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Stellenabbau bei ThyssenkruppAuf dem Rücken der Beschäftigten

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Soll die Transformation sozialverträglich oder raubtierkapitalistisch sein? Was bei Thyssenkrupp passiert, ist die Blaupause für andere Unternehmen.

Thyssenkrupp: Die Krise soll allein auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden Foto: Rene Traut/dpa

D as Management von Thyssenkrupp will in der Stahlsparte des Konzerns in großem Stil Arbeitsplätze abbauen. 5.000 Stellen sollen gestrichen, 6.000 ausgelagert werden. IG Metall und Betriebsrat betrachten diese Pläne mit Recht als Kampfansage. Den Beschäftigten ist zu wünschen, dass sie sich erfolgreich gegen diese Pläne wehren können. Die Neuwahlen kommen gerade richtig für die Stahlkocher:innen. Jetzt werden sie mehr Gehör finden als in anderen Zeiten.

Wie beim Autobauer Volkswagen hat auch der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp keine Probleme, trotz Krise Dividenden an Ak­tio­nä­r:in­nen auszuschütten – anstatt das Geld für die nötige Modernisierung und Bewältigung der Misere zu verwenden. Die schleppende Konjunktur, hohe Energiekosten und strukturelle Umbrüche machen Thyssenkrupp zu schaffen – wie vielen anderen Unternehmen auch. Gleichzeitig wird Thyssenkrupp vom Management und den An­teils­eig­ne­r:in­nen rücksichtslos ausgepresst, die Krise soll allein auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden.

Das macht nicht nur die Mit­ar­bei­te­r:in­nen wütend. Diese Form der Umverteilung von unten nach oben in großen Industrieunternehmen ist empörend. Das muss zum großen öffentlichen Thema werden. Denn dahinter steht die Frage, wie der klimagerechte Umbau der Industrie in Deutschland aussehen wird: sozialverträglich oder raubtierkapitalistisch? Was bei Thyssenkrupp passiert, ist die Blaupause für viele andere Unternehmen. Der Konzern gehört zu den Vorzeigeunternehmen der industriellen Transformation.

Der Staat fördert den Umbau für die Produktion von grünem Stahl mit viel Geld. Das ist richtig, die Industrie braucht Leuchttürme – aber eben nicht nur technische, sondern gerade auch sozialpolitische. Trotz des Job­ab­baus will das Management an dem Projekt festhalten. Aber: Milliarden an Förderung einstreichen und Jobs in großem Stil abbauen, verträgt sich nicht. Steckt der Staat Geld in das Unternehmen, muss er die Bedingung stellen, auf den Kahlschlag zu verzichten.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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11 Kommentare

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  • Der "klimagerechte Umbau der Industrie in Deutschland" sieht so aus, dass Industrieproduktion ins Ausland verlagert wird (senkt die klimaschädlichen Emissionen in Deutschland). Dadurch verlieren die Beschäftigten der Betriebe ihre Arbeitsplätze, was bei anderen Branchen, die von deren Kaufkraft abhängen, zu weiteren Entlassungen führen wird. Die dadurch entstehende Massenarbeitslosigkeit senkt den klimaschädlichen Konsum und führt wahrscheinlich auch zu einer "Verkehrswende" weg vom Auto, weil es dann weniger Leute gibt, die für den Arbeitsweg auf das Auto angewiesen sind, und vor allem weniger, die sich überhaupt ein Auto leisten können.

    Das ist "Degrowth" und möglicherweise, wenn man nur Deutschland in den Blick nimmt, auch "klimagerecht". Weltweit werden die Emissionen dadurch nicht reduziert, die entstehen eben woanders.

    Und selbstverständlich wird die sog. Transformation, wie alle anderen Transformationen in der Geschichte des Kapitalismus auch, "auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen". Auf wessen Rücken denn sonst?

    Ich will das nicht. Aber viele der in der taz regelmäßig erhobenen Forderungen der Klimaschützer, Wachstums- und Konsumkritiker werden damit erfüllt.

  • Die Verantwortung den Unternehmen zuzuweisen, ist falsch, denn für die wesentlichen Ursachen sind sie weder verantwortlich, noch können sie diese beheben.

    Die Wähler, die Bürger haben für ein Umfeld plädiert, in der Arbeit und Energie immer teurer wird. Bei Standardprodukten, die auf den Weltmärkten gehandelt werden (Baustahl, Eisenbahnschienen, Standardbleche, Basischmie,..) müssen die Unternehmen dem nachgeben. Sie sind ebenfalls Opfer.

    Schon jetzt macht Thyssenkrupp erhebliche Verluste im Jahr. Mit der angestrebten weltweiten Umstellung auf CO2-arme Produktionen werden die Energiekosten der Standorte unvermeidbar noch weiter auseinander laufen.

