piwik no script img

Streit um Gehweg-ParkenStVO gilt künftig auch in Hamburg

Der Bezirk Nord will das verbotene Parken von PKW auf Gehwegen konsequent verfolgen. An­woh­ne­r:in­nen fürchten um Parkplätze.

Auch in Hamburg illegal, demnächst sogar strafbewehrt: aufgesetztes Parken Foto: Axel Heimken/dpa

Hamburg taz | Eigentlich ist die Straßenverkehrsordnung an diesem Punkt eindeutig. Wo es nicht explizit erlaubt ist, wird für PKW-Parken auf dem Gehweg mit zwei Reifen ein Bußgeld von mindestens 55 Euro verhängt. In der Praxis verhält es sich jedoch anders: Im Hamburger Stadtgebiet ist das Parken halb auf der Straße und halb auf dem Gehweg gängige Praxis und wird von den Behörden bislang weitestgehend geduldet. So entstehen zwar mehr Parkplätze, jedoch zulasten von Fuß­gän­ge­r:in­nen mit Kinderwagen, Rollator oder Menschen im Rollstuhl, die zwischen PKW und Hauswand nicht mehr durchkommen.

Auch in Bremen ist das unerlaubte aufgesetzte Parken gängige Praxis, das Oberverwaltungsgericht hat dies jetzt aber kritisiert: Die Behörden müssen in Zukunft auf die Beschwerden der An­woh­ne­r:in­nen reagieren. Wie genau, das will die Stadt erst nach Veröffentlichung der Urteilsbegründung in den kommenden Wochen entscheiden. Der Fall hat jedoch jetzt schon Wellen geschlagen und auch die Diskussion in Hamburg weiter entfacht. Der Leiter des Bezirksamts Nord, Michael Werner-Boelz (Grüne), fordert eine konsequente Ahndung des aufgesetzten Parkens.

Im Stadtteil Hoheluft-Ost soll, so der Plan der Bezirksverwaltung, in der Husumer Straße und im Abendrothsweg durch bauliche Maßnahmen das Parken entgegen der Straßenverkehrsordnung unterbunden werden. „Konkret geht es um Fahrradbügel, Poller und Ähnliches“, sagt Michael Werner-Boelz gegenüber der taz. Vorausgegangen war ein einstimmig erfolgter Beschluss des Regionalausschusses Eppendorf-Winterhude im November 2021, der das Bezirksamt zur Beendigung des regelwidrigen Querparkens aufgefordert hatte.

Doch einigen An­woh­ne­r:in­nen sind die geplante Umgestaltung und die Durchsetzung der Straßenverkehrsordnung ein Dorn im Auge. Eine Petition mit 646 Un­ter­stüt­ze­r:in­nen fordert die Beibehaltung des Querparkens, da ansonsten von bisher 243 nur noch 134 Parkplätze zur Verfügung stünden. „Es entfällt kein vormals legaler Parkplatz“, entgegnet Michael Werner-Boelz. „Wir haben im Zuge der Maßnahme auch Bewohnerparken in Hoheluft-Ost eingeführt, das reduziert den Parkdruck zusätzlich.“

Die Umsetzung ist ein wichtiger Schritt für mehr Gerechtigkeit im Straßenverkehr

Michael Werner-Boelz, Bezirksamtsleiter

Im Vorfeld habe man Vorschläge von Bür­ge­r:in­nen gesammelt und im öffentlichen Regionalausschuss die Umgestaltung der Parkflächen diskutiert. Nun habe man die Planungen noch einmal angepasst. „Die An­woh­ne­r:in­nen hatten in den vergangenen Monaten die Gelegenheit, ihre Anmerkungen zu den Planungen einzubringen“, sagt Bezirksamtsleiter Werner-Boelz. Nun könne der Fußverkehr gestärkt werden. „Die Umsetzung ist ein wichtiger Schritt nicht nur für die Verkehrswende, sondern vor allem für mehr Gerechtigkeit im Straßenverkehr, da insbesondere Mobilitätseingeschränkte davon profitieren werden.“

Kein Recht auf Parkplatz

Tatsächlich besteht kein Recht auf einen öffentlichen Parkplatz in unmittelbarer Nähe zum Wohnort, Ausnahmen für bestimmte Personengruppen ausgenommen. In Hamburg nehmen alle rund 813.000 angemeldeten PKW eine Fläche von fast neun Quadratkilometern ein – so viel wie ein 5-Etagen-Parkhaus über die gesamte Alster-Fläche.

