Steinmeier, Landtagswahlen und ISS: Möppeliger Hilfssheriff im Saloon

Die Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl sind schwach und stille Diplomatie wird als russlandfreundlich gescholten. Außerdem: Rückkehr von der ISS.

Wahlplakat von Mona Neubaur

Gut dabei trotz bayrischen Sprechs: Mona Neubaur Foto: Imago/Revierfoto

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Ich freute mich über Äußerungen des Papstes.

Und was wird in dieser besser?

Vielleicht um den herum eine neue Kirche gründen?

Der Bundespräsident und Selenski haben am Donnerstag über 45 Minuten miteinander telefoniert und sich versöhnt. Braucht die Welt mehr Versöhnungsanrufe?

Kommt drauf an, wer spricht. Aus Steinmeier die untergegangene deutsche Entspannungspolitik. Er darf sich allseits „russlandfreundlich“ zeihen lassen, wo man gestern noch von effi­zien­ter stiller Diplomatie sprach. Brandts „Wandel durch Annäherung“ wird auf einen gescheiterten „Wandel durch Handel“ verkürzt. Selenski forderte vor dem Bundestag von Deutschland „die Führungsrolle, die ihm zusteht“, und knüpfte damit an George W. Bushs „­partners in leadership“ von 1989 an. Höflich gesagt erscheint also offen, ob hier zwei Staatschefs über Wege aus der Kriegskatastrophe sprechen oder zwei Faktoren sich ihr Plätzchen in einem wesentlich größeren Spiel suchen. Deutschland als möppeliger Hilfssheriff, der lieber einen schwunghaften Saloon betreibt, als draußen den verdammten Rothäuten eins überzubrennen: Dies Framing hat Konjunktur – das Bild von Selenski, der gleich die ganze Welt verteidigt, auch. Vielleicht schaffen wenigstens die beiden ein Abrüstungsgespräch.

Das 9-Euro-Ticket kommt. Die Angst nimmt zu, dass das schöne Sylt nun in den Sommermonaten von Massen an Tou­ris­t:in­nen überrannt wird. Wie können wir die Reichen und Schönen schützen?

Solange der Landweg dahin Hindenburgdamm heißt, gehen geschichtsbewusste Gäste zu Fuß. Watt ihr wollt.

Es boomt der Secondhandmarkt. Ein Drittel kauft regelmäßig gebrauchte Kleidung. Sie auch?

Unter Corona machten die Container dicke Backen: Das Quarantänevolk mistete aus, doch Sortierwerke, Secondhandshops und die Lieferketten dahinter stauten. Nun flust es wieder: Die Hälfte geht in Putzlumpen und Schredderfasern, ein Gutteil nach Osteuropa, der Rest in die Dritte Welt. Nur 10 Prozent bleiben hier. Das ist eine profitable Industrie, die wenig mit dem altruistischen „Mit Wonne in die Tonne“ am gebrauchten Hut hat. Deswegen kann man die Freude am Gebrauchtlappen durchaus neben den Blödsinn des Kaufrauschs stellen: Verschwendung.

Es ist Wahlkampf in NRW. Hendrik Wüst gegen Thomas Kutschaty. Welcher der beiden verheirateten katholischen Juristen kämpft besser?

Bei Kutschaty staunen auch Landesinsassen, dass er schon mal sieben Jahre Minister gewesen sein soll. Bei Wüst ähnlich über die kühne Behauptung, er sei Ministerpräsident. Die Wahl wird bundespolitisch entschieden werden, zumal die Kampagnen von vor dem Krieg stammen. Dass die Grünen mit einer hörbar bayerischen Spitzenkandidatin sehr gut im Rennen liegen, zeigt die Schwäche der beiden anderen Spitzenkandidaten.

Auf einen offenen Brief in der Emma, worin Intellektuelle und Prominente sich gegen die Lieferung schwerer Waffen aussprachen, folgte ein offener Brief in der Zeit pro kontinuierliche Waffenlieferungen in die Ukraine. Ist Briefe zu unterzeichnen die neue Art, Debatten auszutragen?

Die Zivilgesellschaft streitet, das war vor dem Krieg ein wichtiger Exportschlager der „westlichen Demokratien“. Man muss hüben wie drüben nicht jedes Argument zwingend und jede Gefühlsaufwallung mitreißend finden. Doch es ist ein verdienstvoller Schlag gegen die drohende Generaldebilmachung.

Ein halbes Jahr lang war der Astronaut Matthias Maurer auf der „ISS“. Am Freitag landete er auf der Erde. Hätte er doch im All bleiben sollen?

Beim Blick auf die Erde hatte er nicht wirklich die Option, zu sagen: Da unten gibt’s kein intelligentes Leben, lass uns weiterfliegen. Mit den russischen „Weltraum-Brüdern“ habe er sich gut verstanden, der US-Kommandant herzte die Kosmonauten bei der Übergabe im All. Die „ISS“ und die Erde nebeneinander betrachtet: Welche Mission geht gerade schief?

Die Eintracht hat sich ins Europa-League-Finale gekickt. Sind wir jetzt alle Frankfurter?

„Der schlafende Riese“, der „Klub der Wunder“: Das war mal eine schöne Woche für die Kol­legInnen im Sportressort der FAZ.

Und was machen die Borussen?

Nachbar Rot-Weiss Essen hat auf Platz zwei den Trainer entlassen, sprang sogleich auf Platz eins und könnte kommendes Wochenende nun Meister werden und in die 3. Liga aufsteigen. Es ist ein bisschen vereins­promisk, aber total tröstlich.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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