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Steuerrabatt für ausländische FachkräfteGesellschaftlicher Zündstoff

Simon Poelchau
Kommentar von Simon Poelchau

Steuererleichterungen für Fachkräfte aus dem Ausland sind die falsche Idee, um Personal anzuwerben. Sinnvoller wären Investitionen in Deutschkurse.

Finanzminister Lindner wollte mit einem Steuerrabatt den Fachkräftemangel bekämpfen Foto: Liesa Johannssen/reuters

G ut gemeint ist oft das Gegenteil von gut gemacht. So sieht es die Arbeitgeberlobby auch beim Thema Steuerrabatte für Fachkräfte aus dem Ausland. Damit wollte Finanzminister Christian Lindner eigentlich den Fachkräftemangel bekämpfen, doch die Wirtschaft lehnt bisher dankend ab. Neben BDI-Chef Siegfried Russwurm und DIHK-Chef Peter Adrian äußert sich auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger ablehnend: Der Vorschlag widerspreche der Steuergerechtigkeit und sei innenpolitisch das falsche Signal.

600 Millionen Euro würden die Rabatte laut Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft mindestens kosten. Doch angesichts knapper Kassen stellt sich die Frage, ob dieses Geld nicht anderswo besser angelegt wäre. So geben Ex­per­t*in­nen zu bedenken, dass ein besseres Kita-Angebot, Maßnahmen gegen den Wohnungsmangel, weniger Bürokratie und nicht zuletzt eine Stärkung der Goethe-Institute, bei denen im Ausland Deutsch gelernt werden kann, bessere Maßnahmen wären, um Fachkräfte herzulocken.

Vor allem aber – und da hat der Arbeitgeberpräsident recht – kratzen solche Rabatte am Gerechtigkeitsempfinden. Nicht umsonst warnen die Gewerkschaften, dass diese Steuernachlässe „gesellschaftlicher Zündstoff“ seien und das rassistische Klima im Land weiter aufheizen würden. Allein deswegen sind sie kontraproduktiv. Welche Fachkraft will schon in ein Kaff ziehen, wo sie nicht willkommen ist?

Deutschland muss Einwanderungsland bleiben

Hinzu kommt: Rabatte für Gutverdienende machen das Migrationsregime auch nicht humaner. Und es werden nicht nur In­ge­nieu­r*in­nen gebraucht. Auch Pflegekräfte und Pa­ket­bo­t*in­nen werden dringend gesucht. Deutschland ist und muss ein Einwanderungsland bleiben, will es nicht vor die Hunde gehen.

Immerhin hat FDP-Chef Christian Lindner den Gegenwind gespürt und ist sich jetzt nicht mehr so sicher, ob seine Idee so brillant ist. Diese Einsicht wäre auch bei seinem krampfhaften Festhalten an der Schuldenbremse wünschenswert.

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Simon Poelchau
Redakteur
ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.
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8 Kommentare

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  • @SOLLNDAS

    Ich habe mich auf das "...der AfD zur Kanzlerschaft verhelfen" bezogen. Und da hat die FDP schon eine besondere Geschichte. Ganz objektiv.

  • @D. MEIN

    Die Ampel vielleicht nicht, aber die FDP hätte nichts dagegen (*hust* Kemmerich *hust*).

    • @tomás zerolo:

      Nicht nur die FDP. Auch Habeck [1]:



      "Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck rechtfertigt geplante Steueranreize für ausländische Fachkräfte auch mit Blick auf die internationale Konkurrenzsituation. Mit der Maßnahme könne man eine «große Fachkräftelücke» schließen, sagte der Grünen-Politiker zu Beginn seiner Sommerreise in Stuttgart."



      So viel Objektivität sollte schon sein...



      [1] www.zeit.de/news/2...dische-fachkraefte

  • bei mir hat ein it-fachann aus der ukraine als klempner-azubi gearbeitet. warum er nicht in seinem beruf hier arbeitet? wg. mangelnder deutschkenntnisse. das ist einfach eine schande.



    so gehts vielen männern + frauen nicht nur aus der ukraine.

    lindner ist schlicht und einfach inkompetent. mit ein wenig nachdenken hätte er auf die gleiche lösung wie der o.a. taz-artikel kommen können.



    aber das ist wohl heils resort + der kann auch nicht so gut denken, was dies problem betrifft. das ist die einzig mögliche schlußfolgerung.

    desweiteren ersinnt die ampel noch mehr unsinnige abschiebe-möglichkeiten, um der afd-+unions-affinen bevölkerung zu gefallen.

    pech gehabt, union+afd leiden unter chronischer denkunfähigkeit, an die sich anzupassen einfach unintelligent, vulgo: dumm ist. avanti, dilettanti!

    göttin, schmeiß hirn vom himmel speziell auf die ampel! den andern ist eh nicht zu helfen.

  • Was ist das denn für eine Nebelkerze ?

  • Die jüngere Geschichte der Goethe-Institute ist ein kulturelles und strategisches Armutszeugnis. Nach dem Mauerfall wurden diese aus Kostengründen massenhaft geschlossen und die verbleibenden ähneln eher einem elitären Club, als einem Anziehungspunkt für deutschaffine Menschen. Wenn man sich stattdessen die Alliance française (das französische Pendant) ansieht, möchte man vor Scham im Boden versinken. 832 Standorte versus 158, dort werden ganze Kulturwochen mit Dutzenden Konzerten organisiert.



    Und nachdem die Fördermittel auch über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung und trotz des Bedarfs qualifizierter Einwanderung nicht substantiell erhöht wurden, sind die Prüfungsgebühren geradezu prohibitiv. Eine Goethe A1-Prüfung kostet z.B. in Kolumbien 170 €, B2 fast 400 € (nur die Prüfung, nicht der Sprachkurs), das ist ein halber bzw. mehr als ein Monatsmindestlohn. Unsere gallischen Nachbarn nehmen dafür ungefähr ein Viertel.



    Statt einzelstaatliches Klein-Klein könnte sich die EU international positionieren. Gemeinsame Kulturhäuser mit geteilter Rezeption, die Franzosen und Deutschen belegen eventuell jeweils ein Stockwerk, aber auch kleinere Länder könnten sich dort präsentieren.

  • Dieser Mann stellt so gut wie täglich seine Unfähigkeit unter Beweis.

    Auch eine Leistung, die mensch tragen muss.

  • Es kann der Eindruck entstehen, die Ampel möchte unbedingt der AfD zur Kanzlerschaft verhelfen.