Streit nach den Koalitionsverhandlungen: Gabriel ist sauer
Der scheidende Außenminister Sigmar Gabriel kritisiert den respektlosen Umgang in der SPD. Er wirft Schulz Wortbruch vor.
„Ich habe das Amt des Außenministers gern und in den Augen der Bevölkerung offenbar auch ganz gut und erfolgreich gemacht“, sagte Gabriel den Funke-Zeitungen. „Und da ist es ja klar, dass ich bedauere, dass diese öffentliche Wertschätzung meiner Arbeit der neuen SPD-Führung herzlich egal war.“
Der scheidende Minister betonte, dass er die Personalentscheidung nicht kritisiere, da jede neue SPD-Führung das Recht auf die Neubesetzung von Ministerposten habe. Politiker seien „Gewählte und keine Erwählten“. „Was bleibt, ist eigentlich nur das Bedauern darüber, wie respektlos bei uns in der SPD der Umgang miteinander geworden ist und wie wenig ein gegebenes Wort noch zählt“, fügte Gabriel hinzu.
Ihm sei bewusst, dass in der Politik mitunter mit harten Bandagen gestritten werde. „Aber es sollte mit offenem Visier erfolgen“, mahnte Gabriel. Er warf der SPD-Spitze indirekt Unehrlichkeit vor: „Ich komme wohl noch zu sehr aus einer analogen Welt, in der man sich nicht immer nur umschleicht, sondern sich einfach mal in die Augen schaut und die Wahrheit sagt.“ Dies sei anscheinend „aus der Mode gekommen“.
Zu seiner persönlichen Zukunft sagte Gabriel, für ihn beginne „jetzt eine neue Zeit“. „Zuhause freuen sich schon mal alle darauf“, fügte der Familienvater hinzu. Seine kleine Tochter Marie habe ihm am Donnerstagmorgen gesagt: „Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast Du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht.“
Karriere noch nicht zu Ende
Aus Sicht von Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) ist Gabriels Karriere noch nicht zu Ende. Gabriel habe großartige Arbeit geleistet, sagte Weil bei einer SPD-Klausur bei Hannover, allerdings noch in Unkenntnis von Gabriels Interview. „Ich bin sicher, wir werden weiter von ihm hören. Das ist nicht das Ende seiner politischen Arbeit und auch nicht seiner politischen Karriere.“
Nach vielen Alleingängen und einer gewissen Sprunghaftigkeit hatte Gabriel vor der Abgabe des SPD-Vorsitzes massiv an Vertrauen in der Partei verloren. Der Mann aus Goslar verzichtete am Ende zugunsten Schulz' auch auf die Kanzlerkandidatur. Seine wiederholte Kritik an der SPD und ihrer Wahlkampagne ließ ihn noch einsamer werden.
Der SPD-Politiker Ulrich Kelber äußert Verständnis für die Kritik an der SPD-Parteiführung. „Man kann nicht leugnen, dass vonseiten der SPD-Spitze seit dem 24. September strategische Fehler gemacht worden sind“, sagt Kelber dem BR. Man solle aber die Führungsfrage nicht mit der Abstimmung über den Koalitionsvertrag vermischen.
Auch Schulz wird nach dem anstehenden SPD-Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag mit der Union den Parteivorsitz abgeben, an Bundestagsfraktionschefin Andrea Nahles. Sie hatte als Generalsekretärin unter dem Agieren des damaligen Vorsitzenden Gabriel gelitten und hat daher laut Parteikreisen kein Interesse daran, dass er Minister bleibt. „Ich bin Martin Schulz persönlich dankbar. Ich habe schon Anderes in unserer Partei erlebt“, hatte sie am Mittwoch in der Pressekonferenz zur Übernahme des Vorsitzes gesagt.
Es geht um Inhalte
An der Basis wächst aber die Kritik, da Schulz mehrere Wenden und Wortbrüche vollzogen hat – etwa bei den Aussagen, dass es keine große Koalition mit ihm gebe und er kein Minister werden wolle. Außerdem hatte er stets betont, ihm gehe es nur um Inhalte, nicht um Posten – nun sieht es aus, als wolle er mit dem Amt des Außenministers seine Karriere in Berlin retten. Mit Spannung werden die Reaktionen an der Basis bei den Debatten zum Mitgliederentscheid über die große Koalition erwartet.
Auch in der CDU gibt es nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen zunehmend Kritik an Merkel, da die Partei Schlüsselressorts wie Finanzen und Innen an SPD und CSU abgibt. „Die Unzufriedenheit ist sehr groß an der Basis der CDU“, sagte der Chef der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union, Paul Ziemiak. Das gelte gerade in Hinblick auf den Verlust des Finanzministeriums für die Partei.
Auch Vertreter des Wirtschaftsflügel der CDU kritisieren die Ressortverteilung. „Mit dem Sozial- und dem Familien-Ressort gehen zwei der ausgabenträchtigsten Ministerien an die SPD“, sagte Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates. In ein ähnliches Horn stößt der Bundesvorsitzende der Mittelstandsvereinigung der Union (MIT), Carsten Linnemann. Die Aufteilung gehe „mitten ins Mark der CDU“, kritisierte er. „Die Verteilung der Ministerien lässt jede Ausgewogenheit vermissen.“
Zunehmend werden auch Stimmen laut, die dazu aufrufen, sich auf die Zeit nach einem Abgang der derzeitigen Vorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel vorzubereiten. „Wir müssen uns in der CDU schon jetzt überlegen, wie wir uns ohne Merkel personell neu aufstellen“, sagte der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch der Rheinischen Post. „Denn diese Legislaturperiode kann auch sehr schnell vorbei sein“, begründete er laut Vorabbericht seinen Appell.
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