Streit um Eremitage-Filiale in Barcelona: Noch ein Museum für Barcelona?
Investoren wollen mit Stararchitekt Toyo Ito im Hafen Barcelonas eine Filiale der Eremitage errichten. Bürgermeisterin Ada Colau sagt Nein.
Die Sankt Petersburger Eremitage sorgt für Debatten in Barcelona. Eine Investorengruppe will zusammen mit dem japanischen Stararchitekten Toyo Ito im Hafen der katalanischen Hauptstadt eine Filiale des russischen Kunstmuseums errichten. Eigentlich sollte das neue Museum schon 2022 eröffnet werden. Doch der Streit zwischen Befürwortern und der linksalternativen Stadtverwaltung unter Bürgermeisterin Ada Colau blockiert die Pläne. Die Hafenverwaltung stimmte bereits im vergangenen Mai zu. Doch die Stadt erteilt keine Baugenehmigung. Jetzt befindet sich der Fall vor Gericht.
„Eine vertane Chance“ für Barcelona, befürchten die Befürworter der Kunstfiliale, darunter das Hotel- und Gaststättengewerbe, der Hafen und selbst die Sozialistische Partei, die in Colaus Koalitionsregierung im Rathaus sitzt. Der katalanische Unternehmerverband verlangt von der Bürgermeisterin, die sich einst als Aktivistin gegen Wohnungszwangsräumungen einen Namen machte, „Mut und Ambition“ für Großprojekte, wie dies Barcelona spätestens seit den Olympischen Spielen 1992 auszeichnete. Colaus Stadtverwaltung hingegen spricht von den Interessen der Einwohner, vom Massentourismus und dessen Schattenseiten.
Barcelona ist im Vergleich zu Tourismusmagneten wie London, Paris oder New York eine kleine Stadt. Wohnbebauung und touristische Sehenswürdigkeiten liegen eng beisammen. Vor der Covidkrise zählte die Stadt 50 Millionen Übernachtungen pro Jahr. 25 Prozent der Bevölkerung sahen den Tourismus als Problem. Und auch 58 Prozent der Besucher beschwerten sich in einer Umfrage über den Massenbetrieb.
Tourismus nachhaltiger gestalten
Die Pandemie bedeutete eine Zäsur. Die Stadtverwaltung versucht dies zu nutzen, um den Tourismus nachhaltiger zu gestalten. Es ist nun viel von „Tourismus mit Mehrwert“ die Rede. Von Besuchern, die nicht nur wegen der Gaudí-Architektur und dem FC Barcelona kommen, die Museen abhaken und sich dann ins Nachtleben stürzen.
Dass die Stadt für Besucher und Bürger gleichermaßen etwas bieten muss, ist eine Einsicht, die sich bei vielen breitmacht. Um die Innenstadt zu entlasten, werden dort keine neuen Hotels mehr genehmigt. Ein neues Mammutprojekt wie die Eremitage wäre gerade jetzt ein falsches Signal.
Dabei geht es auch um das Kulturkonzept als solches. „Die Kulturpolitik der Städte wird seit Langem von instrumentellen Logiken dominiert“, schreibt der Politikprofessor an der Universidad Autónoma en Barcelona, Joan Subirats, in einem Debattenbeitrag in der Tageszeitung El País. „Dabei spielt die Kultur eher die Rolle eines wirtschaftlichen Gutes denn als Element, um die Handlungsfähigkeit von Einzelpersonen und Kollektiven und ihre Einbeziehung in das städtische Leben und ihre Lebensqualität als solche zu fördern“, warnt Subirats.
Keine Netzwerke
Ein Beispiel für eine solche Stadtentwicklung ist das südspanische Málaga. Die Eremitage-Filiale droht nun, eben dorthin zu gehen, sollte Bürgermeisterin Colau nicht ihre Blockadehaltung aufgeben. Die Hafenstadt in Andalusien zieht dank ihrer Museen immer mehr Städtetourismus an. „Die Marke ‚Museumsstadt Malaga‘ hat es auf die Landkarte geschafft“, sagt der andalusische Journalist Guillermo Busutil. Doch das habe „weder Kunstgalerien gefördert noch etwas an der prekären Lage der Künstler geändert“.
Ein Museum in einem Toyo-Ito-Gebäude mit Ausstellungsstücken, die sonst im Fundus in Sankt Petersburg verstauben, wird nur schwerlich Netzwerke in seinem Umfeld schaffen, welche die Entwicklung der lokalen Kreativszene und Initiativen fördern – weder in Barcelona noch in Málaga.
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