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Stefan Kornelius als RegierungssprecherDer perfekte Mann für den Job

Pauline Jäckels
Kommentar von Pauline Jäckels

Für das Amt des Regierungssprechers ist Stefan Kornelius wunderbar geeignet. Fragwürdig ist an der Sache etwas ganz anderes.

Stefan Kornelius, Ressortleiter bei der SZ, wird neuer Regierungssprecher Foto: Christophe Gateau/dpa

S tefan Kornelius, langjähriger Ressortleiter Politik bei der Süddeutschen Zeitung, ist die perfekte Besetzung für das Amt des Regierungssprechers. Denn für diesen Job braucht es jemanden, der gut vernetzt ist, in wichtigen politischen Fragen die Linie der Bundesregierung vertritt – und sich mit Propaganda auskennt.

Auf Kornelius trifft all das zu. Er ist seit langem Mitglied der Atlantik-Brücke, eines Lobbyvereins, dessen erklärtes Ziel die „Förderung der Völkerverständigung“ zwischen Deutschland und den USA ist. Völkerverständigung ist in diesem Kontext allerdings ein Euphemismus für Public Diplomacy, die im Kern nichts anderes bedeutet als Auslandspropaganda. Auch bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik ist Kornelius Mitglied – einem Thinktank, dessen Aufgabe es ist, „die außenpolitische Meinungsbildung auf verschiedenen Ebenen zu beeinflussen“, also ebenfalls Propaganda. Zudem sitzt er im Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, deren Ziel es ist, Führungspersonal auszubilden, „das befähigt ist, nationale Interessen im internationalen Bereich wirkungsvoll zu vertreten“.

Bitte nicht falsch verstehen – der Begriff Propaganda wird hier nicht im populären Sinne, sondern im politikwissenschaftlichen Sinne verwendet. Gemeint ist die Praxis staatlicher Akteure, die öffentliche Meinung über das strategische Verbreiten von Informationen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Das machen alle Staaten, auch wenn sie es gerne anders nennen – Öffentlichkeitsarbeit etwa oder Public Diplomacy.

Und genau deshalb ist es auch nicht überraschend, dass Journalisten in das Amt des Regierungssprechers berufen werden. In Deutschland hat das nicht zufällig Tradition. Eine der Hauptaufgaben eines Regierungssprechers ist es, die Arbeit der Bundesregierung in der Öffentlichkeit in ein möglichst positives Licht zu rücken. Das geschieht eben vorrangig über die Presse. Und wer kennt sich mit der Presse besser aus als die Presse selbst?

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Fragwürdig ist an dieser ganzen Sache vor allem eines: Wie kann es sein, dass Kornelius Ressortleiter bei einer der wichtigsten deutschen Tageszeitungen ist – und gleichzeitig Mitglied in Organisationen, die zu genau jenen Themenfeldern Lobbyarbeit im Sinne der Bundesregierung betreiben? Wie kann ein Journalist, der die Bundesregierung in Sachen Sicherheitspolitik berät, über ebenjene Politik mit der gebotenen Distanz berichten?

Natürlich lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, inwiefern Kornelius’ Tätigkeiten bei diesen Organisationen seine Berichterstattung beeinflusst haben – dazu müsste man in seinen Kopf schauen. Aber genau das ist eben das Problem: Wenn führende Redakteure zugleich in regierungsnahen Gremien und Lobbystrukturen aktiv sind, verwischt das die Grenze zwischen unabhängiger Berichterstattung und strategischer Kommunikationsarbeit. Der Leser weiß nicht mehr, ob er einem kritisch-analytischen Text begegnet – oder einer subtilen Form von Regierungs-PR im journalistischen Gewand.

Kornelius ist kein Einzelfall – die Nähe zwischen Hauptstadtjournalismus und Bundesregierung ist ein grundsätzliches Problem. Eine demokratische Medienlandschaft, die als Kontrollorgan der Macht fungieren soll, braucht Journalisten und Journalistinnen, die zu Machtzentren sichtbar Abstand halten – nicht solche, die Teil von ihnen sind.

