daran "kommerziell" sein? Die GEMA schüttet ihren operativen Gewinn komplett an die Mitglieder aus.



      Hinter den Kampagnen gegen die GEMA stehen handfeste Wirtschaftsinteressen. Wenn du as forderst, betreibst du das Geschäft von Google und Spotify, die finanzieren wären nämlich bestimmt sehr froh wenn sie uns gar nichts mehr zahlen müssten. Ich bin froh, eine Interessenvertretung zu haben, die mir auch als kleiner Künstler jedes Jahr wenigstens ein Urlaubsgeld beschafft.

  • Sowas von überfällig. Vielleicht hat auch die bald vorhandene Konkurrenz c3s zu dem Schritt beigetragen:

    www.c3s.cc/

  • "Ernsthafte" Musik, die ohne staatliche Subvention nicht überlebensfähig ist, sich aber trotzdem für überlegen hält.

    Eigentlich nur lächerlich.

  • "Ob am Ende das neue Modell „gerechter“ ist? Oder mehr geile Musik entstehen lässt?"

    Eine oder mehrere Antworten darauf zu entwickeln wäre eigentlich die spannende Frage des Artikels gewesen, oder? Schließlich zeigt der Vergleich zwischen Klassik und Jazz exemplarisch, dass auch aus der 'schmuddeligen' U-Musik durchaus viel innovatives entstehen kann.



    Ich glaube, ich lehne mich nicht weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass diverse Spielweisen der U-Musik die Musik insgesamt deutlich weitergebracht haben, als es in der E-Musik der Fall ist. Aber ich lasse mich auch gerne eines besseren belehren. Aktuell erscheint mir die Unterscheidung genauso zeitgemäß wie an irgendwelchen Adelstiteln festzuhalten.

    • @White_Chocobo:

      Naja es kommt bei der e-musik ja vor allem auch darauf an, dass die Formen ohne Förderung einfach gar nicht existieren würden. Jazz kannst man als Band machen und mit eintrittskarten das nötige Geld beschaffen. Bei einer Sinfonie geht das halt nicht. Da muss man sich dann als Gesellschaft fragen, ob man das haben möchte.

  • Da muss dringend aufgeräumt werden.

  • Na klaaa - GEMAFFIIA AAA -🙀🥳🫵 -

    “ Die Gema will den Unterschied zwischen E- und U-Musik abschaffen. Das bedeutet unter anderem weniger Geld für Komponisten von E-Musik.“



    Schonn - werter Herr.



    Wennmer schonn ala RegistrierKasse -Bildungsbürgerlich argumentieren! Woll



    Das Geld spielt U ein • Newahr



    E darf dafür in Frack Cut Smoking & Ballkleid - leicht angewidert - n guten Schlag mehr aufn Teller!



    Normal

    unterm—— hörnmer mal rein - das zwingt -



    Zwinger Trio - Brille, Frack & heiße Löffel -



    www.youtube.com/wa...UMendpbmdlciB0cmlv

    • @Lowandorder:

      Um mir schon als Jugendlicher geläufiges Oil ins Feuer zu kippen:



      Mein (nenn)Onkel / Heldentenor Herr Kammersänger “…eine Stimme die um die Welt ging“ & von Kindesbeinen an (ich wohnte einst unter - jetzt meinem Flügel;)) mein nicht nur musikalischer spiritus rector -



      1963/64 spontan auf entsprechende Frage:



      “Beatles? So genial wie Beethoven!“

  • So ein Blödsinn, Musik ist Musik.

  • Ich bin selbst Musiker und gema-mitglied, allerdings in der U Sparte. Ich habe die Privilegierung der E Sparte nie nachvollziehen können. Natürlich kann E-Mail auf der Höhe der Zeit nicht ohne Förderung existieren. Das ist klar und das greift auch eigentlich niemand an. Aber dafür ist die staatliche und öffentliche Kulturförderung zuständig. Warum sollen die Komponist*innen und Texter der U Sparte diese Förderung bezahlen? Das ist einfach unfair und ich bin froh, dass es abgeschafft wird.

    • @angelusnovus:

      > Natürlich kann E-Mail auf der Höhe der Zeit nicht ohne Förderung existieren. Das ist klar und das greift auch eigentlich niemand an.

      Doch, eigentlich schon. Wer definiert denn was "richtige", oder "ernste" Kultur ist und was nicht? Warum ist das eine Hochkultur und muss gefördert werden und das andere eben nicht?

      • @fna:

        "wer definiert das?"



        Es gibt halt schon eine ganze Disziplin, die sich wissenschaftlich damit beschäftigt. Es geht hier nicht um Geschmacksurteile von irgendwelchen elitären schnöseln. Diese dominieren leider die Diskussion, das ist aber den Komponist*innen nicht zu Last zu legen. Dieses borniertr Gerede von irgendwelchen*sorry* kleinkünstlern, dass man selbst auch auch förderung verdient habe, ist peinlt. Und das sage ich als jemand der selbst in der U sparte Musik macht. kannst halt eine Sinfonie und auch andere experimentelle Orchestermusik nicht mit eintrittskarten finanzieren. Da arbeitet man zt für Jahre an einem einzigen werk. Wenn man das nicht öffentlich fördert, wird es diese Kunstformen nicht mehr geben, so einfach ist das. Experimentelle elektronische Musik ist unbedingt auch förderungswürdig aber es liegt schon in der Natur der Sache, dass Musik, die ein Einzelperson machen kann, weniger förderung braucht.

        Ich finde es nur skandalös, wie ein Teil der privilegierten E Sparte im Moment öffentlich über die künstler*innen aus der U Sparte redet. Da ist sehr viel elitäre Abgrenzung und damit tun sich diese Leute auch keinen Gefallen.