    In Äquatornähe liefert ein Solarmodul fast 4 mal so viel Strom wie hier und dazu: Auch wenn hier Winter ist. Skandinavische Länder haben Laufwasser. Frankreich hat Kernenergie, Belgien hat die Laufzeit von 2 Kernkraftwerken verlängert, um der Stahlindustrie verläßlich Strom zur Verfügung zu stellen. Deutschland wird zur Erzeugung gleicher Strommengen immer mehr Anlagen finanzieren, bereithalten und trotzdem noch teures Gas oder Kohle verfeuern müssen.

    Auch mit Wasserstoff kann an anderen Standorten viel günstiger produziert werden

  • Fakt ist, die Stahlbranche hat gewaltige Überkapazitäten. Und das nicht erst seit heute. Fakt ist auch, wenn Unternehmen bei der Dividende knausern, müssen sie schon sehr gute Gründe vorbringen, damit sie am Kapitalmarkt nicht massiv an Wert verlieren und damit noch weniger Spielraum für Investitionen haben. Wichtig wäre daher, dass die Konzernleitung eine echte Zukunftsvision zu bieten hätte, um Anteilseigner und Arbeitnehmer mitnehmen zu können. In dieser Hinsicht scheinen die Fähigkeiten der Führungsetage aber noch weit unter den Notwendigkeiten zu liegen.

  • "Denn dahinter steht die Frage, wie der klimagerechte Umbau der Industrie in Deutschland aussehen wird". Die Antwort liegt doch auf der Hand: Durch Verlagerung der Industrie ins Ausland.

    • @DiMa:

      Hat das Thyssen-Krupp nicht schon mal Anfang der 2000er versucht und ist damit finanziell kläglich gescheitert?

      • @Wurstfinger Joe:

        Ich betrachte das eher global. Einzelne Unternehmen machen (hier) zu, andere rücken (anderswo) nach.

  • Die Ampel ist mindestens mitschuldig.

    Man sollte die Schuld zwar auch, aber nicht nur bei den Unternehmen suchen. Die Energiepreise sind für Thyssenkrupp und andere Konzerne zum echten Problem geworden, die Hau Ruck Energiepolitik (E-Auto fördern und dann plötzlich einstellen) von Herrn Habeck für die Automobilindustrie. Klar, diese Konzerne haben große Fehler gemacht, aber erst durch die Energiepolitik und die Energiepreise sind sie endgültig ins Wackeln gekommen. Für mich ist sie Ampel mindestens genau so schuldig an der Misere.

    • @Hans Dampf:

      FYI: Die Weiterführung der Förderung der E-Autos wurde von der FDP blockiert. Berechtigterweise demnächst bei Wahlen unter "Sonstige" zu finden.

  • So ist das halt, wenn man Ökologische Wirtschaftspolitik mit der Brechstange durchdrücken will, wie Habeck mit Agora Energiewende zb.



    Stellenabbau und Ausschüttung an Aktionäre sind zwei paar Schuhe die fälschlicherweise oft gegeneinander ausgespielt werden.



    Das sind zwei paar Schuhe die erstmal nichts miteinander zu tun haben. Ein Unternehmen kann Gewinne einfahren und trotzdem in Deutschland nicht Kostendeckend produzieren können, was zu Stellenabbau führt.



    Dann sind „ausgelagerte“ Produkte gewinnbringend aber die heimischen nicht. Im Gesamten kann das dann zu großen Konzern- und Unternehmensgewinnen führen, dennoch kann ein Unternehmen die Deutschen Mitarbeiter nicht gebrauchen, weil ein anderer Standort eben finanziell besser passt.

    Nudging der Regierung funktioniert nicht, weil es in der Regel nicht dem ökonomischen Prinzip folgt. Denn am Ende zählt ausschließlich das Geld, egal wie Altruistisch Mensch ist.

  • "Soll die Transformation sozialverträglich oder raubtierkapitalistisch sein?"



    Welche "Transformation"?



    Stahlproduktion wird durch Umstellung auf einen teureren Energieträger nicht rentabler. Es sei denn, er wird dauersubventioniert.



    Und wenn die Subventionen weg sind (bzw. nicht mehr bezahlbar sind), dann ist auch der Stahl weg. Siehe Steinkohlebergbau.

  • "wie der klimagerechte Umbau der Industrie in Deutschland aussehen wird: sozialverträglich oder raubtierkapitalistisch?"

    Weder noch. Es wird ganz unkapitalistisch ohne Rücksicht auf Kosten und Absatzmärkte ein nationaler Alleingang durch massive staatliche Eingriffe forciert. Das Scheitern baden die dann nicht mehr Beschäftigten aus.