Stallhaltung in Deutschland: Schweineparadies in Gefahr
Die Ampel hatte Bauern Geld versprochen, die ihre Schweinehaltung verbessern. Nach dem Regierungskollaps ist die Zukunft des Programms ungewiss.
Aber Barth reicht das nicht. Er baue gerade ein „Schweineparadies“, sagt der 30-Jährige. Dafür erhält er als einer der ersten Landwirte Geld vom Bundesprogramm „Förderung des Umbaus der Tierhaltung“, das Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) durchgesetzt hat.
Mit den 600.000 Euro Zuschuss vom Bund lässt Barth den 56 Meter langen Stall um 7 Meter verbreitern. Eine Planierraupe hat einen so großen Streifen Erde direkt neben dem Gebäude gerade plattgewalzt. Sie steht noch da, als der taz-Reporter den Hof besucht. Bald kommt Beton auf den Boden. Später soll er tief mit Stroh eingestreut werden.
Schweine lieben das, denn sie können mit ihren Schnauzen in den getrockneten Halmen wühlen, wie es ihr Instinkt verlangt. Jedes 110 Kilogramm schwere Tier soll am Ende mindestens 2,5 Quadratmeter Platz haben – mehr als doppelt so viel wie bisher und mehr als dreimal so viel wie vorgeschrieben. Barth hofft, künftig dann Ferkel kaufen zu können, denen nicht mehr der geringelte Teil des Schwanzes abgeschnitten wird. Diese Amputation soll verhindern, dass sich die Tiere vor lauter Langeweile gegenseitig die Schwänze blutig beißen.
Bis zu 60 Prozent Förderung
Nicht billig ist das „Schweineparadies“, das Veganer natürlich nie so bezeichnen würden, weil die Tiere ja immer noch in Gefangenschaft leben und am Ende einen frühen Tod beim Schlachter sterben. Aber die meisten Menschen essen eben immer noch Fleisch: Knapp 1,3 Millionen Euro investiert Barth nach eigenen Angaben in die Anlage für seine 800 Schweine. „Das geht nur, weil ich 50 Prozent Förderung bekomme“, sagt der Bauer, der Jeans, Sportschuhe und einen roten Kapuzenpullover mit dem Namen seines Hofladens auf dem Revers trägt.
Die meisten Tiere in Deutschland leben unter fragwürdigen Bedingungen. Umfragen zeigen, dass viele Menschen die aktuelle Tierhaltung kritisieren. Sie ist zudem dafür verantwortlich, dass die Landwirtschaft inklusive der Emissionen aus Böden und Maschinen laut Umweltbundesamt 13 Prozent der Treibhausgase hierzulande verursacht. Viele Tiere produzieren auch hohe Gülleüberschüsse, die das Wasser belasten und zum Artensterben beitragen. Mehr Platz für jedes Tier könnte die Viehbestände und Umweltschäden reduzieren.
Das Programm zum Stallumbau ist neben der verpflichtenden Kennzeichnung der Haltungsbedingungen eines der wenigen großen Tierschutz-Projekte, die die Ampelkoalition beschlossen hat. Der Bund subventioniert seit diesem Jahr Schweinebauern, die auf die Haltungsformen Frischluftstall, Auslauf/Freiland und Bio umbauen oder die Tiere bereits so halten. Wer bis zu 500.000 Euro investiert, bekommt 60 Prozent vom Bund. Für Beträge darüber und bis 2 Millionen gibt es 50 Prozent, bis 5 Millionen 30 Prozent. Ab 2025 will der Staat auch die laufenden Kosten bezuschussen, die durch die Haltungsformen „Frischluftstall“, „Auslauf/Weide“ und „Bio“ im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard zusätzlich entstehen. Doch nach dem Aus der Ampelkoalition ist die Zukunft des Programms unklar.
Warum nimmt Barth an dem Bundesprogramm teil? „Für meine Vermarktung muss ich und will ich auch das Tierwohlrad an sich weiterdrehen“, antwortet der Schwabe. „Bei hoher Qualität erwartet der Kunde heutzutage Stroh.“ 70 Prozent seiner Kunden kämen zu ihm, weil es seinen Schweinen besser geht als denen für den Massenmarkt, schätzt Barth. „Der Trend zum Nachhaltigen, zum: Ich kaufe da ein, wo ich weiß, wo’s herkommt, der ist einfach da“, ergänzt der Landwirt. Das sehe er an seinen Kunden, von denen viele Grüne, aber vermutlich auch AfD wählten. „Beide wollen Tierwohl.“
Nur 40 bewilligte Anträge
Seine Kunden zahlten an seinen Marktständen oder in seinem Hofladen schon jetzt 10 bis 15 Prozent mehr fürs Fleisch als anderswo, zum Beispiel rund 14 Euro pro Kilogramm Schweinekamm. Viel mehr als das könne er aber nicht nehmen, um den Stallumbau zu bezahlen. „Ich find’s gut, dass die Bundesförderung kommt“, sagt Barth. „Ich finde es auch gut, dass Özdemir gemacht hat, was er versprochen hat.“
Das Problem ist bloß: Außer Barth haben bis 23. Oktober laut Bundesagrarministerium nur rund 130 der Ende Mai rund 15.000 Schweinehalter in Deutschland insgesamt 83 Millionen Euro Investitionsförderung beantragt. Lediglich ungefähr 40 Anträge sind bis zum Stichtag bewilligt worden. Wahrscheinlich wird der Bund die für das Programm im Haushaltsplan 2024 vorgesehenen 150 Millionen Euro nicht komplett ausgeben.
