Steuerrabatt für ausländische Fachkräfte: Gesellschaftlicher Zündstoff
Steuererleichterungen für Fachkräfte aus dem Ausland sind die falsche Idee, um Personal anzuwerben. Sinnvoller wären Investitionen in Deutschkurse.
G ut gemeint ist oft das Gegenteil von gut gemacht. So sieht es die Arbeitgeberlobby auch beim Thema Steuerrabatte für Fachkräfte aus dem Ausland. Damit wollte Finanzminister Christian Lindner eigentlich den Fachkräftemangel bekämpfen, doch die Wirtschaft lehnt bisher dankend ab. Neben BDI-Chef Siegfried Russwurm und DIHK-Chef Peter Adrian äußert sich auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger ablehnend: Der Vorschlag widerspreche der Steuergerechtigkeit und sei innenpolitisch das falsche Signal.
600 Millionen Euro würden die Rabatte laut Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft mindestens kosten. Doch angesichts knapper Kassen stellt sich die Frage, ob dieses Geld nicht anderswo besser angelegt wäre. So geben Expert*innen zu bedenken, dass ein besseres Kita-Angebot, Maßnahmen gegen den Wohnungsmangel, weniger Bürokratie und nicht zuletzt eine Stärkung der Goethe-Institute, bei denen im Ausland Deutsch gelernt werden kann, bessere Maßnahmen wären, um Fachkräfte herzulocken.
Vor allem aber – und da hat der Arbeitgeberpräsident recht – kratzen solche Rabatte am Gerechtigkeitsempfinden. Nicht umsonst warnen die Gewerkschaften, dass diese Steuernachlässe „gesellschaftlicher Zündstoff“ seien und das rassistische Klima im Land weiter aufheizen würden. Allein deswegen sind sie kontraproduktiv. Welche Fachkraft will schon in ein Kaff ziehen, wo sie nicht willkommen ist?
Deutschland muss Einwanderungsland bleiben
Hinzu kommt: Rabatte für Gutverdienende machen das Migrationsregime auch nicht humaner. Und es werden nicht nur Ingenieur*innen gebraucht. Auch Pflegekräfte und Paketbot*innen werden dringend gesucht. Deutschland ist und muss ein Einwanderungsland bleiben, will es nicht vor die Hunde gehen.
Immerhin hat FDP-Chef Christian Lindner den Gegenwind gespürt und ist sich jetzt nicht mehr so sicher, ob seine Idee so brillant ist. Diese Einsicht wäre auch bei seinem krampfhaften Festhalten an der Schuldenbremse wünschenswert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis