Störer bei Automesse in München: Polizei stört Protest gegen IAA
In München geht die Polizei rigoros und im Vorfeld gegen angebliche Störer der Automesse IAA vor. Möglich macht das ein bayerisches Polizeigesetz.
Am Mittwochabend treffen sich etwa 40 Aktivist*innen, zu einem Spaziergang nahe des Münchner Odeonsplatzes. Man wolle sich lediglich die Ausstellungsfläche der Autobauer und die Aneignung der Innenstadt ansehen, betont eine Teilnehmerin gegenüber der taz. „Es lagen Erkenntnisse über geplante Störungen vor“, sagt hingegen die Polizei, erteilte Platzverweise und ermittelt nun wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Hausfriedensbruchs und Erschleichens von Leistungen.
Der mit der Internationalen Automobilmesse IAA einhergehende Polizeieinsatz – der größte der letzten 20 Jahre in der bayerischen Landeshauptstadt – macht sich ganz unmittelbar im Alltag bemerkbar. München wirkt wie ein Polizeistaat light. Neben Antiterrormaßnahmen, wie z. B. Straßensperren, gibt es auch abseits der satirischen Stadtführung unzählige Personenkontrollen, meist jüngerer, alternativ wirkender Menschen, und Platzverweise.
Einer, der lieber anonym bleiben will, berichtet der taz, er sei am Mittwochmittag wegen eines Stickers in der Tasche vier Stunden im Gewahrsam verbracht worden, habe den Sticker aber behalten dürfen. Im Anschluss erhielt der junge Mann einen Platzverweis.
Auch am Klimacamp auf der Theresienwiese kontrolliert die Polizei – nächtliche Helikopterflüge inklusive. Um das Gelände stehen Polizeifahrzeuge postiert. „Wir fordern ein Ende der willkürlichen Kriminalisierung“, heißt es von den Veranstalter*innen des Mobilitätswende Camps. Auch am Münchner Hauptbahnhof kam es am Anreisetag für die angekündigten Massenaktionen zu Kontrollen.
Laute Kritik am Polizeiaufgabengesetz
Im Polizeibericht heißt es dazu: „Nachdem im gesamten Tagesverlauf vermehrt Hinweise auf beabsichtigte Stör- oder Protestaktionen im Stadtgebiet bekannt wurden, fanden anlassbezogen mehrere Personenkontrollen statt.“
Möglich wird das alles, durch das bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG). Gegen dessen Novelle hatte es 2018 Großdemonstrationen gegeben. Erst im Juli wurde das Gesetz wieder verschärft. Für mehr Transparenz und Schutz der Bürgerrechte sorge das, heißt es vom Innenminister Joachim Herrmann (CSU). So seien nun Rechtsmittel „übersichtlicher“ gestaltet und eine Beschwerde vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht möglich. Der Begriff „drohende Gefahr“ sei klarer definiert.
In der Debatte rund um die Novelle im bayerischen Landtag kritisierten FDP, Grüne und SPD diesen aber immer noch als zu ungenau. Für viel Kritik sorgte auch die sogenannte Zuverlässigkeitsüberprüfung im Kontext von Großveranstaltungen.
Der Innenminister versicherte wiederholt, es gehe um Terrorabwehr und die Überprüfung von Mitarbeiter*innen bei Großveranstaltungen, nicht um Besucher*innen. Identitätsfeststellung und Platzverweise sind nach PAG schon lange zur Gefahrenabwehr möglich. Auch Durchsuchungen sind im präventiven Polizeirecht bei einem Verdacht auf Straftaten möglich.
Rechtsmittel erst im Nachgang
Auf Grundlage des PAG sitzen auch neun Aktivist*innen von Aktion Autofrei, die sich am Dienstag von Autobahnbrücken abgeseilt, Transparente entrollt und Schilder umgestaltet hatten, bis zum Ende der Messe in der JVA in Präventivhaft. Das diene der Unterbindung weiterer Störaktionen, so die Begründung des Amtsgerichts Erding, das die Haftprüfung vornahm. Rechtsmittel gegen den Freiheitsentzug sind erst im Nachgang möglich.
Dabei werden Polizeieinsätze im Nachhinein immer wieder für unrechtmäßig erklärt: Sei es die Räumung des Hambacher Forstes 2018oder der Überflug des G8-Protestcamps in Heiligendamm 2007.
Die Aktivist*innen der Aktion Autofrei erheben in einem Statement Vorwürfe gegen die Polizei. Es habe sich nicht um einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gehandelt, die Maßnahme sei unverhältnismäßig. Vier Personen, die im Kontext der Kletteraktion die Preisgabe ihrer Identität verweigerten, befinden sich in Untersuchungshaft.
Der CSU-Generalsekretär Markus Blume freute sich auf Twitter über die harte Hand gegen die Aktivist*innen. Wer sich mit der Autoindustrie anlegt, bekommt es in Bayern mit der CSU zu tun.
Grüne wollen nach der Messe bewerten
Der Münchener Stadtrat ist rot-grün regiert und hatte der Bewerbung der Messe München, als Austragungsort für die IAA zugestimmt. Als die Entscheidung auf die bayerische Landeshauptstadt als neuen Messeort fiel, hatte sich der Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) erfreut gezeigt.
Auf Anfrage der taz, wollten die Münchner Grünen den Polizeieinsatz zunächst nicht kommentieren. Eine umfassende Bewertung durch die Landtagsfraktion erfolge nach Ende der IAA, hießt es von Joel Keilhauer, Vorsitzender der Münchner Grünen. Parlamentarische Beobachter seien rund um das Protestgeschehen unterwegs. „Friedliche, kreative Protestformen, bei denen niemand zu Schaden kommt, müssen erlaubt und möglich sein und sind legitim“, so Keilhauer weiter.
Die Grünen rufen zu Protesten am kommenden Samstag auf, etwa zu einer Radsternfahrt. Die Veranstalter*innen sind mit ihrer Klage, die Route über die Autobahnen A8, 9, 94 und 96 zu führen, vor dem Oberverwaltungsgericht gescheitert.
Das Citizen Lab vor dem Münchner Rathaus, ein sogenannter Ort für Dialoge, war am Donnerstagmittag eher mäßig besucht. Wie sehr man kritischen Stimmen zuhören will, haben die letzten Tage ja gezeigt.
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