Streit über Abschiebungen: CDU drängt SPD zu Asylzentren
Für seine Bemerkung über eine „Anti-Abschiebe-Industrie“ erntet Dobrindt (CSU) Kritik. Auch jenseits markiger Äußerungen sorgt das Thema für Streit.
Widerspruch kam unter anderem von der SPD. Führender Unionspolitiker forderten eine Kürzung der Entwicklungshilfe für unkooperative Herkunftsländer. Die CDU rief die SPD-Länder dazu auf, bei den geplanten Ankerzentren mitzumachen.
Dobrindt sagte mit Blick auf Anwälte und Hilfsorganisationen, wer mit Klagen versuche, die Abschiebung von Kriminellen zu verhindern, arbeite nicht für das Recht auf Asyl, sondern gegen den gesellschaftlichen Frieden.
Hintergrund sind die Vorfälle im baden-württembergischen Ellwangen, wo 150 bis 200 Flüchtlinge teils gewaltsam verhindert hatten, dass die Polizei einen Mann aus Togo aus einer Flüchtlingsunterkunft abholte. Der 23-Jährige wurde bei einem Großeinsatz doch gefasst, sitzt in Abschiebehaft und wehrt sich mit rechtlichen Schritten. Er soll nach Italien abgeschoben werden.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf der CSU am Sonntag durchschaubaren Populismus vor. „Da werden von Herrn Dobrindt dann mal eben grundsätzliche Elemente des Rechtsstaats in Frage gestellt.“
„CSU-Hetze via Sonntagszeitung“
Der Fraktionsgeschäftsführer der Linken, Jan Korte, sagte: „Zu der üblichen CSU-Hetze via Sonntagszeitung kommt jetzt, dass Alexander Dobrindt ein Problem mit dem Rechtsstaat hat.“ Jeder habe Anspruch auf ein faires Verfahren. Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt sagte: „Mehr als 40 Prozent aller Klagen gegen die Ablehnung der Asylanträge und die Androhung der Abschiebung hatten im letzten Jahr vor Gericht Erfolg.“
Für Kürzung oder Entzug von Entwicklungshilfe nicht kooperierender Staaten plädierte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). „Wir können nicht auf der einen Seite Entwicklungshilfe bezahlen und auf der anderen nehmen diese Länder diese Leute nicht zurück“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte, Zahlungen an Zusammenarbeit zu knüpfen. „Unkooperatives Verhalten darf nicht durch Entwicklungshilfe begünstigt werden“, sagte er der Zeitung. Beide Politiker forderten zudem weniger Unterstützung für Asylbewerber.
„Es darf nicht mehr so sein, dass die Menschen sich das Land mit den attraktivsten Leistungen aussuchen können und dann regelmäßig nur nach Deutschland kommen“, sagte Kretschmer. Alle EU-Staaten sollten von Geld auf Sachleistungen umstellen.
CDU macht Druck auf die SPD
Angesichts des bisher geringen Länder-Interesses an den geplanten Asyl- und Abschiebezentren forderte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer die SPD-Führung auf, von der SPD mitregierte Länder zur Einführung zu bewegen. „Für die SPD stellt sich hier eine Führungsfrage“, sagte sie dem Tagesspiegel. Zweck dieser sogenannten Ankerzentren sei es, schnell festzustellen, wer eine Bleibeperspektive habe und wer nicht. Der SPD müsse klar sein: Es gehe um eine nationale Aufgabe.
Sachsen will in Kooperation mit dem Bund so ein Zentrum errichten. „Wir befinden uns in Gesprächen“, sagte Innenminister Roland Wöller (CDU) in Leipzig. Bisher hatten Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen Interesse bekundet. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verteidigte die Maßnahme. Sie schaffe schneller und „rechtsstaatlich einwandfrei“ Klarheit über den Schutzstatus, sagte er in Leipzig. „Und diejenigen, die schutzbedürftig sind, werden anschließend schneller über die Bundesrepublik verteilt und künftig hoffentlich auch in der Europäischen Union.“
Wer nicht als Flüchtling anerkannt wird, soll direkt aus den Zentren abgeschoben werden. Mehr als drei Viertel der Deutschen sind für diese Zentren, wie eine Umfrage des Instituts Civey für die Welt ergab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Hamburg und die Kühne-Oper
Als das Wünschen noch geholfen hat