Streit bei den Wirtschaftsweisen: Expertin beschädigt sich selbst
Manche wittern hinter dem Streit eine Intrige gegen die Wirtschaftsweise Veronika Grimm. Tatsächlich geht es um etwas anderes.
![Die Wirtschaftsweisen auf dem Podium der Bundespressekonferenz Veronika Grimm (z.v.r.) spricht - Die Wirtschaftsweisen auf dem Podium der Bundespressekonferenz Veronika Grimm (z.v.r.) spricht -](https://taz.de/picture/6844078/14/34725067-1.jpeg)
D arf Veronika Grimm als eine von fünf Wirtschaftsweisen ein Mandat als Aufsichtsrätin in einem großen Industrieunternehmen annehmen? Ja, sie darf, formal ist dagegen nichts einzuwenden. Das Sachverständigenratsgesetz von 1963 schließt die Wahl eines Ratsmitglieds in einen Aufsichtsrat nicht aus.
Die Frage beim mittlerweile nicht mehr internen Streit des wichtigsten ökonomischen Beratergremiums der Bundesregierung ist aber eine andere: Ist eine solche Doppelrolle legitim? Das ist eine moralische und keine juristische Frage. Und die ist klar mit Nein zu beantworten.
Nicht nur, weil die Interessenüberschneidung klar auf der Hand liegt. Die Professorin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist Energieexpertin, Siemens Energy, wo Grimm das Mandat bekommen soll, ist ein Konzern im Bereich der konventionellen und erneuerbaren Energien.
Das Nein zum Mandat ergibt sich auch aus einem gesellschaftlichen Wandel: Früher wurden solche Personalien gern hinter verschlossenen Türen verhandelt, die Bevölkerung wurde mit dem Ergebnis überrascht und musste es schlucken. So einfach geht das heute nicht mehr, vielmehr müssen Compliance-Regeln eingehalten werden, Kontrollgremien überwachen Vorgänge wie diese und können Einspruch erheben. Das ist Demokratie. Und das soll Korruption verhindern. Auch werden solche Vorgänge heute viel schneller öffentlich, der „Brandbrief“ der vier anderen Wirtschaftsweisen, die sich gegen die Annahme des Mandats ihrer Kollegin aussprechen, ist im Internet nachzulesen.
Manche wittern hinter dem Streit eine Intrige gegen Grimm. So kann man das sehen. Man kann aber auch anerkennen, dass Grimm mit ihrem ökonomischen Konservatismus, der zuweilen ins Neoliberale abgleitet, vor allem die Interessen der Unternehmen im Blick hat. Insofern wundert es nicht, dass Siemens sich sie als Aufsichtsrätin wünscht. Und dass Grimm jetzt vor allem von Konservativen unterstützt wird. Ihrer eigenen Reputation hat Grimm trotzdem keinen Gefallen getan.
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