Nur 60 Prozent der PKW werden dabei täglich genutzt, die durchschnittliche Nutzungsdauer beträgt 45 Minuten am Tag – 97 Prozent des Tages wird dann Parkraum in Anspruch genommen. Ein neuer hvv-Switch Carsharing-Parkplatz in der Husumer Straße soll im Zuge der Umgestaltung den Umstieg auf geteilte Mobilitätsformen erleichtern, auch eine neue Stadt-RAD-Station ist im Gespräch.

Unterstützung erhalten die Pläne unter anderem vom Interessenverband der Fußgängerinnen und Fußgänger FUSS e. V.. „Wir fordern schon lange, dass das Gehwegparken unterbunden wird“, sagt Sonja Tesch vom FUSS e. V. Hamburg der taz. „Es gibt begrenzten Platz zwischen zwei Hauswänden, da sollte der nicht motorisierte Verkehr stärker priorisiert werden.“ Für Tesch stellen neben dem ohnehin regelwidrigen Querparken auch Parkplätze, die regelkonform auf dem Gehweg stehen, ein Problem dar: „Autos werden tendenziell immer größer und nehmen viel Raum ein, da wird der Platz auf dem Gehweg ziemlich eng.“

Auch auf Bundesebene rückt der Fußverkehr mehr in den Fokus, im Bundeshaushalt 2022 erhielt die beliebteste Fortbewegungsart erstmals dedizierte Fördermittel in Höhe von einer Million Euro für Modellprojekte und Umgestaltungen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • In anderen Ländern wird ein PKW schlicht von der Feuerwehr zerstört, wenn die bei einem Einsatz nicht durch kommt.



    In vielen Städten, die vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden, ist eben einfach nicht viel Platz für so viele Autos.



    In Japan muss man einen eigenen Stellplatz nachweisen, wenn man ein Auto kaufen möchte.

  • Das Schlimme in HH ist, dass die Straßenverkehrsbehörden, die der Polizei bzw. der Innenbehörde zugeordnet sind, dass Schrägparken sogar anordnen und somit bewußt in Kauf nehmen, dass die Kfz teilweise auf dem Fußweg stehen. Als ich das mal in einer Straße monierte und eine Änderung erbat, wurde mir gesagt, dass man das Opportunitätsprinzip anwenden würde, was bedeutete, dass alles so blieb und die Kfz weiter zum Teil auf dem Gehweg standen. Also genau so wie in Bremen. Mir erschließt sich bis heute nicht warum die relevanten (Innen-) Behörden nur die Kfz im Blick haben. Arbeitet dort eine besondere Art von Menschen?

    • @Senza Parole:

      Auch das hier kritisierte Aufparken auf Gehwege ist an vielen Stellen die eigentlich zu eng dafür sind durch Schilder erlaubt. Konsequenterweise müssten die Schilder auch alle weg.

  • Der Wind hat sich also endlich gedreht.

    Allzu lange hat man auch in den Behörden weg geschaut, wenn sich Autobesitzer öffentlichen Raum angeeignet haben, der anderen Verkehrsteilnehmern zusteht..

    Und die Dreistigkeit die dabei im Spiel war und ist, hat mit den übergroßen SUV in letzter Zeit sogar nochmal drastisch zugenommen. Ich habe schon beobachtet, wie eine Frau mit Kinderwagen über den Grünstreifen ausweichen mußte, weil ein SUV den kompletten Gehweg zugestellt hat..

    Es war/ist mehr als überfällig gegen den Rechtsfreien Raum vorzugehen, den das illegale Parken darstellt.

    Die Argumente der Autofahrenden kann man dabei allenfalls als bemerkenswert bezeichnen..so nach dem Motto: ist zwar Verboten aber haben wir doch schon immer so gemacht... Oder auch: das hat doch bisher niemanden gestört...was nur zeigt, wie wenig Autofahrende an den Rechten anderer Verkehrsteilnehmer interessiert sind...eine Haltung die man wohl nur als Selbstgerecht bezeichnen kann..

    Ich begrüße es daher ausdrücklich, daß endlich auch seitens der Politik (im Sinne der Gerechtigkeit) gehandelt wird.



    Ob dem damit genüge getan wird, dürfte allerdings noch davon abhängen, wie hoch der Kontrolldruck ausfällt.

    Ich hoffe sehr daß hier in jeder Hinsicht konsequent vor gegangen wird..und diese Praxis auf das ganze Stadtgebiet ausgedehnt wird.

    Wobei auch klar ist, daß der Konflikt letztlich nur gelöst werden kann, wenn deutlich weniger Autos in der Stadt vorhanden sind...das umzusetzen und offen zu kommunizieren muss daher der nächste Schritt sein, den die Politik zu gehen hat..