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Pauline Jäckels
Meinungsredakteurin
Redakteurin im Meinungsressort seit April 2025. Zuvor zuständig für die parlamentarische Berichterstattung und die Linkspartei beim nd. Legt sich in der Bundespressekonferenz gerne mit Regierungssprecher:innen an – und stellt manchmal auch nette Fragen. Studierte Politikwissenschaft im Bachelor und Internationale Beziehungen im Master in Berlin und London.
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17 Kommentare

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  • Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

    Die Moderation 

  • Vielen Dank für diesen Bericht! Ich lese seit Jahren die SZ und damit auch die Artikel von Stephan Kornelius ohne von seinen Verbandsmitgliedschaften zu wissen. Das hätte ich gerne früher gewusst.

  • Gerd Grözinger , Autor , Prof., Europa-Univ. Flensbu

    Danke für den kritischen Hinweis. Zur Ergänzung empfehle ich Precht/Welzer, Die Vierte Gewalt, Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist, wo Kornelius im Zusammenhang mit einer kritischen Untersuchung dazu namentlich genannt ist.

  • siehe "Die Anstalt" 2014.

  • Ein sehr guter Artikel, der selbstkritisch auch die Medien berücksichtigt. Wie hatte mal Herr Pispers treffend formuliert, dass der Großteil der Zeitungen und privaten Sender nur vier bis fünf (sehr) wohlhabenden Familien gehören. Denn die Medien sind ausschlaggebend, wie wir Konsumenten die Welt wahrnehmen, und somit haben diese Medien eine sehr hohe Verantwortung so objektiv und investigativ wie möglich zu sein. Natürlich machen sich die Konsumente ihr eigenes Bild, das aber auf Informationen der Medien basiert.

  • Herzlich willkommen bei der TAZ Frau Jäckels! Verfolge Sie schon lange in der nd und der BPK.



    Die Antwort auf die rhetorische Frage lautet wohl: kann er nicht.



    Aber das ist immerhin konsistent und erwartbar bei einer Regierungspartei, bei der das C nichts zu suchen hat, und das D auch langsam nicht mehr genau weiß, was es soll.

  • "Genau das ist das Problem..."



    Genau was ist das Problem?



    "...man müsste in Kornelius Kopf schauen (ob der die Propaganda überhaupt rapportiert)..."



    Das müsste man allerdings bei jedwelcher Kandidatin / jedwelchem Kandidaten - auch ohne Vereinszugehörigkeit.



    Bleibt also wie immer: in den eigenen Kopf zu schauen.

  • Die Bewertung der Atlantik Brücke erscheint mir unterkomplex.



    Die historische Bedeutung im Sinne der Demokratisierung und Unterstützung Deutschlands und freundschaftlicher Beziehungen zu den USA ist nicht zu unterschätzen.



    Die aktuellen Wortmeldungen des Vorsitzenden Gabriel habe ich als äußerst zutreffend empfunden.



    Gabriel geht mit Trump und seiner Politik alles Andere als vorsichtig um.



    Hier spricht nicht nur Jemand, der nur wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den USA möchte, sondern ein echter Demokrat, der sich auch im Sinne der demokratischen AmerikanerInnen äußert.



    Klar ist das auch ein Lobbyverein, das sind der NABU und Greenpeace übrigens auch.



    Es kann nicht in unserem Sinne sein, uns wegen eines verpeilten Präsidenten von einem Land und seinen Bewohnern abzuwenden. Noch ist die USA nicht verloren aber ohne die USA, als Demokratie, sähe es düster aus.



    Lobbyarbeit für Demokratie finde ich also richtig und zielführend. Wenn das auch der Weg der Regierung sein wird, so ist auch das zu begrüßen.

