Wahlausgang in Spanien: Linker Scherbenhaufen

Hausgemachtes Debakel: Die WählerInnen strafen Sozialisten und Linksalternative ab, weil sie sich im Sommer einer Koalition verweigerten.

Pedro Sanches bei einer Wahlparty am 10. November in Madrid

Steht vor schwierigen Koalitionsverhandlungen: der spanische Sozialistenchef Pedro Sánchez Foto: Sergio Perez/reuters

Es ist traurig, aber wahr. Für das vage Versprechen der Umfragen, eine Handvoll Abgeordnete mehr zu erzielen, ließ der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez eine sichere Regierungsmehrheit sausen. Anstatt ernsthaft zu verhandeln, tat der Chef der sozialistischen PSOE alles, damit keine Koalition mit den Linksalternativen von Unidas Podemos (UP) zustande kam. Diese wiederum waren nicht schlau genug, im Juli zuzugreifen, als Sánchez drei Minister anbot. Sie pokerten, um mehr zu erzielen, und brachen damit ein.

Jetzt sitzt die Linke vor einem Scherbenhaufen. Ein mögliches Bündnis aus Sozialisten und Linksalternativen verlor am Sonntag deutlich an Stimmen und an Abgeordneten. Die Wähler straften sie für die gescheiterten Verhandlungen ab, indem sie ganz einfach zu Hause blieben. Ein Großteil der über 4 Prozentpunkte, um die die Wahlbeteiligung abnahm, geht auf Bürger zurück, die im April eine der beiden fortschrittlichen Parteien wählten.

Die Neuwahlen kamen nur der Rechten zugute. Die konservative Partido Popular (PP), die im April ihr historisch schlechtestes Ergebnis einfuhr, erholte sich deutlich. Und was am Schwersten wiegt: Die rechtsextreme Vox wurde zu drittstärksten Partei. Sie hat mehr als doppelt so viele Abgeordnete als noch im April, als sie zum ersten Mal in das spanische Parlament einzog.

Das Ergebnis sorgt für weiteren Frust bei den Linken. Ihre Wähler gingen im April in Massen an die Urnen, um einem rechten Bündnis aus Konservativen, Rechtsliberalen und Rechtsextremen den Weg zu verbauen und auch, um soziale Verbesserungen zu erreichen, die nach jahrelanger harter Austeritätspolitik dringend notwendig sind.

Die Sozialisten haben es jetzt noch schwerer als im April, eine stabile, fortschrittliche Regierung zu bilden, für die sie im Wahlkampf warben. Dabei ist diese notwendiger denn je. Denn Spanien steckt in einer schweren Krise. In Katalonien nehmen die Proteste der Unabhängigkeitsbewegung zu, seit neun Aktivisten und Politiker zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Hinzu kommt, dass die Wirtschaft schwächelt.

Kaum war das Ergebnis ausgezählt, wurden Stimmen laut, die eine weitere Wahl nicht ausschließen wollen. Es wäre dann der fünfte Urnengang in etwas mehr als vier Jahren. Das wäre das absolute Desaster. Die Wähler auf der Linken würden sicher noch mehr Vertrauen in die Politik verlieren. Die Ultrarechte würde wohl noch mehr zulegen. Zusammengefasst: Die Demokratie würde schwer Schaden nehmen. Sánchez zockte und verspielte zumindest die nähere Zukunft eines ganzen Landes. Und das alles wegen des Versprechens einer Handvoll Abgeordneter, das sich als Fata Morgana erwiesen hat.

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Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

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