Barth sagt, er kenne keinen einzigen Kollegen, der ebenfalls die Förderung beantragt hat. „Ich bin überzeugt, dass die Förderung nicht so läuft, wie es der Minister sich gedacht hat“, so der Bauer. An sich sei das Bundesprogramm gut, „weil in der Schweinehaltung muss was gemacht werden, weil der Kunde und Verbraucher das will.“ Die Förderhöhe sei auch völlig ausreichend.
Aber: „Das Problem ist, dass man nicht aufstocken kann.“ Tatsächlich gibt es das Geld vom Staat nur, wenn der Antragsteller wegen des Umbaus nicht mehr Schweine hält als vorher. „Das macht’s schwer, eine Finanzierung zu kriegen“, erläutert Barth. Banken wollten sehen, dass der Umsatz wächst, wenn der Landwirt einen Kredit investiert. Ohne mehr Tiere sei das für die meisten Höfe aber schwer. Oft zahlten die Schlachter gar keinen Preisaufschlag für Fleisch aus besseren Haltungsformen, und wenn, nicht genug. Sein Betrieb sei eine Ausnahme, weil er sein Fleisch sowieso schon hauptsächlich mit dem Argument Tierwohl und ausschließlich direkt an den Verbraucher verkauft.
Den Zuschuss zu den laufenden Kosten hat Barth gar nicht erst beantragt. Der bürokratische Aufwand ist ihm zu groß für das vergleichsweise wenige Geld. Tatsächlich müssen Bauern sich regelmäßig kontrollieren lassen.
Zukunft? Ungewiss.
Und es gibt noch eine große Hürde: Laut Agrarministerium haben bis Ende Oktober rund 370 Höfe die Anerkennung als förderungsfähiger Betrieb beantragt. Das ist die Voraussetzung dafür, dass sie dann jedes Jahr das Geld anfordern können. Es soll das erste Mal 2025 ausgezahlt werden. Zwei Drittel sind den Angaben zufolge Biohöfe, die die Anforderungen wie einen intakten Ringelschwanz und regelmäßige Kontrollen sowieso erfüllen.
Auch die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) kritisiert, dass „die Zugangsvoraussetzungen sehr hoch sind“ für das Bundesprogramm. Der Deutsche Bauernverband macht für die geringe Zahl von Anträgen auf Investitionsförderung zudem verantwortlich, dass viele Landwirte keine Genehmigung etwa für einen modernen Außenklimastall bekommen würden. Denn bei solchen Anlagen entweichen die Gerüche, etwa der Gülle, direkt in die Umwelt, es gibt keinen Filter wie in geschlossenen Ställen. „Dieses Programm leistet mit dieser finanziellen Ausstattung und den eingebauten Beschränkungen keinen ernsthaften Beitrag zum Umbau der Tierhaltung in der Fläche“, urteilt der Bauernverband. Die ISN spricht nur von „einem ganz kleinen Schritt nach vorne“. Auch der Deutsche Tierschutzbund kritisiert, dass der Etat des Programms viel zu klein sei.
Doch Özdemirs Ministerium teilt der taz mit, aus seiner Sicht „wird das Programm gut angenommen“. Der Bundestag habe auf Vorschlag der Ampel das Baugesetzbuch so geändert, dass Stallumbauten außerhalb leichter genehmigt werden. Warum das Ministerium darauf beharrt, dass die Höfe nicht mehr Tiere halten nach dem Umbau, lässt die Pressestelle auch nach mehreren Nachfragen unbeantwortet. Die Ampel stelle aber für die Weiterentwicklung der Tierhaltung 1 Milliarde Euro aus dem Haushalt bereit – so viel Geld „wie keine Bundesregierung zuvor“.
Das war vor dem Bruch der Ampel. Im Haushaltsentwurf für 2025 hatte sie für das Programm 200 Millionen Euro vorgesehen. „Dieser Haushalt hat sich mit dem Aus der Koalition aber nun erst mal erledigt“, kritisiert der Deutsche Tierschutzbund.“ Könnte die Förderung bei einer vorläufigen Haushaltsführung weiterlaufen? Ein Sprecher des Ministeriums antwortet der taz nur, „dass ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine weiteren Auskünfte zur Haushaltsaufstellung geben kann“. Steffen Bilger, Vize-Chef der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, schreibt der taz: „Bei der dauerhaften Finanzierung milliardenschwerer Kosten für bessere Haltungsbedingungen steht Cem Özdemir komplett blank da.“
„Die überschaubare Anschubfinanzierung, die Cem Özdemir in seiner zu Ende gehenden Amtszeit im Bundeshaushalt für den Stallumbau und damit für mehr Tierwohl sichern konnte, ist allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Bilger. Das würde sogar gelten, wenn das Bundesprogramm doch noch seine 1 Milliarde Euro in den nächsten Jahren erhielte. Wenn wie bisher 75 Prozent des Geldes für Investitionen ausgegeben würden und jeder Hof wie bislang im Schnitt 600.000 Euro bekäme, würde das nur für ungefähr 1.300 Betriebe reichen – rund 8 Prozent aller Höfe.
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