  • "nicht solche, die Teil von ihnen sind."



    Abstand - so wie Ines Pohl zu olle Dieckmann.



    taz.de/Bild-ohne-F...rauentag/!5098871/

  • Ein hehres Ziel. Und alt....schon 2014 hat die Satiresendung "die Anstalt" genau jene Verknüpfungen zwischen den Transatlantischen Lobyismusinstitutionen und leitenden Chefredakteuren fast aller namhaften Blätter dieser Republik aufgedeckt hätte. Auch die Zeit, FaZ etc. Die Springerpresse fordert zum Beispiel von ihren Redakteuren die unbedingte Loyalität zur Nato in ihren "essentials".



    Pressesprecher müsste also entweder ein Journalist der TAZ sein....

    • @Stefan Schmitt:

      Nur musste die Anstalt wegen ihrer "Westliche Panzer sind schlecht, russische Panzer sind gut"-Haltung schon zu Kreuze kriechen.

  • In der Liste der Regierungssprecher der BR und Amtschefs des BPA der Bundesrepublik Deutschland fand ich keine einzige Frau.



    - Selbst unter Angela Merkel nicht -



    Aber Journalist ist die vorrangige Berufsbezeichnung.

    www.sueddeutsche.d...e-medien-1.6083153

    Paris, Washington, Moskau scheinen hier fortschrittlicher zu sein.

  • Ich kann daran nichts verwerfliches finden, selbst wenn man die SZ nicht mag. Ich gehe davon aus, dass Kornelius´ Engagement bei der SZ zurückgefahren wird. Nachdem Steffen Seibert damals Regierungssprecher wurde, wurde er im ZDF auch nicht mehr gesehen. Sollte Kornelius weiterhin relevante Artikel in der SZ verfassen, wäre das etwas anderes. Dann kann man sich auf die Suche nach einem Skandal machen. Der wäre dann aber bei der SZ zu suchen und nicht bei der Regierung.

    • @peakoil:

      In der SZ steht, dass Herr Kornelius nicht mehr für die Zeitung arbeiten wird.

    • @peakoil:

      Sie haben vielleicht etwas am wirklichen Punkt des Kommentars vorbeigelesen... es geht nicht primär darum, was Kornelius im neuen Amt machen wird. Sondern darum, dass Kornelius _bisher_ gleichzeitig Lobbyist/"Politikberater" und leitender Journalist für die gleichen Themenfelder war.

  • Schade,dass kein taz Redakteur zur Verfügung stand

  • Ach was! Loriot

    “Wer die Medien kontrolliert, kontrolliert den Verstand.“



    & derselbe - Kurt Vonnegut -



    “Sei vorsichtig, was du vorgibst zu sein, denn du bist, was du vorgibst zu sein.“



    Nicht wahr - Herr Stefan Kornelius



    & wie schon der alte Ben aKiba - News & 🌞 -



    “Die Geschichte ist lediglich eine Überraschungsliste. Sie kann uns nur darauf vorbereiten, aufs Neue überrascht zu sein.“

    Aber trösten wir uns damit:



    “Darum hat Kurt Vonnegut einmal gefragt: "Was ist das für eine Presse, die wir heute haben, wenn man Bücher lesen muss, um zu wissen, was in der Welt passiert?" – Armin Wertz: Meister der geheimen Kriege, 22. März 2017 heise.de.



    ("And still on the subject of books: Our daily sources of news, papers and TV, are now so craven, so unvigilant on behalf of the American people, so uninformative, that only in books can we find out what is really going on. I will cite an example: House of Bush, House of Saud by Craig Unger, published near the start of this humiliating, shameful blood-soaked year." - „I Love You, Madame Librarian“. 6. August 2004 inthesetimes.com)



    Bleibt also Hoffnung - Poop & Hope - Gellewelle

    Na Mahlzeit - “Zeit ist Geld, und Geld ist Zeit." •