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Streit über KatalonienMadrid setzt auf Polizei und Justiz

Spaniens Ministerpräsident verweigert Gesprächsangebote der katalanischen Regionalregierung. Die konservative Partei profitiert von dem Konflikt.

Wirkt wenig entspannt: Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez Foto: ap

Madrid taz | Der katalanische Ministerpräsidenten Quim Torra versucht in Madrid jemanden an die Strippe zu bekommen. Doch der spanische Regierungschef Pedro Sánchez nimmt nicht ab. Ein Brief des Katalanen an den Sozialisten mit der Bitte um Gespräche angesichts der schweren Krise in Katalonien bleibt unbeantwortet.

„Sich dem Dialog zu verweigern ist in diesem Moment eine absolute Verantwortungslosigkeit, von der ich überzeugt bin, dass die internationale Gemeinschaft sie in keiner Weise verstehen wird“, versucht Torra Druck auf Madrid auszuüben. Der katalanische Ministerpräsident steht einer Koalition zweier Unabhängigkeitsparteien vor: der Partei „Gemeinsam für Katalonien“ (JxCat) des exilierten Carles Puigdemont und der „Republikanischen Linken Kataloniens“ (ERC) des inhaftierten Oriol Junqueras.

Von Seiten Sánchez kommt einmal mehr nur die Aufforderung an Torra, sich von der Gewalt zu distanzieren. Etwas, was dieser – nach längerem Zögern – in den vergangenen Tagen bereits mehrmals getan hat.

Es ist Vorwahlkampf in Spanien. Am 10. November sind erneut Parlamentswahlen, da Sánchez nicht in der Lage war, nach dem Urnengang im April eine Regierungsmehrheit zu schmieden. Jetzt will er mit Härte zeigen, dass er ein großer Staatsmann ist und der einzige, dem die Spanier in Zeiten schwerer Krisen vertrauen können.

Statt mit den katalanischen Parteien in Kontakt zu treten, lud Sánchez vergangene Woche ausschließlich die spanienweit operierenden Kräfte, die konservative Partido Popular (PP), die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) und die linksalternative Unidas Podemos (UP) zum Gespräch über Katalonien. Selbst die konservativen Basken, die in den letzten Jahren immer wieder versuchten vermittelnd einzugreifen, lud er nicht ein.

Rechte wollen Zwangsverwaltung

Nur UP forderte von Sánchez einen Dialog. Die beiden rechten Kräfte wollen, dass Katalonien erneut unter Zwangsverwaltung gestellt wird. Als ersten Schritt müsse Torra die Hoheit über die regionale Polizeieinheit, die Mossos d'Esquadra, entzogen werden. Sánchez lehnte nach Ende der Parteienrunde den Dialog ab und „schließt kein Szenario aus“. Er setzt weiterhin auf Polizei und Strafverfolgung.

Der spanische Sondergerichtshof, die Audiencia Nacional in Madrid, ermittelt mittlerweile gegen die Internetplattform „Demokratischer Tsunami“ wegen „Terrorismus“. Die eigens für die Proteste gegen das Urteil gegründete Bewegung zählt mittlerweile über 350.000 Abonnenten auf der Messenger-App Telegram. Zehntausende haben sich eine App heruntergeladen, mit der künftige Mobilisierungen koordiniert werden sollen. Das Vorbild sind die Proteste in Hongkong.

So rief „Tsunami“ am vergangenen Montag, wenige Stunden nach der Verkündigung des harten Urteils gegen neun Unabhängigkeitspolitiker und -aktivisten Tausende zu einer weitgehend friedlichen Blockade am Flughafen von Barcelona. Jetzt hat der Ermittlungsrichter zusammen mit der paramilitärischen Guardia Civil mit Hilfe der Telekommunikationsunternehmen den Zugang zur Internetseite tsunamidemocratic.cat blockieren lassen.

Die Seite, die sich auf einem sicheren Server im Britischen Territorium im Indischen Ozean befindet, ist von Spanien aus nicht mehr aufzurufen. Nur wer es versteht, seinen Internetverkehr umzuleiten, um mit einer ausländischen IP-Adresse zu navigieren – oder außerhalb Spaniens lebt, kann sie weiterhin sehen.

Sánchez verliert Wählergunst

Doch laut Umfragen profitieren Sánchez und seine PSOE vom Katalonienkonflikt nicht. Stattdessen steigt die PP, die im April ihr historischen Tiefpunkt erreichte, in der Wählergunst und nähert sich den Sozialisten immer weiter an.

In Katalonien selbst unterstützen bei weitem nicht alle seiner Wähler den harten Kurs. Während die Konservativen in Katalonien seit Jahren kaum noch Stimmen bekommen, waren die Sozialisten dort bei der Wahl im April zweitstärkste Kraft, knapp hinter ERC, deren Vorsitzender Oriol Junqueras sich unter den neun Gefangenen befindet. Als ehemaliger Vizeregierungschef in Katalonien wurde er zu 13 Jahren Haft verurteilt, mehr als jeder andere.

Und was noch schlimmer wiegt, auch wenn die Sozialisten erneut die Wahlen gewinnen sollten, braucht Sánchez Bündnispartner, um ins Amt gewählt zu werden. Er wurde im Juni 2018 per Misstrauensvotum Regierungschef. Die Stimmen von ERC waren dabei entscheidend. ERC hoffte, wie Torra jetzt auch, auf Dialog. Der Sozialist Sánchez hat in den letzten Tagen diesen Vertrauensvorschuss wohl endgültig verspielt.

