piwik no script img

Bürgermeisterin gegen Spekulation„So schlimm wie der Klimawandel“

Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau fordert vor der UNO ein Recht auf Wohnen. Spekulation zerstöre die Städte, sagt sie.

„Die Städte sind nicht nur die Straßen und Gebäude“: Ada Colau vor einem Stadtplan von Barcelona Foto: reuters

Madrid taz | Die Vereinten Nationen (UNO) in New York haben am Montagabend erstmals den großen Städten dieser Welt Gehör geschenkt. Auf einer Konferenz über Nachhaltigkeit stellte die Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, die Initiative „Cities for Housing“ der Vereinigung der Städte und lokalen Regierungen (UCLG) vor.

„So wie der Klimawandel eine Bedrohung für den Planeten ist, bedroht die Spekulation das Leben in unseren Städten“, erklärte die einstige Aktivistin gegen Zwangsräumungen von Wohnungen, die seit 2015 die zweitgrößte spanische Stadt, Barcelona, regiert.

Das Recht auf Wohnung sei das Recht auf die Stadt, fügte sie hinzu. Wenn es darum gehe, die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu erfüllen, seien vor allem die Städte gefragt. Dort müsse „die Ungleichheit und Armut bekämpft“ werden. Das Recht auf „Bildung und Gesundheitsversorgung, konkretisiert sich in den Städten oder es konkretisiert sich nicht“, warnt Colau.

Die große Gefahr seien die Fonds und Unternehmen, die „Tausende von Wohnungen und Gebäude aufkaufen“. Die Folge: Der Anstieg der Wohnungspreise „ohne jede Kontrolle und tausende und abertausende Räumungsklagen“. Das gelte es zu stoppen. Denn „die Städte sind nicht die Straßen und Gebäude, sondern die Summe ihrer Leute“. „Ohne Leute gibt es keine Stadt. Es steht alles auf dem Spiel“, fügte Colau hinzu.

Weltweiter Städteverbund

Colau sprach im Namen des Vorstandes der UCLG, der neben Barcelona und Madrid, Städte aus allen Kontinenten, wie Paris, London, New York, Mexiko-City, Quito, Rabat oder Guangzhou angehören.

Der Verband verlangt, dass die Stadtverwaltungen mehr Einfluss auf die Politik aber auch auf Steuern und Abgaben bekommen, um so die Stadtentwicklung beeinflussen zu können. Es gehe darum, das „Leben zu schützen“, erklärte Colau. „Kooperation statt Wettbewerb“ müsse zur Grundlage der Politik werden. Das sei „die Feminisierung der Politik“, wiederholte Colau vor der UNO eines ihrer Schlagwörter.

Andere Stadtoberhäupter, die ebenfalls nach New York gereist waren, stimmten Colau zu. „Wir sind nicht länger bereit, unser Land zu verkaufen. Wir brauchen es für Mieter, nicht für Eigentümer“, sagt etwa Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller.

Und die UNO-Berichterstatterin für Wohnungsfragen, Leilani Farha versprach Unterstützung. „Wir brauchen eine starke, einheitliche Stimme“, erklärte die Kanadierin. „Wohnen ist nicht Gemütlichkeit, sondern Wohnen ist eine Menschenrecht“, fügte sie hinzu.

Bußgelder für Airbnb

Colau ist eine der Vorreiterinnen nicht nur in Spanien, im Kampf gegen die zunehmende Spekulation mit Zimmern und Appartements für Touristen. Unter ihrer Führung belegte Barcelona die Onlineplattform AirBnB mehrmals mit hohen Bußgeldern.

Auch andere Städte ziehen nach. In Palma de Mallorca hat die Stadtverwaltung Ferienwohnungen weitgehend aus dem Stadtkern verbannt und die Bürgermeisterin von Madrid, Manuela Carmena, die ebenfalls zur UNO gereist war, bereitet ein ähnliches Verordnung vor.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Das Problem ist hier trifft das Anrecht der Anwohner auf die Notwendigkeit mit Touristen Steuergeld einzunehmen. Natürlich kann es nicht sein, dass Ferienwohnungen die Städte entvölkern, AirBnB ist da eine ziemliche Klage, aber es ziehen auch viele Leute in die Städte die die Mieten hochtreiben weil sie das Geld haben und bereit sind mehr zu zahlen.



    Das ist simples Angebot und Nachfrage. Man kann jetzt die ganzen Altbauwohnungen platt machen und stattdessen Wohnsilos mit 25 Stockwerken da überall hinsetzen, alle Grünflächen zubauen, aber dann sinkt die Lebensqualität der Anwohner. Was ist also die Lösung? Ein Vorzugsrecht der Angestammten? Die Rechten würden sich freuen. Die Lösung muss sein, dass mehr Städte attraktiv sind zum Leben. Mittlere und Kleine Städte. Eine erste Lösung wäre schnelles Internet auch im entlegensten Dorf, dann können mehr Menschen home office machen. Daneben Ausbau des Nahverkehrs in kleinen und Mittleren Städten.



    Vielleicht wäre es im Falle Deutschlands auch sinnvoll zu überlegen, dass die Gemeinden sich nicht mehr über die Gewerbesteuer finanzieren müssen, oder dass aber einer bestimmten Größe nicht mehr müssen, dann wird es attraktiver Menschen statt Firmen anzuziehen. Daneben muss natürlich auch der Staat endlich einfach Wohnungen bauen. Nicht Anreize schaffen, sondern Land kaufen, Wohnungen draufsetzen und zu bezahlbaren Preisen anbieten.

  • Macht sich immer gut neue "Rechte" zu fordern. Woran niemand denkt ist, dass die Rechte des einen immer die Pflichten des anderen sind.

    • @Wilhelm Heinrich:

      Das Recht auf eine würdige Wohnung ist in der spanischen Verfassung festgeschrieben.

  • Airbnb ist ein Problem, aber viel schlimmer sind eine neue Form von Heuschrecken die sich hunderte von Wohnhäusern aneignen, durch Steuerschlüpflöcher (Stichwort Sharedeals), obskure Firmengeflechte und horende Beraterhonorare Gewinne in Steuergünstigeoasen verschieben und Mieter aufs übelste entmieten.



    Weil das Zinsnivesu so niedrig ist meinen Privatleute dies durch den Kauf von Eigentumswohnungen zu begünstigen. Indem das Ziel nicht mehr das wohnen im Eigenheim sondern die Gewinnmitnahme durch stetig steigende Immobillienpreise ist. Die Spekulation mit Immobilen sollte komplett verboten werden. Gewinner sind immer nur diejenigen welche bereits über hohe Finanzmittel verfügen!