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5 Kommentare

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  • Sie haben diesen Post jetzt schon unter einige Artikel gesetzt, es sei Ihnen mitgeteilt, dass sich die beiden Verfassungen (und die beiden Gesellschaften) aber auch in einigen Punkten unterscheiden, schauen Sie beispielsweise einmal wie oft das GG und wie oft die span. Verfassung geändert wurden - die dt. Verfassung ist offener für Aktualisierungen bzw zeitgemäße Anpassungen, der wichtigste Grund warum in D noch nie der Bundeszwang angewandt werden musste. Des Weiteren: Der Bundesrat ist die Kammer in denen die Bundesländer repräsentiert sind. Der Spanische Senat sollte mal eine Solche Kammer der Regionen werden( ein Föderalstaat ist SP nicht), ist es aber noch immer nicht. Kastilische Provinzen, die PP wählen, die bedeutend weniger Einwohner haben als die katalanischen haben dort mehr Repräsentanten, nur so ist es der Rajoy- Regierung auch gelungen den Art. 155 durch den Senat zu bekommen. Die Span. Autonomen Regionen haben das Recht über die Ausweitung ihrer Autonomierechte mit der Zentralregierung zu verhandeln, nur wenn diese nicht verhandeln will hat die Region eben Pech und, wie gesagt die Verfassung ist weitgehend bombensicher gegen Veränderungen der grundlegenden Strukturen, selbst wenn sie von mehreren Regionen gewünscht sind. Das Prozedere in kurz: Eine Verfassungsänderung wird in den Cortes ( und im Senat?) beschlossen, dann wird das Parlament aufgelöst, Neuwahlen, das neue Parlament ratifiziert die Verfassungsänderung (oder nicht),Volksabstimmung spanienweit, erst dann vielleicht darf wie im vorliegenden Fall Katalonien eine Volksabstimmung über eine Sezession abhalten. selbst wenn es in Kat eine 2/3 Mehrht oder mehr gäbe wäre nichts ohne den Rest Spaniens mgl--> Blockade. Dass man 2005 / 2006 mit Madrid eine neue Autonomie-Verfassung ausgehandelt hat, die von der Cortes, und der katal. Bevölkerung in einem Referendum angenommen wurde, zu großen Teilen dann aber wieder vom Verfassungsgericht einkassiert wurde, zeigt dass es gravierende Systemfehler gibt.

    • @ingrid werner:

      war an Peter Meisel gerichtet

  • Die Taktik von Sánchez geht voll daneben. Seine Haltung gegenübe den Katalanen ist absurd. Er hatte sich wohl eingeredet, er könne (ähnlich wie Putin oder Endorgan) alleine regieren. Daher die Ablehnung einer Links- Koalition mit UP. Er wird sich durch die Wahlen vom 10. November stottern und dann steht er alleine im Regen da. Er verkennt als "arroganter Südländer" die Spielregeln eines demokratischen Staates. Wenn er die Wahlen gewinnt, braucht er zur Amtseinführung unbedingt eine Unterstützung, die er aus heutiger Sicht kaum bekommen wird. Das könnte das Ende seiner Karriere bedeuten. Das Schreckgespenst eines Dreierbündnis der drei Rechtsaußenparteien schwebt über dem Lande...

  • Die Vorgehensweise von Sanchez ist unbegreiflich.

    Er setzt weiterhin auf ein Bündnis mit den rechtskonsrvativen Ciudadanos und meint als harter Hund Profik zu gewinnen.

    Dabei treibt er spanische Wähler zur mehr oder weniger franquistischen PP und zerlegt seine Koalitionsoptionen.

    Das ist weder strategische Weisicht, noch kluges taktisches Kalkül.



    Es scheint die allgemeine sozialdemokratische Krsnkheit zu sein, unbedingt staatstragend sein zu wollen.



    Unglaublich eben.

  • Franco wurde (auf dem Papier) wiederbelebt?



    Spanische Verfassung



    Verfassung des Königreiches Spanien



    vom 29. Dezember 1978



    Art. 155. (1) Wenn eine Autonome Gemeinschaft die ihr von der Verfassung oder anderen Gesetzen auferlegten Verpflichtungen nicht erfüllt oder so handelt, daß ihr Verhalten einen schweren Verstoß gegen die allgemeinen Interessen Spaniens darstellt, so kann die Regierung nach vorheriger Aufforderung an den Präsidenten der Autonomen Gemeinschaft und, im Falle von deren Nichtbefolgung, mit der Billigung der absoluten Mehrheit des Senats die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die Gemeinschaft zur zwangsweisen Erfüllung dieser Verpflichtungen anzuhalten oder um das erwähnte Interesse der Allgemeinheit zu schützen. == Wer beurteilt dies??? ==



    (2) Zur Durchführung der in Absatz 1 vorgesehenen Maßnahmen kann die Regierung allen Behörden der Autonomen Gemeinschaften Weisungen erteilen.

    Dagegen: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland



    vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1),zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347)



    Artikel 37



    (1) Wenn ein Land die ihm nach dem Grundgesetze oder einem anderen Bundesgesetze obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt, kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates die notwendigen Maßnahmen treffen, um das Land im Wege des Bundeszwanges zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten.



    (2) Zur Durchführung des Bundeszwanges hat die Bundesregierung oder ihr Beauftragter das Weisungsrecht gegenüber allen Ländern und ihren Behörden.